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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Die geringe Zahl deutscher Kammgarnspinnereien.
auf 380839 Streichgarnspindeln nur 56258 Kamm-
garnspindeln. Und ihre Zahl nahm sogar mit dem
größern Bedarf noch mehr ab, weil die kleinen Spinne-
reien in dieser Branche viel weniger die Konkurrenz des
Auslandes aushalten konnten. Im Jahre 1846 war die
Zahl der Spindeln in Preußen auf 32470 gesunken;
1861 sind es 47153, die sich aber jetzt auf einige
wenige große Geschäfte (auf 49 in ganz Preußen, 1846
noch 253) vertheilen. Im ganzen Zollverein zählte
man 1861 - 146 Kammgarnspinnereien mit 251897
Spindeln. Noch jetzt besteht der überwiegende Theil
der großen Einfuhr von einfachem Wollgarn des Zoll-
vereins (213071 Ztr. im Jahre 1864) aus Kamm-
garnen. Immerhin aber existiren jetzt eine Anzahl großer
Kammgarnspinnereien in Schlesien, Brandenburg, am
Rhein, vor allem im Königreich Sachsen und in Baiern.
Aber sie sind meist ziemlich jungen Ursprungs und haben
dann gleich von Anfang an einen den englischen Geschäften
ähnlichen Charakter angenommen, jenen Charakter der
Großartigkeit, wie er hier aus der Natur der Sache
folgt. Die Mode stellt an diese Garne gegenwärtig so hohe
Forderungen in Bezug auf Ansehen, Weichheit, Farbe,
Elastizität, Leichtigkeit und Geschmeidigkeit, daß nur die
raffinirteste Anspannung und Anwendung aller technischen
Mittel auf dem Markte bestehen kann. Was durch
diese Anstalten jetzt bei uns verdrängt wird, ist die
fremde Einfuhr, keine einheimischen kleinen Geschäfte.

Ebensowenig kann man das Aufhören der Hand-
kämmerei, das sich in den letzten zwanzig Jahren voll-
zogen hat, beklagen. Theilweise verschwinden damit,

Die geringe Zahl deutſcher Kammgarnſpinnereien.
auf 380839 Streichgarnſpindeln nur 56258 Kamm-
garnſpindeln. Und ihre Zahl nahm ſogar mit dem
größern Bedarf noch mehr ab, weil die kleinen Spinne-
reien in dieſer Branche viel weniger die Konkurrenz des
Auslandes aushalten konnten. Im Jahre 1846 war die
Zahl der Spindeln in Preußen auf 32470 geſunken;
1861 ſind es 47153, die ſich aber jetzt auf einige
wenige große Geſchäfte (auf 49 in ganz Preußen, 1846
noch 253) vertheilen. Im ganzen Zollverein zählte
man 1861 - 146 Kammgarnſpinnereien mit 251897
Spindeln. Noch jetzt beſteht der überwiegende Theil
der großen Einfuhr von einfachem Wollgarn des Zoll-
vereins (213071 Ztr. im Jahre 1864) aus Kamm-
garnen. Immerhin aber exiſtiren jetzt eine Anzahl großer
Kammgarnſpinnereien in Schleſien, Brandenburg, am
Rhein, vor allem im Königreich Sachſen und in Baiern.
Aber ſie ſind meiſt ziemlich jungen Urſprungs und haben
dann gleich von Anfang an einen den engliſchen Geſchäften
ähnlichen Charakter angenommen, jenen Charakter der
Großartigkeit, wie er hier aus der Natur der Sache
folgt. Die Mode ſtellt an dieſe Garne gegenwärtig ſo hohe
Forderungen in Bezug auf Anſehen, Weichheit, Farbe,
Elaſtizität, Leichtigkeit und Geſchmeidigkeit, daß nur die
raffinirteſte Anſpannung und Anwendung aller techniſchen
Mittel auf dem Markte beſtehen kann. Was durch
dieſe Anſtalten jetzt bei uns verdrängt wird, iſt die
fremde Einfuhr, keine einheimiſchen kleinen Geſchäfte.

Ebenſowenig kann man das Aufhören der Hand-
kämmerei, das ſich in den letzten zwanzig Jahren voll-
zogen hat, beklagen. Theilweiſe verſchwinden damit,

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[485/0507] Die geringe Zahl deutſcher Kammgarnſpinnereien. auf 380839 Streichgarnſpindeln nur 56258 Kamm- garnſpindeln. Und ihre Zahl nahm ſogar mit dem größern Bedarf noch mehr ab, weil die kleinen Spinne- reien in dieſer Branche viel weniger die Konkurrenz des Auslandes aushalten konnten. Im Jahre 1846 war die Zahl der Spindeln in Preußen auf 32470 geſunken; 1861 ſind es 47153, die ſich aber jetzt auf einige wenige große Geſchäfte (auf 49 in ganz Preußen, 1846 noch 253) vertheilen. Im ganzen Zollverein zählte man 1861 - 146 Kammgarnſpinnereien mit 251897 Spindeln. Noch jetzt beſteht der überwiegende Theil der großen Einfuhr von einfachem Wollgarn des Zoll- vereins (213071 Ztr. im Jahre 1864) aus Kamm- garnen. Immerhin aber exiſtiren jetzt eine Anzahl großer Kammgarnſpinnereien in Schleſien, Brandenburg, am Rhein, vor allem im Königreich Sachſen und in Baiern. Aber ſie ſind meiſt ziemlich jungen Urſprungs und haben dann gleich von Anfang an einen den engliſchen Geſchäften ähnlichen Charakter angenommen, jenen Charakter der Großartigkeit, wie er hier aus der Natur der Sache folgt. Die Mode ſtellt an dieſe Garne gegenwärtig ſo hohe Forderungen in Bezug auf Anſehen, Weichheit, Farbe, Elaſtizität, Leichtigkeit und Geſchmeidigkeit, daß nur die raffinirteſte Anſpannung und Anwendung aller techniſchen Mittel auf dem Markte beſtehen kann. Was durch dieſe Anſtalten jetzt bei uns verdrängt wird, iſt die fremde Einfuhr, keine einheimiſchen kleinen Geſchäfte. Ebenſowenig kann man das Aufhören der Hand- kämmerei, das ſich in den letzten zwanzig Jahren voll- zogen hat, beklagen. Theilweiſe verſchwinden damit,

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 485. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/507>, abgerufen am 22.11.2024.