42000 Thaler jährlich Brod nach Westfalen abgesetzt haben. In Berlin und Chemnitz existiren große Ge- nossenschaftsbäckereien, der St. Johann-Saarbrücker Konsumverein hat eine eigene Brodbäckerei.
Die zweite Voraussetzung solcher großer Bäckereien ist die Organisation des Absatzes, des Brodhandels. Nun ist der Brodhandel ja besonders in Nord- deutschland sehr entwickelt, der Brodverkauf auf den Wochenmärkten durch die umliegenden Landmeister ist ziemlich bedeutend. Häufig haben die Landmeister bestimmte Kunden in der Stadt, denen sie täglich oder alle paar Tage die nothwendige Brodquantität in's Haus bringen. In Berlin wurden 1864 - 184400 Zentner Brod eingeführt. Aber das ist mehr ein Brod- handel im Kleinen; die Frau und die Kinder des Land- meisters besorgen ihn, ohne daß es dazu kostspieliger Organe bedurfte. Auch die genossenschaftliche Bäckerei kommt ohne große Kosten für den Absatz weg. Die Mitglieder holen es in der Regel in den ohnedieß gehaltenen Kaufstellen.
Nicht so die Privatbrodfabrik. Bei ihr entstehen bedeutende Kosten für Verkaufsstellen, für den Transport, welche theilweise die Ersparnisse der Massenproduktion aufwiegen können. Die Einrichtung besonderer Brod- wagen, welche herumfahren, den Familien den täglichen Bedarf in's Haus zu liefern, lohnt nur in großen Städten. Und dann kostet eine solche Organisation nicht bloß viel, sie widerstreitet auch vielfach den Gewohn- heiten und Bedürfnissen. Viele wollen nicht so fest bestellen, sondern selbst einkaufen, in der Nähe ein-
Die Umbildung einzelner Gewerbszweige.
42000 Thaler jährlich Brod nach Weſtfalen abgeſetzt haben. In Berlin und Chemnitz exiſtiren große Ge- noſſenſchaftsbäckereien, der St. Johann-Saarbrücker Konſumverein hat eine eigene Brodbäckerei.
Die zweite Vorausſetzung ſolcher großer Bäckereien iſt die Organiſation des Abſatzes, des Brodhandels. Nun iſt der Brodhandel ja beſonders in Nord- deutſchland ſehr entwickelt, der Brodverkauf auf den Wochenmärkten durch die umliegenden Landmeiſter iſt ziemlich bedeutend. Häufig haben die Landmeiſter beſtimmte Kunden in der Stadt, denen ſie täglich oder alle paar Tage die nothwendige Brodquantität in’s Haus bringen. In Berlin wurden 1864 - 184400 Zentner Brod eingeführt. Aber das iſt mehr ein Brod- handel im Kleinen; die Frau und die Kinder des Land- meiſters beſorgen ihn, ohne daß es dazu koſtſpieliger Organe bedurfte. Auch die genoſſenſchaftliche Bäckerei kommt ohne große Koſten für den Abſatz weg. Die Mitglieder holen es in der Regel in den ohnedieß gehaltenen Kaufſtellen.
Nicht ſo die Privatbrodfabrik. Bei ihr entſtehen bedeutende Koſten für Verkaufsſtellen, für den Transport, welche theilweiſe die Erſparniſſe der Maſſenproduktion aufwiegen können. Die Einrichtung beſonderer Brod- wagen, welche herumfahren, den Familien den täglichen Bedarf in’s Haus zu liefern, lohnt nur in großen Städten. Und dann koſtet eine ſolche Organiſation nicht bloß viel, ſie widerſtreitet auch vielfach den Gewohn- heiten und Bedürfniſſen. Viele wollen nicht ſo feſt beſtellen, ſondern ſelbſt einkaufen, in der Nähe ein-
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Die Umbildung einzelner Gewerbszweige.
42000 Thaler jährlich Brod nach Weſtfalen abgeſetzt
haben. In Berlin und Chemnitz exiſtiren große Ge-
noſſenſchaftsbäckereien, der St. Johann-Saarbrücker
Konſumverein hat eine eigene Brodbäckerei.
Die zweite Vorausſetzung ſolcher großer Bäckereien
iſt die Organiſation des Abſatzes, des Brodhandels.
Nun iſt der Brodhandel ja beſonders in Nord-
deutſchland ſehr entwickelt, der Brodverkauf auf den
Wochenmärkten durch die umliegenden Landmeiſter iſt
ziemlich bedeutend. Häufig haben die Landmeiſter
beſtimmte Kunden in der Stadt, denen ſie täglich oder
alle paar Tage die nothwendige Brodquantität in’s
Haus bringen. In Berlin wurden 1864 - 184400
Zentner Brod eingeführt. Aber das iſt mehr ein Brod-
handel im Kleinen; die Frau und die Kinder des Land-
meiſters beſorgen ihn, ohne daß es dazu koſtſpieliger
Organe bedurfte. Auch die genoſſenſchaftliche Bäckerei
kommt ohne große Koſten für den Abſatz weg. Die
Mitglieder holen es in der Regel in den ohnedieß
gehaltenen Kaufſtellen.
Nicht ſo die Privatbrodfabrik. Bei ihr entſtehen
bedeutende Koſten für Verkaufsſtellen, für den Transport,
welche theilweiſe die Erſparniſſe der Maſſenproduktion
aufwiegen können. Die Einrichtung beſonderer Brod-
wagen, welche herumfahren, den Familien den täglichen
Bedarf in’s Haus zu liefern, lohnt nur in großen
Städten. Und dann koſtet eine ſolche Organiſation nicht
bloß viel, ſie widerſtreitet auch vielfach den Gewohn-
heiten und Bedürfniſſen. Viele wollen nicht ſo feſt
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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/436>, abgerufen am 22.11.2024.
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