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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Die Umbildung einzelner Gewerbszweige.
bei Betrachtung der Spinnerei erzählte. Aber es war
schwierig; man fand Widerstand aller Art; für einzelne
größere solide Geschäfte war jede derartige Kontrole
überflüssig, daneben lästig und hemmend. Eine sehr
große Zahl anderer Kaufleute und Weber, die seit
Jahren schlechte und gefälschte Waaren lieferten, hatten
alle Ursache, aus diesem Grunde Opposition zu machen.
So wagte man nicht die Schau und Stempelung obli-
gatorisch zu machen; es wurde nur angeordnet, daß die
Weber gestempelte Weberblätter benutzen sollten, worin,
wenn sie sie anwendeten, allerdings eine Kontrole der
Breite des Gewebes und der Fädenzahl der Kette gele-
gen hätte.

Ich habe übrigens damit der Erzählung weit vor-
gegriffen. Zunächst hatten sich die Verhältnisse nach
1815 wieder etwas gebessert, wenigstens ein Theil des
Absatzes nach Außen war, wenn man billig genug ver-
kaufte, wieder zu gewinnen.1 Der Absatz in Deutsch-
land selbst hob sich mit rückkehrendem Frieden; das
preußische Zollsystem, später der Abschluß des Zollvereins
wirkten günstig. Wo man streng an der Naturbleiche
festhielt, hauptsächlich feines Garn, das die Maschine
noch nicht liefern konnte, verwebte, wie in Bielefeld,2
wo strengere Kontrolen die Solidität des Geschäfts auf-
recht erhalten hatten, wie in Hannover, da nahm der
Absatz sogar theilweise einen neuen Aufschwung. In

1 Gülich II, 412.
2 Verhandlungen vor dem Berliner Handelsamt, Zoll-
vereinsblatt von 1845, S. 601. Aussage, daß der Leinen-
handel Westfalens seine glücklichste Zeit 1833 -- 39 gehabt habe.

Die Umbildung einzelner Gewerbszweige.
bei Betrachtung der Spinnerei erzählte. Aber es war
ſchwierig; man fand Widerſtand aller Art; für einzelne
größere ſolide Geſchäfte war jede derartige Kontrole
überflüſſig, daneben läſtig und hemmend. Eine ſehr
große Zahl anderer Kaufleute und Weber, die ſeit
Jahren ſchlechte und gefälſchte Waaren lieferten, hatten
alle Urſache, aus dieſem Grunde Oppoſition zu machen.
So wagte man nicht die Schau und Stempelung obli-
gatoriſch zu machen; es wurde nur angeordnet, daß die
Weber geſtempelte Weberblätter benutzen ſollten, worin,
wenn ſie ſie anwendeten, allerdings eine Kontrole der
Breite des Gewebes und der Fädenzahl der Kette gele-
gen hätte.

Ich habe übrigens damit der Erzählung weit vor-
gegriffen. Zunächſt hatten ſich die Verhältniſſe nach
1815 wieder etwas gebeſſert, wenigſtens ein Theil des
Abſatzes nach Außen war, wenn man billig genug ver-
kaufte, wieder zu gewinnen.1 Der Abſatz in Deutſch-
land ſelbſt hob ſich mit rückkehrendem Frieden; das
preußiſche Zollſyſtem, ſpäter der Abſchluß des Zollvereins
wirkten günſtig. Wo man ſtreng an der Naturbleiche
feſthielt, hauptſächlich feines Garn, das die Maſchine
noch nicht liefern konnte, verwebte, wie in Bielefeld,2
wo ſtrengere Kontrolen die Solidität des Geſchäfts auf-
recht erhalten hatten, wie in Hannover, da nahm der
Abſatz ſogar theilweiſe einen neuen Aufſchwung. In

1 Gülich II, 412.
2 Verhandlungen vor dem Berliner Handelsamt, Zoll-
vereinsblatt von 1845, S. 601. Ausſage, daß der Leinen-
handel Weſtfalens ſeine glücklichſte Zeit 1833 — 39 gehabt habe.
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[546/0568] Die Umbildung einzelner Gewerbszweige. bei Betrachtung der Spinnerei erzählte. Aber es war ſchwierig; man fand Widerſtand aller Art; für einzelne größere ſolide Geſchäfte war jede derartige Kontrole überflüſſig, daneben läſtig und hemmend. Eine ſehr große Zahl anderer Kaufleute und Weber, die ſeit Jahren ſchlechte und gefälſchte Waaren lieferten, hatten alle Urſache, aus dieſem Grunde Oppoſition zu machen. So wagte man nicht die Schau und Stempelung obli- gatoriſch zu machen; es wurde nur angeordnet, daß die Weber geſtempelte Weberblätter benutzen ſollten, worin, wenn ſie ſie anwendeten, allerdings eine Kontrole der Breite des Gewebes und der Fädenzahl der Kette gele- gen hätte. Ich habe übrigens damit der Erzählung weit vor- gegriffen. Zunächſt hatten ſich die Verhältniſſe nach 1815 wieder etwas gebeſſert, wenigſtens ein Theil des Abſatzes nach Außen war, wenn man billig genug ver- kaufte, wieder zu gewinnen. 1 Der Abſatz in Deutſch- land ſelbſt hob ſich mit rückkehrendem Frieden; das preußiſche Zollſyſtem, ſpäter der Abſchluß des Zollvereins wirkten günſtig. Wo man ſtreng an der Naturbleiche feſthielt, hauptſächlich feines Garn, das die Maſchine noch nicht liefern konnte, verwebte, wie in Bielefeld, 2 wo ſtrengere Kontrolen die Solidität des Geſchäfts auf- recht erhalten hatten, wie in Hannover, da nahm der Abſatz ſogar theilweiſe einen neuen Aufſchwung. In 1 Gülich II, 412. 2 Verhandlungen vor dem Berliner Handelsamt, Zoll- vereinsblatt von 1845, S. 601. Ausſage, daß der Leinen- handel Weſtfalens ſeine glücklichſte Zeit 1833 — 39 gehabt habe.

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 546. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/568>, abgerufen am 22.11.2024.