von der menschlichen Kraft bewegt; die Maschine arbeitete lange kaum oder gar nicht billiger, als der meist genüg- same Handweber; für einzelne Branchen ist die Maschinen- arbeit heute noch nicht anwendbar. Die technischen Ope- rationen, denen die Gewebe vor und nach dem Weben zu unterwerfen sind, waren es früher mehr, als die Maschinenweberei, welche der Großindustrie das Ueber- gewicht verschafften. Und aus eben dem Grunde existi- ren bis heute blühende Branchen der Textilgewerbe als Hausindustrie, mit technischer Vollendung der Gewebe durch Fabrikanten und Kaufleute.
Der alte einfache Webstuhl, wie er bis zu Anfang dieses Jahrhunderts so ziemlich überall üblich war, ist beinahe Jahrtausende alt. Wir finden ihn in den Ge- mächern der Penelope, wie in den Frauenhäusern auf den großen Königshöfen und Domänen Karls des Großen. Es ist derselbe Webstuhl, an dem später die zahlreichen niederländischen Tuchmacher sitzen, den die Niederländer von da über ganz Norddeutschland verbreiten; es ist derselbe Webstuhl, der im 15ten Jahrhundert der schwäbischen Linnenindustrie zu ihrem Weltrufe verhilft, der später die große westfälische oder ravensbergische Exportindustrie, die schlesische Linnenindustrie, die sächsische und preußische Tuchmacherei des 18ten Jahrhunderts in Flor bringt. Nur eine etwas andere verbesserte Einrichtung durch eine Mehrzahl von Tritten und Schäften brauchte es, um die im 17ten Jahrhundert aus den Niederlanden nach Deutschland gebrachte Weberei der künstlerisch gemusterten Gewebe, der Drelle und Damaste zu ermöglichen.
Zur techniſchen Geſchichte der Weberei.
von der menſchlichen Kraft bewegt; die Maſchine arbeitete lange kaum oder gar nicht billiger, als der meiſt genüg- ſame Handweber; für einzelne Branchen iſt die Maſchinen- arbeit heute noch nicht anwendbar. Die techniſchen Ope- rationen, denen die Gewebe vor und nach dem Weben zu unterwerfen ſind, waren es früher mehr, als die Maſchinenweberei, welche der Großinduſtrie das Ueber- gewicht verſchafften. Und aus eben dem Grunde exiſti- ren bis heute blühende Branchen der Textilgewerbe als Hausinduſtrie, mit techniſcher Vollendung der Gewebe durch Fabrikanten und Kaufleute.
Der alte einfache Webſtuhl, wie er bis zu Anfang dieſes Jahrhunderts ſo ziemlich überall üblich war, iſt beinahe Jahrtauſende alt. Wir finden ihn in den Ge- mächern der Penelope, wie in den Frauenhäuſern auf den großen Königshöfen und Domänen Karls des Großen. Es iſt derſelbe Webſtuhl, an dem ſpäter die zahlreichen niederländiſchen Tuchmacher ſitzen, den die Niederländer von da über ganz Norddeutſchland verbreiten; es iſt derſelbe Webſtuhl, der im 15ten Jahrhundert der ſchwäbiſchen Linneninduſtrie zu ihrem Weltrufe verhilft, der ſpäter die große weſtfäliſche oder ravensbergiſche Exportinduſtrie, die ſchleſiſche Linneninduſtrie, die ſächſiſche und preußiſche Tuchmacherei des 18ten Jahrhunderts in Flor bringt. Nur eine etwas andere verbeſſerte Einrichtung durch eine Mehrzahl von Tritten und Schäften brauchte es, um die im 17ten Jahrhundert aus den Niederlanden nach Deutſchland gebrachte Weberei der künſtleriſch gemuſterten Gewebe, der Drelle und Damaſte zu ermöglichen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0515"n="493"/><fwplace="top"type="header">Zur techniſchen Geſchichte der Weberei.</fw><lb/>
von der menſchlichen Kraft bewegt; die Maſchine arbeitete<lb/>
lange kaum oder gar nicht billiger, als der meiſt genüg-<lb/>ſame Handweber; für einzelne Branchen iſt die Maſchinen-<lb/>
arbeit heute noch nicht anwendbar. Die techniſchen Ope-<lb/>
rationen, denen die Gewebe vor und nach dem Weben<lb/>
zu unterwerfen ſind, waren es früher mehr, als die<lb/>
Maſchinenweberei, welche der Großinduſtrie das Ueber-<lb/>
gewicht verſchafften. Und aus eben dem Grunde exiſti-<lb/>
ren bis heute blühende Branchen der Textilgewerbe als<lb/>
Hausinduſtrie, mit techniſcher Vollendung der Gewebe<lb/>
durch Fabrikanten und Kaufleute.</p><lb/><p>Der alte einfache Webſtuhl, wie er bis zu Anfang<lb/>
dieſes Jahrhunderts ſo ziemlich überall üblich war, iſt<lb/>
beinahe Jahrtauſende alt. Wir finden ihn in den Ge-<lb/>
mächern der Penelope, wie in den Frauenhäuſern auf<lb/>
den großen Königshöfen und Domänen Karls des Großen.<lb/>
Es iſt derſelbe Webſtuhl, an dem ſpäter die zahlreichen<lb/>
niederländiſchen Tuchmacher ſitzen, den die Niederländer<lb/>
von da über ganz Norddeutſchland verbreiten; es iſt<lb/>
derſelbe Webſtuhl, der im 15ten Jahrhundert der<lb/>ſchwäbiſchen Linneninduſtrie zu ihrem Weltrufe verhilft,<lb/>
der ſpäter die große weſtfäliſche oder ravensbergiſche<lb/>
Exportinduſtrie, die ſchleſiſche Linneninduſtrie, die ſächſiſche<lb/>
und preußiſche Tuchmacherei des 18ten Jahrhunderts<lb/>
in Flor bringt. Nur eine etwas andere verbeſſerte<lb/>
Einrichtung durch eine Mehrzahl von Tritten und<lb/>
Schäften brauchte es, um die im 17ten Jahrhundert<lb/>
aus den Niederlanden nach Deutſchland gebrachte<lb/>
Weberei der künſtleriſch gemuſterten Gewebe, der Drelle<lb/>
und Damaſte zu ermöglichen.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[493/0515]
Zur techniſchen Geſchichte der Weberei.
von der menſchlichen Kraft bewegt; die Maſchine arbeitete
lange kaum oder gar nicht billiger, als der meiſt genüg-
ſame Handweber; für einzelne Branchen iſt die Maſchinen-
arbeit heute noch nicht anwendbar. Die techniſchen Ope-
rationen, denen die Gewebe vor und nach dem Weben
zu unterwerfen ſind, waren es früher mehr, als die
Maſchinenweberei, welche der Großinduſtrie das Ueber-
gewicht verſchafften. Und aus eben dem Grunde exiſti-
ren bis heute blühende Branchen der Textilgewerbe als
Hausinduſtrie, mit techniſcher Vollendung der Gewebe
durch Fabrikanten und Kaufleute.
Der alte einfache Webſtuhl, wie er bis zu Anfang
dieſes Jahrhunderts ſo ziemlich überall üblich war, iſt
beinahe Jahrtauſende alt. Wir finden ihn in den Ge-
mächern der Penelope, wie in den Frauenhäuſern auf
den großen Königshöfen und Domänen Karls des Großen.
Es iſt derſelbe Webſtuhl, an dem ſpäter die zahlreichen
niederländiſchen Tuchmacher ſitzen, den die Niederländer
von da über ganz Norddeutſchland verbreiten; es iſt
derſelbe Webſtuhl, der im 15ten Jahrhundert der
ſchwäbiſchen Linneninduſtrie zu ihrem Weltrufe verhilft,
der ſpäter die große weſtfäliſche oder ravensbergiſche
Exportinduſtrie, die ſchleſiſche Linneninduſtrie, die ſächſiſche
und preußiſche Tuchmacherei des 18ten Jahrhunderts
in Flor bringt. Nur eine etwas andere verbeſſerte
Einrichtung durch eine Mehrzahl von Tritten und
Schäften brauchte es, um die im 17ten Jahrhundert
aus den Niederlanden nach Deutſchland gebrachte
Weberei der künſtleriſch gemuſterten Gewebe, der Drelle
und Damaſte zu ermöglichen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 493. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/515>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.