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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Die preußische Leineweberei 1806 -- 15.
kommenen Weber. Hätte das Geschäft geblüht, so wären
jene, die sich jetzt mit ihrem Vermögen zurückzogen,
die berufenen Leute gewesen, die Fortschritte des eng-
lischen Maschinenwesens nachzuahmen. Bei der Ueber-
produktion aber war keine Veranlassung hiezu. Und
die, welche bei der Weberei blieben und neu sich zudräng-
ten, waren die mittellosen und ungeschicktern Weber.
Sie fingen im Gegentheil mehr und mehr, freilich durch
die Noth getrieben, an, zu versuchen, ob sie durch schnelle,
schlechte und gefälschte Produktion nicht ersetzen könnten,
was sie an den gedrückten Preisen verloren.

Es kann in dieser Beziehung nach den übereinstim-
menden Aussagen der Sachverständigen1 nicht zweifel-
haft sein, daß die Gewerbefreiheit und die in Folge
hievon eingetretene laxere Handhabung oder vollständige
Nichtachtung der Reglements verhängnißvoll besonders
für die schlesische Linnenweberei geworden ist. Stände,
Regierung und Kaufleute sahen das nach Jahren ja
auch ein. Man versuchte in Schlesien 1827 die
Kontrolen theilweise wieder herzustellen, wie ich schon

1 Ich verweise hauptsächlich auf Schneer und das große
dort angeführte Material. Auch in Frankreich fanden in den
vierziger Jahren vielfache Verhandlungen statt, ob nicht der
sinkenden Hausindustrie durch Wiederherstellung der alten Kon-
trolen aufzuhelfen sei: Zollvereinsblatt 1845, S. 922; noch
1856 erklärt Moreau de Jonnes den Zustand der kleinen Leine-
weber für einen solchen, dem nur durch verschiedene Staats-
und Gemeindeanstalten etc. zu helfen sei, Statistique de l'in-
dustrie
S. 184 -- 185. Aehnliche Berathungen in Sachsen,
die aber auch zu keinem Resultate führten, Wiek S. 241
Schmoller, Geschichte d. Kleingewerbe. 35

Die preußiſche Leineweberei 1806 — 15.
kommenen Weber. Hätte das Geſchäft geblüht, ſo wären
jene, die ſich jetzt mit ihrem Vermögen zurückzogen,
die berufenen Leute geweſen, die Fortſchritte des eng-
liſchen Maſchinenweſens nachzuahmen. Bei der Ueber-
produktion aber war keine Veranlaſſung hiezu. Und
die, welche bei der Weberei blieben und neu ſich zudräng-
ten, waren die mittelloſen und ungeſchicktern Weber.
Sie fingen im Gegentheil mehr und mehr, freilich durch
die Noth getrieben, an, zu verſuchen, ob ſie durch ſchnelle,
ſchlechte und gefälſchte Produktion nicht erſetzen könnten,
was ſie an den gedrückten Preiſen verloren.

Es kann in dieſer Beziehung nach den übereinſtim-
menden Ausſagen der Sachverſtändigen1 nicht zweifel-
haft ſein, daß die Gewerbefreiheit und die in Folge
hievon eingetretene laxere Handhabung oder vollſtändige
Nichtachtung der Reglements verhängnißvoll beſonders
für die ſchleſiſche Linnenweberei geworden iſt. Stände,
Regierung und Kaufleute ſahen das nach Jahren ja
auch ein. Man verſuchte in Schleſien 1827 die
Kontrolen theilweiſe wieder herzuſtellen, wie ich ſchon

1 Ich verweiſe hauptſächlich auf Schneer und das große
dort angeführte Material. Auch in Frankreich fanden in den
vierziger Jahren vielfache Verhandlungen ſtatt, ob nicht der
ſinkenden Hausinduſtrie durch Wiederherſtellung der alten Kon-
trolen aufzuhelfen ſei: Zollvereinsblatt 1845, S. 922; noch
1856 erklärt Moreau de Jonnès den Zuſtand der kleinen Leine-
weber für einen ſolchen, dem nur durch verſchiedene Staats-
und Gemeindeanſtalten ꝛc. zu helfen ſei, Statistique de l’in-
dustrie
S. 184 — 185. Aehnliche Berathungen in Sachſen,
die aber auch zu keinem Reſultate führten, Wiek S. 241
Schmoller, Geſchichte d. Kleingewerbe. 35
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[545/0567] Die preußiſche Leineweberei 1806 — 15. kommenen Weber. Hätte das Geſchäft geblüht, ſo wären jene, die ſich jetzt mit ihrem Vermögen zurückzogen, die berufenen Leute geweſen, die Fortſchritte des eng- liſchen Maſchinenweſens nachzuahmen. Bei der Ueber- produktion aber war keine Veranlaſſung hiezu. Und die, welche bei der Weberei blieben und neu ſich zudräng- ten, waren die mittelloſen und ungeſchicktern Weber. Sie fingen im Gegentheil mehr und mehr, freilich durch die Noth getrieben, an, zu verſuchen, ob ſie durch ſchnelle, ſchlechte und gefälſchte Produktion nicht erſetzen könnten, was ſie an den gedrückten Preiſen verloren. Es kann in dieſer Beziehung nach den übereinſtim- menden Ausſagen der Sachverſtändigen 1 nicht zweifel- haft ſein, daß die Gewerbefreiheit und die in Folge hievon eingetretene laxere Handhabung oder vollſtändige Nichtachtung der Reglements verhängnißvoll beſonders für die ſchleſiſche Linnenweberei geworden iſt. Stände, Regierung und Kaufleute ſahen das nach Jahren ja auch ein. Man verſuchte in Schleſien 1827 die Kontrolen theilweiſe wieder herzuſtellen, wie ich ſchon 1 Ich verweiſe hauptſächlich auf Schneer und das große dort angeführte Material. Auch in Frankreich fanden in den vierziger Jahren vielfache Verhandlungen ſtatt, ob nicht der ſinkenden Hausinduſtrie durch Wiederherſtellung der alten Kon- trolen aufzuhelfen ſei: Zollvereinsblatt 1845, S. 922; noch 1856 erklärt Moreau de Jonnès den Zuſtand der kleinen Leine- weber für einen ſolchen, dem nur durch verſchiedene Staats- und Gemeindeanſtalten ꝛc. zu helfen ſei, Statistique de l’in- dustrie S. 184 — 185. Aehnliche Berathungen in Sachſen, die aber auch zu keinem Reſultate führten, Wiek S. 241 Schmoller, Geſchichte d. Kleingewerbe. 35

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 545. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/567>, abgerufen am 22.11.2024.