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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Die Krisis der kleinen Streichgarnspinnereien.
Hülfe der Familienmitglieder und Hausgenossen. Noch
1843 hatten von den 3300 Maschinen 2894 zusammen
163211 Spindeln, also eine 56; in Preußen, Posen,
und Pommern kamen 1843 auf ein Geschäft nur 45
Spindeln; es scheint, sagt Hoffmann, daß es in diesen
Provinzen keines gab mit über 80 Spindeln. In der
Mark hatten die Tuchmacher noch fast ausschließlich
eigene kleine Spinnereien; im Regierungsbezirk Frankfurt
kamen 150 Spindeln auf eine Spinnerei. Nur in
Schlesien und am Rhein war es damals schon wesentlich
anders. In Schlesien hatten sich schon damals größere
Lohnspinnereien gebildet, welche für die Tuchmacher wie
für die Tuchfabrikanten arbeiteten. In der Gegend von
Aachen hatten die Tuchfabrikanten meist schon ihre
eigenen größern Spinnereien; im Regierungsbezirk
Aachen kamen damals schon auf ein Geschäft etwa
1000 Spindeln.

In die Zeit von 1843 -- 55 fällt die Hauptkrisis;
es ist die kritische Zeit für die kleinen Tuchmacher; ihr
eigenes Garn, wie ihre eigene Walkerei, Färberei und
Appretur können nicht Schritt halten mit den Verbesse-
rungen, und damit verschwinden auch die kleinen
Spinnereien nach einander. Von 1855 -- 61 setzt sich
diese Richtung fort, etwas weniger akut, weil diejenigen,
welche am wenigsten konkurriren konnten, schon gefallen
sind. Die Zahl der Geschäfte sinkt von 1843 -- 61
auf den dritten Theil herab, der Umfang der einzelnen
Spinnereien steigt auf das dreifache bis sechsfache. Doch
ist der Verlauf der Krisis sehr verschieden nach den
Provinzen. In Preußen, Posen, Pommern gibt es

Die Kriſis der kleinen Streichgarnſpinnereien.
Hülfe der Familienmitglieder und Hausgenoſſen. Noch
1843 hatten von den 3300 Maſchinen 2894 zuſammen
163211 Spindeln, alſo eine 56; in Preußen, Poſen,
und Pommern kamen 1843 auf ein Geſchäft nur 45
Spindeln; es ſcheint, ſagt Hoffmann, daß es in dieſen
Provinzen keines gab mit über 80 Spindeln. In der
Mark hatten die Tuchmacher noch faſt ausſchließlich
eigene kleine Spinnereien; im Regierungsbezirk Frankfurt
kamen 150 Spindeln auf eine Spinnerei. Nur in
Schleſien und am Rhein war es damals ſchon weſentlich
anders. In Schleſien hatten ſich ſchon damals größere
Lohnſpinnereien gebildet, welche für die Tuchmacher wie
für die Tuchfabrikanten arbeiteten. In der Gegend von
Aachen hatten die Tuchfabrikanten meiſt ſchon ihre
eigenen größern Spinnereien; im Regierungsbezirk
Aachen kamen damals ſchon auf ein Geſchäft etwa
1000 Spindeln.

In die Zeit von 1843 — 55 fällt die Hauptkriſis;
es iſt die kritiſche Zeit für die kleinen Tuchmacher; ihr
eigenes Garn, wie ihre eigene Walkerei, Färberei und
Appretur können nicht Schritt halten mit den Verbeſſe-
rungen, und damit verſchwinden auch die kleinen
Spinnereien nach einander. Von 1855 — 61 ſetzt ſich
dieſe Richtung fort, etwas weniger akut, weil diejenigen,
welche am wenigſten konkurriren konnten, ſchon gefallen
ſind. Die Zahl der Geſchäfte ſinkt von 1843 — 61
auf den dritten Theil herab, der Umfang der einzelnen
Spinnereien ſteigt auf das dreifache bis ſechsfache. Doch
iſt der Verlauf der Kriſis ſehr verſchieden nach den
Provinzen. In Preußen, Poſen, Pommern gibt es

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[479/0501] Die Kriſis der kleinen Streichgarnſpinnereien. Hülfe der Familienmitglieder und Hausgenoſſen. Noch 1843 hatten von den 3300 Maſchinen 2894 zuſammen 163211 Spindeln, alſo eine 56; in Preußen, Poſen, und Pommern kamen 1843 auf ein Geſchäft nur 45 Spindeln; es ſcheint, ſagt Hoffmann, daß es in dieſen Provinzen keines gab mit über 80 Spindeln. In der Mark hatten die Tuchmacher noch faſt ausſchließlich eigene kleine Spinnereien; im Regierungsbezirk Frankfurt kamen 150 Spindeln auf eine Spinnerei. Nur in Schleſien und am Rhein war es damals ſchon weſentlich anders. In Schleſien hatten ſich ſchon damals größere Lohnſpinnereien gebildet, welche für die Tuchmacher wie für die Tuchfabrikanten arbeiteten. In der Gegend von Aachen hatten die Tuchfabrikanten meiſt ſchon ihre eigenen größern Spinnereien; im Regierungsbezirk Aachen kamen damals ſchon auf ein Geſchäft etwa 1000 Spindeln. In die Zeit von 1843 — 55 fällt die Hauptkriſis; es iſt die kritiſche Zeit für die kleinen Tuchmacher; ihr eigenes Garn, wie ihre eigene Walkerei, Färberei und Appretur können nicht Schritt halten mit den Verbeſſe- rungen, und damit verſchwinden auch die kleinen Spinnereien nach einander. Von 1855 — 61 ſetzt ſich dieſe Richtung fort, etwas weniger akut, weil diejenigen, welche am wenigſten konkurriren konnten, ſchon gefallen ſind. Die Zahl der Geſchäfte ſinkt von 1843 — 61 auf den dritten Theil herab, der Umfang der einzelnen Spinnereien ſteigt auf das dreifache bis ſechsfache. Doch iſt der Verlauf der Kriſis ſehr verſchieden nach den Provinzen. In Preußen, Poſen, Pommern gibt es

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 479. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/501>, abgerufen am 22.11.2024.