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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Ein Rückblick ins 18. Jahrhundert.
lich voraus war. Krug1 legt sich die Frage vor, ob
der Wohlstand der Städte im Ganzen gegen ältere
Zeiten zu- oder abgenommen habe. "Eine Erfahrung,"
antwortet er, "welche man nicht bloß in den preußi-
schen Städten, sondern in den Städten vieler anderer
Staaten gemacht hat und noch immer machen kann,
möchte wohl diese Frage für die Abnahme des Reich-
thums und Wohlstands im Ganzen entscheiden." Er
erinnert an die mittelalterlichen Bauten der Städte, er
klagt -- wohl ziemlich übertrieben --, daß nur die-
jenigen Industriellen, die dem Luxus, den nichtswür-
digen Künsten, Gaukeleien und Spielereien der Vor-
nehmen dienen, noch zunehmen. "Wenn wir" -- sagt
er -- "den Wohlstand des Bürgerstandes oder der
industriösen Klassen in den Städten ohne Rücksicht auf
jetzt herrschende Moden und den Einfluß des Zeitgeistes
auf die Bedürfnisse dieses Standes betrachten, so wird
wohl für wenige Städte der gesunkene Wohlstand des
Handwerksstandes geleugnet und gründlich widerlegt
werden können. Die Klagen über zunehmende Nahrungs-
losigkeit der Landstädte werden in allen Provinzen gehört
und sind in neuerer Zeit immer ausgebreiteter gewor-
den; in den kleinen Landstädten hat der Luxus noch
nicht unter der Mehrheit der Handwerker Platz finden
können, und die alte Simplicität der Sitten und der
Bedürfnisse ist hier noch am mehrsten zu finden. Es
haben viele Ursachen zusammengewirkt, welche den Wohl-

1 Betrachtungen über den National-Reichthum des preuß.
Staates II, 153 ff.

Ein Rückblick ins 18. Jahrhundert.
lich voraus war. Krug1 legt ſich die Frage vor, ob
der Wohlſtand der Städte im Ganzen gegen ältere
Zeiten zu- oder abgenommen habe. „Eine Erfahrung,“
antwortet er, „welche man nicht bloß in den preußi-
ſchen Städten, ſondern in den Städten vieler anderer
Staaten gemacht hat und noch immer machen kann,
möchte wohl dieſe Frage für die Abnahme des Reich-
thums und Wohlſtands im Ganzen entſcheiden.“ Er
erinnert an die mittelalterlichen Bauten der Städte, er
klagt — wohl ziemlich übertrieben —, daß nur die-
jenigen Induſtriellen, die dem Luxus, den nichtswür-
digen Künſten, Gaukeleien und Spielereien der Vor-
nehmen dienen, noch zunehmen. „Wenn wir“ — ſagt
er — „den Wohlſtand des Bürgerſtandes oder der
induſtriöſen Klaſſen in den Städten ohne Rückſicht auf
jetzt herrſchende Moden und den Einfluß des Zeitgeiſtes
auf die Bedürfniſſe dieſes Standes betrachten, ſo wird
wohl für wenige Städte der geſunkene Wohlſtand des
Handwerksſtandes geleugnet und gründlich widerlegt
werden können. Die Klagen über zunehmende Nahrungs-
loſigkeit der Landſtädte werden in allen Provinzen gehört
und ſind in neuerer Zeit immer ausgebreiteter gewor-
den; in den kleinen Landſtädten hat der Luxus noch
nicht unter der Mehrheit der Handwerker Platz finden
können, und die alte Simplicität der Sitten und der
Bedürfniſſe iſt hier noch am mehrſten zu finden. Es
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1 Betrachtungen über den National-Reichthum des preuß.
Staates II, 153 ff.
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[16/0038] Ein Rückblick ins 18. Jahrhundert. lich voraus war. Krug 1 legt ſich die Frage vor, ob der Wohlſtand der Städte im Ganzen gegen ältere Zeiten zu- oder abgenommen habe. „Eine Erfahrung,“ antwortet er, „welche man nicht bloß in den preußi- ſchen Städten, ſondern in den Städten vieler anderer Staaten gemacht hat und noch immer machen kann, möchte wohl dieſe Frage für die Abnahme des Reich- thums und Wohlſtands im Ganzen entſcheiden.“ Er erinnert an die mittelalterlichen Bauten der Städte, er klagt — wohl ziemlich übertrieben —, daß nur die- jenigen Induſtriellen, die dem Luxus, den nichtswür- digen Künſten, Gaukeleien und Spielereien der Vor- nehmen dienen, noch zunehmen. „Wenn wir“ — ſagt er — „den Wohlſtand des Bürgerſtandes oder der induſtriöſen Klaſſen in den Städten ohne Rückſicht auf jetzt herrſchende Moden und den Einfluß des Zeitgeiſtes auf die Bedürfniſſe dieſes Standes betrachten, ſo wird wohl für wenige Städte der geſunkene Wohlſtand des Handwerksſtandes geleugnet und gründlich widerlegt werden können. Die Klagen über zunehmende Nahrungs- loſigkeit der Landſtädte werden in allen Provinzen gehört und ſind in neuerer Zeit immer ausgebreiteter gewor- den; in den kleinen Landſtädten hat der Luxus noch nicht unter der Mehrheit der Handwerker Platz finden können, und die alte Simplicität der Sitten und der Bedürfniſſe iſt hier noch am mehrſten zu finden. Es haben viele Urſachen zuſammengewirkt, welche den Wohl- 1 Betrachtungen über den National-Reichthum des preuß. Staates II, 153 ff.

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/38>, abgerufen am 22.11.2024.