Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Umbildung einzelner Gewerbszweige.
gekostet hatte, bis auf 19 und 20 Thaler gegen 1829
bis 1832 sank, als damit die ungeheure Zunahme des
Baumwollverbrauchs erfolgte, da dachte man längst
nicht mehr an die Möglichkeit einer Handspinnerei der
Baumwolle. Die Twistpreise standen so, daß damals
schon eine Spinnerin selbst beim höchsten Fleiße noch
1 Sgr. mit den gröbsten Garnnummern, höchstens
einige Pfennige bei höhern Nummern hätte verdienen
können.1 Und das Minimum des Verdienstes, mit dem
sich damals eine Person begnügte, wäre doch etwa 2 Sgr.
gewesen. Man verarbeitete daher schon damals nur
Maschinengarn.

Innerhalb der Maschinenspinnerei selbst aber trat der
große Konkurrenzkampf zwischen England und Deutsch-
land, zwischen den großen Etablissements und jenen
kleinen Spinnereien ein, welche dem Handwerke noch
nahe standen. Den Hauptanstoß erhielten die deutschen
Spinnereien durch die Kontinentalsperre. Am Rhein,
an der Wupper, Ruhr, Erft und Sieg, in Sachsen,
Schlesien und Baiern entstanden zahlreiche, meist kleine,
aber bei den damaligen Preisen sehr gewinnbringende
Geschäfte.2 Nach 1815 trat unter dem Druck der eng-
lischen Konkurrenz ein Stillstand ein, manche der kleinen
Spinnereien gingen wieder ein. Das Schlimmste waren
von da an die Rückschläge des schwankenden englischen
Marktes; nach Jahren steigender Nachfrage und steigen-

1 J. G. Hoffmann a. a. O. S. 94 -- 95.
2 Wiek, industrielle Zustände Sachsens, das Gesammtgebiet
des sächs. Manufaktur- u. Fabrikwesens, Chemnitz 1840, S. 56.

Die Umbildung einzelner Gewerbszweige.
gekoſtet hatte, bis auf 19 und 20 Thaler gegen 1829
bis 1832 ſank, als damit die ungeheure Zunahme des
Baumwollverbrauchs erfolgte, da dachte man längſt
nicht mehr an die Möglichkeit einer Handſpinnerei der
Baumwolle. Die Twiſtpreiſe ſtanden ſo, daß damals
ſchon eine Spinnerin ſelbſt beim höchſten Fleiße noch
1 Sgr. mit den gröbſten Garnnummern, höchſtens
einige Pfennige bei höhern Nummern hätte verdienen
können.1 Und das Minimum des Verdienſtes, mit dem
ſich damals eine Perſon begnügte, wäre doch etwa 2 Sgr.
geweſen. Man verarbeitete daher ſchon damals nur
Maſchinengarn.

Innerhalb der Maſchinenſpinnerei ſelbſt aber trat der
große Konkurrenzkampf zwiſchen England und Deutſch-
land, zwiſchen den großen Etabliſſements und jenen
kleinen Spinnereien ein, welche dem Handwerke noch
nahe ſtanden. Den Hauptanſtoß erhielten die deutſchen
Spinnereien durch die Kontinentalſperre. Am Rhein,
an der Wupper, Ruhr, Erft und Sieg, in Sachſen,
Schleſien und Baiern entſtanden zahlreiche, meiſt kleine,
aber bei den damaligen Preiſen ſehr gewinnbringende
Geſchäfte.2 Nach 1815 trat unter dem Druck der eng-
liſchen Konkurrenz ein Stillſtand ein, manche der kleinen
Spinnereien gingen wieder ein. Das Schlimmſte waren
von da an die Rückſchläge des ſchwankenden engliſchen
Marktes; nach Jahren ſteigender Nachfrage und ſteigen-

1 J. G. Hoffmann a. a. O. S. 94 — 95.
2 Wiek, induſtrielle Zuſtände Sachſens, das Geſammtgebiet
des ſächſ. Manufaktur- u. Fabrikweſens, Chemnitz 1840, S. 56.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0476" n="454"/><fw place="top" type="header">Die Umbildung einzelner Gewerbszweige.</fw><lb/>
geko&#x017F;tet hatte, bis auf 19 und 20 Thaler gegen 1829<lb/>
bis 1832 &#x017F;ank, als damit die ungeheure Zunahme des<lb/>
Baumwollverbrauchs erfolgte, da dachte man läng&#x017F;t<lb/>
nicht mehr an die Möglichkeit einer Hand&#x017F;pinnerei der<lb/>
Baumwolle. Die Twi&#x017F;tprei&#x017F;e &#x017F;tanden &#x017F;o, daß damals<lb/>
&#x017F;chon eine Spinnerin &#x017F;elb&#x017F;t beim höch&#x017F;ten Fleiße noch<lb/>
1 Sgr. mit den gröb&#x017F;ten Garnnummern, höch&#x017F;tens<lb/>
einige Pfennige bei höhern Nummern hätte verdienen<lb/>
können.<note place="foot" n="1">J. G. Hoffmann a. a. O. S. 94 &#x2014; 95.</note> Und das Minimum des Verdien&#x017F;tes, mit dem<lb/>
&#x017F;ich damals eine Per&#x017F;on begnügte, wäre doch etwa 2 Sgr.<lb/>
gewe&#x017F;en. Man verarbeitete daher &#x017F;chon damals nur<lb/>
Ma&#x017F;chinengarn.</p><lb/>
          <p>Innerhalb der Ma&#x017F;chinen&#x017F;pinnerei &#x017F;elb&#x017F;t aber trat der<lb/>
große Konkurrenzkampf zwi&#x017F;chen England und Deut&#x017F;ch-<lb/>
land, zwi&#x017F;chen den großen Etabli&#x017F;&#x017F;ements und jenen<lb/>
kleinen Spinnereien ein, welche dem Handwerke noch<lb/>
nahe &#x017F;tanden. Den Hauptan&#x017F;toß erhielten die deut&#x017F;chen<lb/>
Spinnereien durch die Kontinental&#x017F;perre. Am Rhein,<lb/>
an der Wupper, Ruhr, Erft und Sieg, in Sach&#x017F;en,<lb/>
Schle&#x017F;ien und Baiern ent&#x017F;tanden zahlreiche, mei&#x017F;t kleine,<lb/>
aber bei den damaligen Prei&#x017F;en &#x017F;ehr gewinnbringende<lb/>
Ge&#x017F;chäfte.<note place="foot" n="2">Wiek, indu&#x017F;trielle Zu&#x017F;tände Sach&#x017F;ens, das Ge&#x017F;ammtgebiet<lb/>
des &#x017F;äch&#x017F;. Manufaktur- u. Fabrikwe&#x017F;ens, Chemnitz 1840, S. 56.</note> Nach 1815 trat unter dem Druck der eng-<lb/>
li&#x017F;chen Konkurrenz ein Still&#x017F;tand ein, manche der kleinen<lb/>
Spinnereien gingen wieder ein. Das Schlimm&#x017F;te waren<lb/>
von da an die Rück&#x017F;chläge des &#x017F;chwankenden engli&#x017F;chen<lb/>
Marktes; nach Jahren &#x017F;teigender Nachfrage und &#x017F;teigen-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[454/0476] Die Umbildung einzelner Gewerbszweige. gekoſtet hatte, bis auf 19 und 20 Thaler gegen 1829 bis 1832 ſank, als damit die ungeheure Zunahme des Baumwollverbrauchs erfolgte, da dachte man längſt nicht mehr an die Möglichkeit einer Handſpinnerei der Baumwolle. Die Twiſtpreiſe ſtanden ſo, daß damals ſchon eine Spinnerin ſelbſt beim höchſten Fleiße noch 1 Sgr. mit den gröbſten Garnnummern, höchſtens einige Pfennige bei höhern Nummern hätte verdienen können. 1 Und das Minimum des Verdienſtes, mit dem ſich damals eine Perſon begnügte, wäre doch etwa 2 Sgr. geweſen. Man verarbeitete daher ſchon damals nur Maſchinengarn. Innerhalb der Maſchinenſpinnerei ſelbſt aber trat der große Konkurrenzkampf zwiſchen England und Deutſch- land, zwiſchen den großen Etabliſſements und jenen kleinen Spinnereien ein, welche dem Handwerke noch nahe ſtanden. Den Hauptanſtoß erhielten die deutſchen Spinnereien durch die Kontinentalſperre. Am Rhein, an der Wupper, Ruhr, Erft und Sieg, in Sachſen, Schleſien und Baiern entſtanden zahlreiche, meiſt kleine, aber bei den damaligen Preiſen ſehr gewinnbringende Geſchäfte. 2 Nach 1815 trat unter dem Druck der eng- liſchen Konkurrenz ein Stillſtand ein, manche der kleinen Spinnereien gingen wieder ein. Das Schlimmſte waren von da an die Rückſchläge des ſchwankenden engliſchen Marktes; nach Jahren ſteigender Nachfrage und ſteigen- 1 J. G. Hoffmann a. a. O. S. 94 — 95. 2 Wiek, induſtrielle Zuſtände Sachſens, das Geſammtgebiet des ſächſ. Manufaktur- u. Fabrikweſens, Chemnitz 1840, S. 56.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/476
Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 454. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/476>, abgerufen am 25.11.2024.