zählte, das 1792 deren nur noch 20 hatte, kommen in diesem Jahre auf 5129 Einwohner doch noch 674 selbständige Gewerbtreibende mit 290 Gehülfen, also 964 Personen, das sind 18,79 % der Bevölkerung. Sie müssen in sehr schlimmer Lage gewesen sein, wenn man auch annimmt, sie hätten neben dem Absatz in der Stadt noch einen weitreichenden in der Umgegend gehabt. "Kaum 100 dieser Meister konnten von ihrem Gewerbebetrieb leben." "Ich kenne" -- sagt ein Augen- zeuge, der damalige Zunftherr Adam Weiß zu Speier -- "äußerst thätige rechtschaffene Professionisten, die Tag und Nacht anhaltend zu arbeiten wünschen. Allein sie finden keine Beschäftigung und müssen zu ihrem gro- ßen Leidwesen gezwungen müßig gehen. Voll Wehmuth sieht man sie für die Ihrigen gegen den Hungertod käm- pfen, und kaum verschafft ihnen ihr Sieg das trockene Brod."
So sind die gewerblichen Zustände Deutschlands im 18. Jahrhundert beinahe allenthalben. Immerhin aber gab es einzelne Theile des Reichs, wo die Lage des Gewerbsmannes etwas besser war, wie ich schon vorhin erwähnte. In Oestreich war durch Karl VI., durch Maria Theresia und Joseph II. Manches gesche- hen. Auch in Sachsen war einiger gewerblicher Fort- schritt nicht zu leugnen. Vor Allem aber hatte man es in den preußischen Landen verstanden, den Wohl- stand zu fördern. Es ist nöthig, darauf noch einen Blick zu werfen.
Ein Rückblick ins 18. Jahrhundert.
zählte, das 1792 deren nur noch 20 hatte, kommen in dieſem Jahre auf 5129 Einwohner doch noch 674 ſelbſtändige Gewerbtreibende mit 290 Gehülfen, alſo 964 Perſonen, das ſind 18,79 % der Bevölkerung. Sie müſſen in ſehr ſchlimmer Lage geweſen ſein, wenn man auch annimmt, ſie hätten neben dem Abſatz in der Stadt noch einen weitreichenden in der Umgegend gehabt. „Kaum 100 dieſer Meiſter konnten von ihrem Gewerbebetrieb leben.“ „Ich kenne“ — ſagt ein Augen- zeuge, der damalige Zunftherr Adam Weiß zu Speier — „äußerſt thätige rechtſchaffene Profeſſioniſten, die Tag und Nacht anhaltend zu arbeiten wünſchen. Allein ſie finden keine Beſchäftigung und müſſen zu ihrem gro- ßen Leidweſen gezwungen müßig gehen. Voll Wehmuth ſieht man ſie für die Ihrigen gegen den Hungertod käm- pfen, und kaum verſchafft ihnen ihr Sieg das trockene Brod.“
So ſind die gewerblichen Zuſtände Deutſchlands im 18. Jahrhundert beinahe allenthalben. Immerhin aber gab es einzelne Theile des Reichs, wo die Lage des Gewerbsmannes etwas beſſer war, wie ich ſchon vorhin erwähnte. In Oeſtreich war durch Karl VI., durch Maria Thereſia und Joſeph II. Manches geſche- hen. Auch in Sachſen war einiger gewerblicher Fort- ſchritt nicht zu leugnen. Vor Allem aber hatte man es in den preußiſchen Landen verſtanden, den Wohl- ſtand zu fördern. Es iſt nöthig, darauf noch einen Blick zu werfen.
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[22/0044]
Ein Rückblick ins 18. Jahrhundert.
zählte, das 1792 deren nur noch 20 hatte, kommen
in dieſem Jahre auf 5129 Einwohner doch noch
674 ſelbſtändige Gewerbtreibende mit 290 Gehülfen,
alſo 964 Perſonen, das ſind 18,79 % der Bevölkerung.
Sie müſſen in ſehr ſchlimmer Lage geweſen ſein, wenn
man auch annimmt, ſie hätten neben dem Abſatz in
der Stadt noch einen weitreichenden in der Umgegend
gehabt. „Kaum 100 dieſer Meiſter konnten von ihrem
Gewerbebetrieb leben.“ „Ich kenne“ — ſagt ein Augen-
zeuge, der damalige Zunftherr Adam Weiß zu Speier —
„äußerſt thätige rechtſchaffene Profeſſioniſten, die Tag
und Nacht anhaltend zu arbeiten wünſchen. Allein ſie
finden keine Beſchäftigung und müſſen zu ihrem gro-
ßen Leidweſen gezwungen müßig gehen. Voll Wehmuth
ſieht man ſie für die Ihrigen gegen den Hungertod käm-
pfen, und kaum verſchafft ihnen ihr Sieg das trockene
Brod.“
So ſind die gewerblichen Zuſtände Deutſchlands
im 18. Jahrhundert beinahe allenthalben. Immerhin
aber gab es einzelne Theile des Reichs, wo die Lage
des Gewerbsmannes etwas beſſer war, wie ich ſchon
vorhin erwähnte. In Oeſtreich war durch Karl VI.,
durch Maria Thereſia und Joſeph II. Manches geſche-
hen. Auch in Sachſen war einiger gewerblicher Fort-
ſchritt nicht zu leugnen. Vor Allem aber hatte man
es in den preußiſchen Landen verſtanden, den Wohl-
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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/44>, abgerufen am 04.12.2024.
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