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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Die Umbildung einzelner Gewerbszweige.

Die tägliche Leistung eines solchen einfachen Hand-
stuhles ist natürlich sehr verschieden je nach der Breite,
je nach dem Stoffe, sowie je nach der Feinheit des
Garnes. Die Durchschnittsangaben, welche darüber
früher und später gemacht wurden, ziehen zugleich häufig
noch in Rechnung, daß ein großer Theil der Webstühle
nur einen Theil des Tages im Gange ist; es hängt
davon ab, ob der Weber noch andere Arbeit verrichtet,
ob er die Hülfsoperationen selbst vornehmen muß oder
nicht. Man wird bei 12 stündiger Arbeit und mittlerem
Gewebe zu Anfang des Jahrhunderts nicht über 3--6
Ellen als tägliche Leistung annehmen können. Viebahn
rechnet noch 1846 bei 14 stündiger Arbeit 3--6 preußische
Ellen Leinwand, Dieterici etwa zur selben Zeit 5 Ellen
als tägliche Leistung.

Die Hauptverbesserung des gewöhnlichen Webstuhls
ist die schon 1738 von John Kay erfundene Schnell-
schütze, die mechanische Bewegung des Weberschiffchens;
sie erlaubt viel breitere Zeuge zu weben und steigert die
tägliche Ellenzahl wenigstens auf das Doppelte. In
Deutschland fand die Schnellschütze erst in den zwanziger
Jahren dieses Jahrhunderts allgemeinere Verbreitung.
Noch neuer ist die Verbesserung des gewöhnlichen Web-
stuhls durch einen Mechanismus, welcher das fertige
Zeug von selbst aufwickelt und die Kette von selbst weiter
abwickelt.

Schon 1750 hatte Vaucanson einen Webstuhl gebaut,
dessen einzelne Thätigkeiten mittelst Kurbeldrehung bewirkt
wurden; aber die Einrichtung war nicht praktisch. Im
Jahre 1785 ließ der Theologe Dr. Kartwright seinen

Die Umbildung einzelner Gewerbszweige.

Die tägliche Leiſtung eines ſolchen einfachen Hand-
ſtuhles iſt natürlich ſehr verſchieden je nach der Breite,
je nach dem Stoffe, ſowie je nach der Feinheit des
Garnes. Die Durchſchnittsangaben, welche darüber
früher und ſpäter gemacht wurden, ziehen zugleich häufig
noch in Rechnung, daß ein großer Theil der Webſtühle
nur einen Theil des Tages im Gange iſt; es hängt
davon ab, ob der Weber noch andere Arbeit verrichtet,
ob er die Hülfsoperationen ſelbſt vornehmen muß oder
nicht. Man wird bei 12 ſtündiger Arbeit und mittlerem
Gewebe zu Anfang des Jahrhunderts nicht über 3—6
Ellen als tägliche Leiſtung annehmen können. Viebahn
rechnet noch 1846 bei 14 ſtündiger Arbeit 3—6 preußiſche
Ellen Leinwand, Dieterici etwa zur ſelben Zeit 5 Ellen
als tägliche Leiſtung.

Die Hauptverbeſſerung des gewöhnlichen Webſtuhls
iſt die ſchon 1738 von John Kay erfundene Schnell-
ſchütze, die mechaniſche Bewegung des Weberſchiffchens;
ſie erlaubt viel breitere Zeuge zu weben und ſteigert die
tägliche Ellenzahl wenigſtens auf das Doppelte. In
Deutſchland fand die Schnellſchütze erſt in den zwanziger
Jahren dieſes Jahrhunderts allgemeinere Verbreitung.
Noch neuer iſt die Verbeſſerung des gewöhnlichen Web-
ſtuhls durch einen Mechanismus, welcher das fertige
Zeug von ſelbſt aufwickelt und die Kette von ſelbſt weiter
abwickelt.

Schon 1750 hatte Vaucanſon einen Webſtuhl gebaut,
deſſen einzelne Thätigkeiten mittelſt Kurbeldrehung bewirkt
wurden; aber die Einrichtung war nicht praktiſch. Im
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[494/0516] Die Umbildung einzelner Gewerbszweige. Die tägliche Leiſtung eines ſolchen einfachen Hand- ſtuhles iſt natürlich ſehr verſchieden je nach der Breite, je nach dem Stoffe, ſowie je nach der Feinheit des Garnes. Die Durchſchnittsangaben, welche darüber früher und ſpäter gemacht wurden, ziehen zugleich häufig noch in Rechnung, daß ein großer Theil der Webſtühle nur einen Theil des Tages im Gange iſt; es hängt davon ab, ob der Weber noch andere Arbeit verrichtet, ob er die Hülfsoperationen ſelbſt vornehmen muß oder nicht. Man wird bei 12 ſtündiger Arbeit und mittlerem Gewebe zu Anfang des Jahrhunderts nicht über 3—6 Ellen als tägliche Leiſtung annehmen können. Viebahn rechnet noch 1846 bei 14 ſtündiger Arbeit 3—6 preußiſche Ellen Leinwand, Dieterici etwa zur ſelben Zeit 5 Ellen als tägliche Leiſtung. Die Hauptverbeſſerung des gewöhnlichen Webſtuhls iſt die ſchon 1738 von John Kay erfundene Schnell- ſchütze, die mechaniſche Bewegung des Weberſchiffchens; ſie erlaubt viel breitere Zeuge zu weben und ſteigert die tägliche Ellenzahl wenigſtens auf das Doppelte. In Deutſchland fand die Schnellſchütze erſt in den zwanziger Jahren dieſes Jahrhunderts allgemeinere Verbreitung. Noch neuer iſt die Verbeſſerung des gewöhnlichen Web- ſtuhls durch einen Mechanismus, welcher das fertige Zeug von ſelbſt aufwickelt und die Kette von ſelbſt weiter abwickelt. Schon 1750 hatte Vaucanſon einen Webſtuhl gebaut, deſſen einzelne Thätigkeiten mittelſt Kurbeldrehung bewirkt wurden; aber die Einrichtung war nicht praktiſch. Im Jahre 1785 ließ der Theologe Dr. Kartwright ſeinen

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 494. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/516>, abgerufen am 22.11.2024.