in Preußen zuzulassen, wie wenn sie in Preußen nach dortigem Recht diese Stufe erreicht hätten; alle Geburts- beschränkungen für das Lehrlingwerden sind beseitigt, ebenso die zahlreichen Gründe der Unredlichkeit; volle Freiheit des Jahrmarktverkehrs, auch für Fremde, wird statuirt; mehrere einander nahestehende Zünfte sollen kombinirt werden, damit die Streitigkeiten aufhören.
Das waren im Großen und Ganzen die Grund- sätze, nach denen im 18. Jahrhundert die brandenbur- gisch-preußischen Gewerbe behandelt wurden. Was war der Erfolg? der Erfolg trotz dem, was dieser Staat im 18. Jahrhundert erduldet. Ich erinnere dabei nur an die Pest, die Preußen und Pommern 1709--1711 fast entvölkerte,1 an den Steuerdruck und die Kriege unter dem großen König, an die volkswirthschaftliche Krisis, welche nach dem 7 jährigen Kriege hauptsächlich durch die Münzwirren entstand,2 an die Wirkungen der Hungerjahre von 1770--74. Trotz alledem war der Erfolg ein großer, wie ich nur durch einige zeitgenössische Urtheile und statistische Zahlen beweisen will.
Schon zu Anfang des Jahrhunderts gilt der preu- ßische Gewerbfleiß als ein den Nachbarstaaten überlege- ner. "Man sehe die Handwerksstäte" -- ruft Mar- perger3 schon 1710 -- "voller fleißiger Handwerksleute
1 Stenzel III, 188.
2 Preuß, Urkundenbuch III, S. 86 ff. Briefwechsel zwischen Friederich dem Großen und seinen Ministern über den Verfall des Handels, der Fabriken und über das Projekt einer neuen Billetbank. 1766.
3 Paul Jakob Marperger's, Mitglied der königl. preuß. Sozietät der Wissenschaften, Kurtzgefaßte geographische, histo-
Ein Rückblick ins 18. Jahrhundert.
in Preußen zuzulaſſen, wie wenn ſie in Preußen nach dortigem Recht dieſe Stufe erreicht hätten; alle Geburts- beſchränkungen für das Lehrlingwerden ſind beſeitigt, ebenſo die zahlreichen Gründe der Unredlichkeit; volle Freiheit des Jahrmarktverkehrs, auch für Fremde, wird ſtatuirt; mehrere einander naheſtehende Zünfte ſollen kombinirt werden, damit die Streitigkeiten aufhören.
Das waren im Großen und Ganzen die Grund- ſätze, nach denen im 18. Jahrhundert die brandenbur- giſch-preußiſchen Gewerbe behandelt wurden. Was war der Erfolg? der Erfolg trotz dem, was dieſer Staat im 18. Jahrhundert erduldet. Ich erinnere dabei nur an die Peſt, die Preußen und Pommern 1709—1711 faſt entvölkerte,1 an den Steuerdruck und die Kriege unter dem großen König, an die volkswirthſchaftliche Kriſis, welche nach dem 7 jährigen Kriege hauptſächlich durch die Münzwirren entſtand,2 an die Wirkungen der Hungerjahre von 1770—74. Trotz alledem war der Erfolg ein großer, wie ich nur durch einige zeitgenöſſiſche Urtheile und ſtatiſtiſche Zahlen beweiſen will.
Schon zu Anfang des Jahrhunderts gilt der preu- ßiſche Gewerbfleiß als ein den Nachbarſtaaten überlege- ner. „Man ſehe die Handwerksſtäte“ — ruft Mar- perger3 ſchon 1710 — „voller fleißiger Handwerksleute
1 Stenzel III, 188.
2 Preuß, Urkundenbuch III, S. 86 ff. Briefwechſel zwiſchen Friederich dem Großen und ſeinen Miniſtern über den Verfall des Handels, der Fabriken und über das Projekt einer neuen Billetbank. 1766.
3 Paul Jakob Marperger’s, Mitglied der königl. preuß. Sozietät der Wiſſenſchaften, Kurtzgefaßte geographiſche, hiſto-
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Ein Rückblick ins 18. Jahrhundert.
in Preußen zuzulaſſen, wie wenn ſie in Preußen nach
dortigem Recht dieſe Stufe erreicht hätten; alle Geburts-
beſchränkungen für das Lehrlingwerden ſind beſeitigt,
ebenſo die zahlreichen Gründe der Unredlichkeit; volle
Freiheit des Jahrmarktverkehrs, auch für Fremde, wird
ſtatuirt; mehrere einander naheſtehende Zünfte ſollen
kombinirt werden, damit die Streitigkeiten aufhören.
Das waren im Großen und Ganzen die Grund-
ſätze, nach denen im 18. Jahrhundert die brandenbur-
giſch-preußiſchen Gewerbe behandelt wurden. Was war
der Erfolg? der Erfolg trotz dem, was dieſer Staat
im 18. Jahrhundert erduldet. Ich erinnere dabei nur
an die Peſt, die Preußen und Pommern 1709—1711
faſt entvölkerte, 1 an den Steuerdruck und die Kriege
unter dem großen König, an die volkswirthſchaftliche
Kriſis, welche nach dem 7 jährigen Kriege hauptſächlich
durch die Münzwirren entſtand, 2 an die Wirkungen der
Hungerjahre von 1770—74. Trotz alledem war der
Erfolg ein großer, wie ich nur durch einige zeitgenöſſiſche
Urtheile und ſtatiſtiſche Zahlen beweiſen will.
Schon zu Anfang des Jahrhunderts gilt der preu-
ßiſche Gewerbfleiß als ein den Nachbarſtaaten überlege-
ner. „Man ſehe die Handwerksſtäte“ — ruft Mar-
perger 3 ſchon 1710 — „voller fleißiger Handwerksleute
1 Stenzel III, 188.
2 Preuß, Urkundenbuch III, S. 86 ff. Briefwechſel zwiſchen
Friederich dem Großen und ſeinen Miniſtern über den Verfall
des Handels, der Fabriken und über das Projekt einer neuen
Billetbank. 1766.
3 Paul Jakob Marperger’s, Mitglied der königl. preuß.
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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/54>, abgerufen am 22.11.2024.
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