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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Die theilweise Erhaltung der lokalen Weberei.
gebleichte Leinwand ohne Appretur wird auf den Jahr-
märkten verlangt; die mißtrauische Hausfrau des kleinen
Mannes traut den künstlichen Bleichmitteln nicht. Sie
zieht die alte Art des Aussehens vor. Gebleichte
Leinwand liefert der kleine Weber, indem er gebleichtes
Garn kauft.

Theilweise allerdings erhält sich die lokale Pro-
duktion nur dadurch, daß sie sich die niedrigeren Preise,
den geringern Gewinn gefallen läßt. Der kleine Mann,
der ein eigenes Haus, einen eigenen Garten hat, kann
immer noch bestehen, wenn auch schlechter als früher;
man rechnet in diesen Kreisen nicht so, wie bei der
großen Industrie und dem großen Handel. Die Aende-
rungen vollziehen sich erst nach Generationen.

Ein großer Unterschied findet auch in dieser
Beziehung noch zwischen den verschiedenen Theilen des
Zollvereins statt. Die allgemeinen Ursachen, welche den
Kleinbetrieb erhalten, eine gleichmäßige Vermögens- und
Einkommensvertheilung, ein zahlreicher, aber in seinen
Sitten einfacher Mittelstand werden auch in der Weberei
die kleine lokale Produktion eher erhalten. Dem kleinen
Weber sind die Verhältnisse in der Provinz Sachsen,
in Thüringen, am Rhein, in Süddeutschland günstiger,
als die im Nordosten. Ueberraschend ist in dieser
Beziehung die genaue öfter erwähnte Aufnahme von
Mährlen in Bezug auf Württemberg. Sie bezieht sich
zwar auf das Jahr 1858; seitdem wird dort auch Vieles
schon wieder anders geworden sein. Aber für den da-
maligen Zeitpunkt gibt sie genauen Anhalt dafür, daß
damals noch die lokale Kundenweberei und die hand-

Die theilweiſe Erhaltung der lokalen Weberei.
gebleichte Leinwand ohne Appretur wird auf den Jahr-
märkten verlangt; die mißtrauiſche Hausfrau des kleinen
Mannes traut den künſtlichen Bleichmitteln nicht. Sie
zieht die alte Art des Ausſehens vor. Gebleichte
Leinwand liefert der kleine Weber, indem er gebleichtes
Garn kauft.

Theilweiſe allerdings erhält ſich die lokale Pro-
duktion nur dadurch, daß ſie ſich die niedrigeren Preiſe,
den geringern Gewinn gefallen läßt. Der kleine Mann,
der ein eigenes Haus, einen eigenen Garten hat, kann
immer noch beſtehen, wenn auch ſchlechter als früher;
man rechnet in dieſen Kreiſen nicht ſo, wie bei der
großen Induſtrie und dem großen Handel. Die Aende-
rungen vollziehen ſich erſt nach Generationen.

Ein großer Unterſchied findet auch in dieſer
Beziehung noch zwiſchen den verſchiedenen Theilen des
Zollvereins ſtatt. Die allgemeinen Urſachen, welche den
Kleinbetrieb erhalten, eine gleichmäßige Vermögens- und
Einkommensvertheilung, ein zahlreicher, aber in ſeinen
Sitten einfacher Mittelſtand werden auch in der Weberei
die kleine lokale Produktion eher erhalten. Dem kleinen
Weber ſind die Verhältniſſe in der Provinz Sachſen,
in Thüringen, am Rhein, in Süddeutſchland günſtiger,
als die im Nordoſten. Ueberraſchend iſt in dieſer
Beziehung die genaue öfter erwähnte Aufnahme von
Mährlen in Bezug auf Württemberg. Sie bezieht ſich
zwar auf das Jahr 1858; ſeitdem wird dort auch Vieles
ſchon wieder anders geworden ſein. Aber für den da-
maligen Zeitpunkt gibt ſie genauen Anhalt dafür, daß
damals noch die lokale Kundenweberei und die hand-

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[527/0549] Die theilweiſe Erhaltung der lokalen Weberei. gebleichte Leinwand ohne Appretur wird auf den Jahr- märkten verlangt; die mißtrauiſche Hausfrau des kleinen Mannes traut den künſtlichen Bleichmitteln nicht. Sie zieht die alte Art des Ausſehens vor. Gebleichte Leinwand liefert der kleine Weber, indem er gebleichtes Garn kauft. Theilweiſe allerdings erhält ſich die lokale Pro- duktion nur dadurch, daß ſie ſich die niedrigeren Preiſe, den geringern Gewinn gefallen läßt. Der kleine Mann, der ein eigenes Haus, einen eigenen Garten hat, kann immer noch beſtehen, wenn auch ſchlechter als früher; man rechnet in dieſen Kreiſen nicht ſo, wie bei der großen Induſtrie und dem großen Handel. Die Aende- rungen vollziehen ſich erſt nach Generationen. Ein großer Unterſchied findet auch in dieſer Beziehung noch zwiſchen den verſchiedenen Theilen des Zollvereins ſtatt. Die allgemeinen Urſachen, welche den Kleinbetrieb erhalten, eine gleichmäßige Vermögens- und Einkommensvertheilung, ein zahlreicher, aber in ſeinen Sitten einfacher Mittelſtand werden auch in der Weberei die kleine lokale Produktion eher erhalten. Dem kleinen Weber ſind die Verhältniſſe in der Provinz Sachſen, in Thüringen, am Rhein, in Süddeutſchland günſtiger, als die im Nordoſten. Ueberraſchend iſt in dieſer Beziehung die genaue öfter erwähnte Aufnahme von Mährlen in Bezug auf Württemberg. Sie bezieht ſich zwar auf das Jahr 1858; ſeitdem wird dort auch Vieles ſchon wieder anders geworden ſein. Aber für den da- maligen Zeitpunkt gibt ſie genauen Anhalt dafür, daß damals noch die lokale Kundenweberei und die hand-

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 527. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/549>, abgerufen am 22.11.2024.