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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Die Umbildung einzelner Gewerbszweige.
einen Theil des Jahres Personen beschäftigt, die sonst
rein der Landwirthschaft sich widmen.

Etwas anderes ist es mit der Brauerei, wenn
gleich auch sie vielfach in den Großbetrieb übergeht.
Die Brauerei tritt auch theilweise als ländliches Neben-
gewerbe auf, aber viel weniger, als die Branntwein-
brennerei; sie flüchtete sich hauptsächlich zu einer Zeit
aufs Land, als die Zunftmißbräuche in den Städten
gerade hier, gerade in diesem Gewerbe den höchsten
Grad erreicht hatten.1

Die alte weitberühmte Brauerei der deutschen
Städte, welche bis in das 17te Jahrhundert sich erhal-
ten hatte, zerfiel im 18ten mehr und mehr. Thee und
Kaffee, Wein und Branntwein verdrängten das Bier
bei Vornehm und Gering. Die städtische Brauzunft
bestand aus einer Anzahl Hausbesitzern, die das aus-
schließliche Recht zu brauen als eine Pfründe betrachteten,
es häufig nur verpachteten, jedenfalls wenig von der
Brauerei verstanden, da sie nicht, wie andere Real-
berechtigte, gezwungen waren, durch eine technische
Bildung sich das Meisterrecht zu erwerben. Bei sinken-
dem Absatz wurde das Reihebrauen eingeführt, oft mit
einem gemeinsamen Malzhaus und in einem gemein-
samen Brauhaus, welche jeder nach der Reihe benutzte,
weil es nicht lohnte, mehrere stehende Einrichtungen
derart zu haben.2

1 Engel, sächsisches Jahrbuch S. 376.
2 J. G. Hoffmann, Befugniß zum Gewerbetrieb S. 188
bis 197.

Die Umbildung einzelner Gewerbszweige.
einen Theil des Jahres Perſonen beſchäftigt, die ſonſt
rein der Landwirthſchaft ſich widmen.

Etwas anderes iſt es mit der Brauerei, wenn
gleich auch ſie vielfach in den Großbetrieb übergeht.
Die Brauerei tritt auch theilweiſe als ländliches Neben-
gewerbe auf, aber viel weniger, als die Branntwein-
brennerei; ſie flüchtete ſich hauptſächlich zu einer Zeit
aufs Land, als die Zunftmißbräuche in den Städten
gerade hier, gerade in dieſem Gewerbe den höchſten
Grad erreicht hatten.1

Die alte weitberühmte Brauerei der deutſchen
Städte, welche bis in das 17te Jahrhundert ſich erhal-
ten hatte, zerfiel im 18ten mehr und mehr. Thee und
Kaffee, Wein und Branntwein verdrängten das Bier
bei Vornehm und Gering. Die ſtädtiſche Brauzunft
beſtand aus einer Anzahl Hausbeſitzern, die das aus-
ſchließliche Recht zu brauen als eine Pfründe betrachteten,
es häufig nur verpachteten, jedenfalls wenig von der
Brauerei verſtanden, da ſie nicht, wie andere Real-
berechtigte, gezwungen waren, durch eine techniſche
Bildung ſich das Meiſterrecht zu erwerben. Bei ſinken-
dem Abſatz wurde das Reihebrauen eingeführt, oft mit
einem gemeinſamen Malzhaus und in einem gemein-
ſamen Brauhaus, welche jeder nach der Reihe benutzte,
weil es nicht lohnte, mehrere ſtehende Einrichtungen
derart zu haben.2

1 Engel, ſächſiſches Jahrbuch S. 376.
2 J. G. Hoffmann, Befugniß zum Gewerbetrieb S. 188
bis 197.
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[406/0428] Die Umbildung einzelner Gewerbszweige. einen Theil des Jahres Perſonen beſchäftigt, die ſonſt rein der Landwirthſchaft ſich widmen. Etwas anderes iſt es mit der Brauerei, wenn gleich auch ſie vielfach in den Großbetrieb übergeht. Die Brauerei tritt auch theilweiſe als ländliches Neben- gewerbe auf, aber viel weniger, als die Branntwein- brennerei; ſie flüchtete ſich hauptſächlich zu einer Zeit aufs Land, als die Zunftmißbräuche in den Städten gerade hier, gerade in dieſem Gewerbe den höchſten Grad erreicht hatten. 1 Die alte weitberühmte Brauerei der deutſchen Städte, welche bis in das 17te Jahrhundert ſich erhal- ten hatte, zerfiel im 18ten mehr und mehr. Thee und Kaffee, Wein und Branntwein verdrängten das Bier bei Vornehm und Gering. Die ſtädtiſche Brauzunft beſtand aus einer Anzahl Hausbeſitzern, die das aus- ſchließliche Recht zu brauen als eine Pfründe betrachteten, es häufig nur verpachteten, jedenfalls wenig von der Brauerei verſtanden, da ſie nicht, wie andere Real- berechtigte, gezwungen waren, durch eine techniſche Bildung ſich das Meiſterrecht zu erwerben. Bei ſinken- dem Abſatz wurde das Reihebrauen eingeführt, oft mit einem gemeinſamen Malzhaus und in einem gemein- ſamen Brauhaus, welche jeder nach der Reihe benutzte, weil es nicht lohnte, mehrere ſtehende Einrichtungen derart zu haben. 2 1 Engel, ſächſiſches Jahrbuch S. 376. 2 J. G. Hoffmann, Befugniß zum Gewerbetrieb S. 188 bis 197.

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/428>, abgerufen am 22.11.2024.