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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Der proletarische Kleinbetrieb in den Nahrungsgewerben.
genügen, die große Zahl allzukleiner Betriebe hervor zu
rufen. Denn dem stehen immer wieder die Vortheile
größerer Geschäfte entgegen; wie viel billiger läßt sich
im Großen kochen und doch herrschen die kleinen elenden
Garküchen vor; wie viel billiger läßt sich im Großen
einkaufen, und doch überwiegen die kleinen Kramläden,
die kleinen Gewürz- und Kaffeekrämer.

Das hängt eben mit dem übermäßigen Andrang
zu allen diesen leicht betreibbaren Geschäften zusammen,
welcher dann besonders erfolgt, wenn bei rasch wachsen-
der Bevölkerung die Erziehung der untern Klassen zur
Arbeit, die Gelegenheit zu Ausbildung und zu Verdienst
nach andern Richtungen zeitweise nicht ebenso wächst.
Die übermäßige Konkurrenz drückt dann auf alle diesen
Thätigkeiten Angehörenden; Mißbräuche und Unreellität
steigern sich; das ganze Standesbewußtsein und Ehr-
gefühl der Betreffenden wird dadurch herabgedrückt;
Lotterkredit wird gegeben, nur um Kunden anzuziehen. 1

1 Vergl. oben S. 113 ff., S. 153, S. 213 ff. --
Huber, dessen eben erfolgten Tod die Wissenschaft ebenso zu
beklagen hat, wie der Arbeiterstand und alle Freunde der
Arbeitersache, spricht sich noch neulich in dem Artikel über die
Arbeiterfrage in Deutschland (deutsche Vierteljahrsschrift Juli --
Septemberheft 1869. S. 173 ff.) über den verderblichen Ein-
fluß dieser Elemente aus, er betont die Vertheuerung und
Adulteration aller Lebensbedürfnisse, die Ueberfüllung konkur-
rirender Verkaufsstätten, die Ueberreizung von Produktion und
Konsumtion. Wo 3--4 einfache oder kooperative Geschäfte mit
einem Perfonal von 2--3 Dutzend Personen ausreichten, -- sagt
er, -- wird die 4--5 fache Zahl beschäftigt, die Kosten werden ver-
theuert, Schwindel aller Art, trügerischer Kredit als Reizmittel

Der proletariſche Kleinbetrieb in den Nahrungsgewerben.
genügen, die große Zahl allzukleiner Betriebe hervor zu
rufen. Denn dem ſtehen immer wieder die Vortheile
größerer Geſchäfte entgegen; wie viel billiger läßt ſich
im Großen kochen und doch herrſchen die kleinen elenden
Garküchen vor; wie viel billiger läßt ſich im Großen
einkaufen, und doch überwiegen die kleinen Kramläden,
die kleinen Gewürz- und Kaffeekrämer.

Das hängt eben mit dem übermäßigen Andrang
zu allen dieſen leicht betreibbaren Geſchäften zuſammen,
welcher dann beſonders erfolgt, wenn bei raſch wachſen-
der Bevölkerung die Erziehung der untern Klaſſen zur
Arbeit, die Gelegenheit zu Ausbildung und zu Verdienſt
nach andern Richtungen zeitweiſe nicht ebenſo wächſt.
Die übermäßige Konkurrenz drückt dann auf alle dieſen
Thätigkeiten Angehörenden; Mißbräuche und Unreellität
ſteigern ſich; das ganze Standesbewußtſein und Ehr-
gefühl der Betreffenden wird dadurch herabgedrückt;
Lotterkredit wird gegeben, nur um Kunden anzuziehen. 1

1 Vergl. oben S. 113 ff., S. 153, S. 213 ff. —
Huber, deſſen eben erfolgten Tod die Wiſſenſchaft ebenſo zu
beklagen hat, wie der Arbeiterſtand und alle Freunde der
Arbeiterſache, ſpricht ſich noch neulich in dem Artikel über die
Arbeiterfrage in Deutſchland (deutſche Vierteljahrsſchrift Juli —
Septemberheft 1869. S. 173 ff.) über den verderblichen Ein-
fluß dieſer Elemente aus, er betont die Vertheuerung und
Adulteration aller Lebensbedürfniſſe, die Ueberfüllung konkur-
rirender Verkaufsſtätten, die Ueberreizung von Produktion und
Konſumtion. Wo 3—4 einfache oder kooperative Geſchäfte mit
einem Perfonal von 2—3 Dutzend Perſonen ausreichten, — ſagt
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[441/0463] Der proletariſche Kleinbetrieb in den Nahrungsgewerben. genügen, die große Zahl allzukleiner Betriebe hervor zu rufen. Denn dem ſtehen immer wieder die Vortheile größerer Geſchäfte entgegen; wie viel billiger läßt ſich im Großen kochen und doch herrſchen die kleinen elenden Garküchen vor; wie viel billiger läßt ſich im Großen einkaufen, und doch überwiegen die kleinen Kramläden, die kleinen Gewürz- und Kaffeekrämer. Das hängt eben mit dem übermäßigen Andrang zu allen dieſen leicht betreibbaren Geſchäften zuſammen, welcher dann beſonders erfolgt, wenn bei raſch wachſen- der Bevölkerung die Erziehung der untern Klaſſen zur Arbeit, die Gelegenheit zu Ausbildung und zu Verdienſt nach andern Richtungen zeitweiſe nicht ebenſo wächſt. Die übermäßige Konkurrenz drückt dann auf alle dieſen Thätigkeiten Angehörenden; Mißbräuche und Unreellität ſteigern ſich; das ganze Standesbewußtſein und Ehr- gefühl der Betreffenden wird dadurch herabgedrückt; Lotterkredit wird gegeben, nur um Kunden anzuziehen. 1 1 Vergl. oben S. 113 ff., S. 153, S. 213 ff. — Huber, deſſen eben erfolgten Tod die Wiſſenſchaft ebenſo zu beklagen hat, wie der Arbeiterſtand und alle Freunde der Arbeiterſache, ſpricht ſich noch neulich in dem Artikel über die Arbeiterfrage in Deutſchland (deutſche Vierteljahrsſchrift Juli — Septemberheft 1869. S. 173 ff.) über den verderblichen Ein- fluß dieſer Elemente aus, er betont die Vertheuerung und Adulteration aller Lebensbedürfniſſe, die Ueberfüllung konkur- rirender Verkaufsſtätten, die Ueberreizung von Produktion und Konſumtion. Wo 3—4 einfache oder kooperative Geſchäfte mit einem Perfonal von 2—3 Dutzend Perſonen ausreichten, — ſagt er, — wird die 4—5 fache Zahl beſchäftigt, die Koſten werden ver- theuert, Schwindel aller Art, trügeriſcher Kredit als Reizmittel

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 441. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/463>, abgerufen am 22.11.2024.