hunderts entgegen tritt, ist folgendes. Der Weber mit seinen Gesellen und Jungen sortirte, schlug und reinigte die Wolle, gab sie dann dem Spinner und Kämmer, der für ihn um Lohn arbeitete; dann erst wurde gewebt, gewalkt, appretirt, und wenn der Weber nicht Eigen- thümer des Rohstoffes war, erhielt nun der Verleger das fertige Produkt gegen den Lohn zurück.
Das erklärt es, daß die Stockung des Absatzes von Wollwaaren zur Zeit der napoleonischen Kriege und der Uebergang zu der kleinen Spinnmaschine, der sich schon zu Anfang des Jahrhunderts vollzog, nirgends als ein allgemeiner Nothstand, als der Ruin eines blühen- den Handwerks empfunden wurde.
Für das sogenannte Streichgarn, d. h. für das Garn zu gewalkten Waaren, Flanellen und einigen andern Stoffen, bedurfte es damals nur sehr einfacher Maschinen. Das Garn darf nicht scharf gedreht sein, muß einen ziemlichen Durchmesser haben, um den Ein- fluß des Walkens nicht zu widerstehen. Maschinen hierzu waren leicht zu bauen, leicht zu bezahlen. Wohlhabende Tuchmacher, deren es, wie ich unten noch zeigen werde, besonders in Preußen und Sachsen damals ziemlich viele gab, erwarben schnell und zahlreich solche kleine Maschinen; auch kleine handwerksmäßige Lohnspinne- reien entstanden. "Schon vor 1800 bauten in Berlin die Mechaniker Hoppe und Tappert Maschinen zum Schrobbeln, Streichen und Spinnen der Wolle, in welchen letztern dreißig Spindeln gleichzeitig gingen und welche man zur Produktion ordinärer Garne mit Erfolg verwendete." Der englische Maschinenbauer Cockerill
Die Umbildung einzelner Gewerbszweige.
hunderts entgegen tritt, iſt folgendes. Der Weber mit ſeinen Geſellen und Jungen ſortirte, ſchlug und reinigte die Wolle, gab ſie dann dem Spinner und Kämmer, der für ihn um Lohn arbeitete; dann erſt wurde gewebt, gewalkt, appretirt, und wenn der Weber nicht Eigen- thümer des Rohſtoffes war, erhielt nun der Verleger das fertige Produkt gegen den Lohn zurück.
Das erklärt es, daß die Stockung des Abſatzes von Wollwaaren zur Zeit der napoleoniſchen Kriege und der Uebergang zu der kleinen Spinnmaſchine, der ſich ſchon zu Anfang des Jahrhunderts vollzog, nirgends als ein allgemeiner Nothſtand, als der Ruin eines blühen- den Handwerks empfunden wurde.
Für das ſogenannte Streichgarn, d. h. für das Garn zu gewalkten Waaren, Flanellen und einigen andern Stoffen, bedurfte es damals nur ſehr einfacher Maſchinen. Das Garn darf nicht ſcharf gedreht ſein, muß einen ziemlichen Durchmeſſer haben, um den Ein- fluß des Walkens nicht zu widerſtehen. Maſchinen hierzu waren leicht zu bauen, leicht zu bezahlen. Wohlhabende Tuchmacher, deren es, wie ich unten noch zeigen werde, beſonders in Preußen und Sachſen damals ziemlich viele gab, erwarben ſchnell und zahlreich ſolche kleine Maſchinen; auch kleine handwerksmäßige Lohnſpinne- reien entſtanden. „Schon vor 1800 bauten in Berlin die Mechaniker Hoppe und Tappert Maſchinen zum Schrobbeln, Streichen und Spinnen der Wolle, in welchen letztern dreißig Spindeln gleichzeitig gingen und welche man zur Produktion ordinärer Garne mit Erfolg verwendete.“ Der engliſche Maſchinenbauer Cockerill
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0498"n="476"/><fwplace="top"type="header">Die Umbildung einzelner Gewerbszweige.</fw><lb/>
hunderts entgegen tritt, iſt folgendes. Der Weber mit<lb/>ſeinen Geſellen und Jungen ſortirte, ſchlug und reinigte<lb/>
die Wolle, gab ſie dann dem Spinner und Kämmer,<lb/>
der für ihn um Lohn arbeitete; dann erſt wurde gewebt,<lb/>
gewalkt, appretirt, und wenn der Weber nicht Eigen-<lb/>
thümer des Rohſtoffes war, erhielt nun der Verleger<lb/>
das fertige Produkt gegen den Lohn zurück.</p><lb/><p>Das erklärt es, daß die Stockung des Abſatzes<lb/>
von Wollwaaren zur Zeit der napoleoniſchen Kriege und<lb/>
der Uebergang zu der kleinen Spinnmaſchine, der ſich<lb/>ſchon zu Anfang des Jahrhunderts vollzog, nirgends als<lb/>
ein allgemeiner Nothſtand, als der Ruin eines blühen-<lb/>
den Handwerks empfunden wurde.</p><lb/><p>Für das ſogenannte Streichgarn, d. h. für das<lb/>
Garn zu gewalkten Waaren, Flanellen und einigen<lb/>
andern Stoffen, bedurfte es damals nur ſehr einfacher<lb/>
Maſchinen. Das Garn darf nicht ſcharf gedreht ſein,<lb/>
muß einen ziemlichen Durchmeſſer haben, um den Ein-<lb/>
fluß des Walkens nicht zu widerſtehen. Maſchinen hierzu<lb/>
waren leicht zu bauen, leicht zu bezahlen. Wohlhabende<lb/>
Tuchmacher, deren es, wie ich unten noch zeigen werde,<lb/>
beſonders in Preußen und Sachſen damals ziemlich<lb/>
viele gab, erwarben ſchnell und zahlreich ſolche kleine<lb/>
Maſchinen; auch kleine handwerksmäßige Lohnſpinne-<lb/>
reien entſtanden. „Schon vor 1800 bauten in Berlin<lb/>
die Mechaniker Hoppe und Tappert Maſchinen zum<lb/>
Schrobbeln, Streichen und Spinnen der Wolle, in<lb/>
welchen letztern dreißig Spindeln gleichzeitig gingen und<lb/>
welche man zur Produktion ordinärer Garne mit Erfolg<lb/>
verwendete.“ Der engliſche Maſchinenbauer Cockerill<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[476/0498]
Die Umbildung einzelner Gewerbszweige.
hunderts entgegen tritt, iſt folgendes. Der Weber mit
ſeinen Geſellen und Jungen ſortirte, ſchlug und reinigte
die Wolle, gab ſie dann dem Spinner und Kämmer,
der für ihn um Lohn arbeitete; dann erſt wurde gewebt,
gewalkt, appretirt, und wenn der Weber nicht Eigen-
thümer des Rohſtoffes war, erhielt nun der Verleger
das fertige Produkt gegen den Lohn zurück.
Das erklärt es, daß die Stockung des Abſatzes
von Wollwaaren zur Zeit der napoleoniſchen Kriege und
der Uebergang zu der kleinen Spinnmaſchine, der ſich
ſchon zu Anfang des Jahrhunderts vollzog, nirgends als
ein allgemeiner Nothſtand, als der Ruin eines blühen-
den Handwerks empfunden wurde.
Für das ſogenannte Streichgarn, d. h. für das
Garn zu gewalkten Waaren, Flanellen und einigen
andern Stoffen, bedurfte es damals nur ſehr einfacher
Maſchinen. Das Garn darf nicht ſcharf gedreht ſein,
muß einen ziemlichen Durchmeſſer haben, um den Ein-
fluß des Walkens nicht zu widerſtehen. Maſchinen hierzu
waren leicht zu bauen, leicht zu bezahlen. Wohlhabende
Tuchmacher, deren es, wie ich unten noch zeigen werde,
beſonders in Preußen und Sachſen damals ziemlich
viele gab, erwarben ſchnell und zahlreich ſolche kleine
Maſchinen; auch kleine handwerksmäßige Lohnſpinne-
reien entſtanden. „Schon vor 1800 bauten in Berlin
die Mechaniker Hoppe und Tappert Maſchinen zum
Schrobbeln, Streichen und Spinnen der Wolle, in
welchen letztern dreißig Spindeln gleichzeitig gingen und
welche man zur Produktion ordinärer Garne mit Erfolg
verwendete.“ Der engliſche Maſchinenbauer Cockerill
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 476. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/498>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.