sich damit auflösen; d. h. es muß einerseits eine Anzahl gelernter Gesellen später wieder zu andern Berufen übergehen, es muß andererseits ein verheiratheter Gesellen- stand sich bilden, die ganzen Rangverhältnisse im Hand- werk müssen andere werden.
Oefter wurde es schon erwähnt, wie viele Gesellen heute in eigentliche Fabriken eintreten; das war ihnen auch nach der Verordnung vom 9. Februar 1849 nicht verboten. Selbst für Arbeiten, die nicht einen gelernten Handwerker gerade dieser Art erfordern, nehmen viele Fabrikanten gerne Gesellen; sie sind geschickter, haben mehr gelernt und gesehen, als einfache Fabrikarbeiter.
Aber das reicht nicht aus, den Ueberschuß aufzu- nehmen. In den verschiedensten anderweitigen Berufen finden wir frühere gelernte Handwerksgesellen. Mag es an Zahl verschwinden, daß auf den Brettern, die die Welt bedeuten, so manche Schneider- und andere Ge- sellen eine Zuflucht gefunden, daß der Stiefelputzer der deutschen Universitätsstädte fast ausschließlich ein alter Ge- selle ist, der nicht Meister werden konnte, daß die vielen Diener von Museen, Lesegesellschaften, Vereinen, haupt- sächlich aus verunglückten Meistern und Gesellen bestehen; schon nach Hunderten und Tausenden zählen andere Zufluchtsorte ihre aus dem Handwerkerstand rekrutirten Mitglieder. Höckerei und Schankwirthschaft sind da in erster Linie zu nennen. Die zahllosen Dienstmänner, die in jeder größern Stadt jetzt sich anbieten, habe ich bei vielfacher persönlicher Frage fast immer als gelernte Handwerksgesellen erkannt, denen es mißlungen ist, ein eigenes Geschäft zu begründen, und die doch nicht zeit-
Die Vertheilung der Gewerbetreibenden.
ſich damit auflöſen; d. h. es muß einerſeits eine Anzahl gelernter Geſellen ſpäter wieder zu andern Berufen übergehen, es muß andererſeits ein verheiratheter Geſellen- ſtand ſich bilden, die ganzen Rangverhältniſſe im Hand- werk müſſen andere werden.
Oefter wurde es ſchon erwähnt, wie viele Geſellen heute in eigentliche Fabriken eintreten; das war ihnen auch nach der Verordnung vom 9. Februar 1849 nicht verboten. Selbſt für Arbeiten, die nicht einen gelernten Handwerker gerade dieſer Art erfordern, nehmen viele Fabrikanten gerne Geſellen; ſie ſind geſchickter, haben mehr gelernt und geſehen, als einfache Fabrikarbeiter.
Aber das reicht nicht aus, den Ueberſchuß aufzu- nehmen. In den verſchiedenſten anderweitigen Berufen finden wir frühere gelernte Handwerksgeſellen. Mag es an Zahl verſchwinden, daß auf den Brettern, die die Welt bedeuten, ſo manche Schneider- und andere Ge- ſellen eine Zuflucht gefunden, daß der Stiefelputzer der deutſchen Univerſitätsſtädte faſt ausſchließlich ein alter Ge- ſelle iſt, der nicht Meiſter werden konnte, daß die vielen Diener von Muſeen, Leſegeſellſchaften, Vereinen, haupt- ſächlich aus verunglückten Meiſtern und Geſellen beſtehen; ſchon nach Hunderten und Tauſenden zählen andere Zufluchtsorte ihre aus dem Handwerkerſtand rekrutirten Mitglieder. Höckerei und Schankwirthſchaft ſind da in erſter Linie zu nennen. Die zahlloſen Dienſtmänner, die in jeder größern Stadt jetzt ſich anbieten, habe ich bei vielfacher perſönlicher Frage faſt immer als gelernte Handwerksgeſellen erkannt, denen es mißlungen iſt, ein eigenes Geſchäft zu begründen, und die doch nicht zeit-
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Die Vertheilung der Gewerbetreibenden.
ſich damit auflöſen; d. h. es muß einerſeits eine Anzahl
gelernter Geſellen ſpäter wieder zu andern Berufen
übergehen, es muß andererſeits ein verheiratheter Geſellen-
ſtand ſich bilden, die ganzen Rangverhältniſſe im Hand-
werk müſſen andere werden.
Oefter wurde es ſchon erwähnt, wie viele Geſellen
heute in eigentliche Fabriken eintreten; das war ihnen
auch nach der Verordnung vom 9. Februar 1849 nicht
verboten. Selbſt für Arbeiten, die nicht einen gelernten
Handwerker gerade dieſer Art erfordern, nehmen viele
Fabrikanten gerne Geſellen; ſie ſind geſchickter, haben
mehr gelernt und geſehen, als einfache Fabrikarbeiter.
Aber das reicht nicht aus, den Ueberſchuß aufzu-
nehmen. In den verſchiedenſten anderweitigen Berufen
finden wir frühere gelernte Handwerksgeſellen. Mag es
an Zahl verſchwinden, daß auf den Brettern, die die
Welt bedeuten, ſo manche Schneider- und andere Ge-
ſellen eine Zuflucht gefunden, daß der Stiefelputzer der
deutſchen Univerſitätsſtädte faſt ausſchließlich ein alter Ge-
ſelle iſt, der nicht Meiſter werden konnte, daß die vielen
Diener von Muſeen, Leſegeſellſchaften, Vereinen, haupt-
ſächlich aus verunglückten Meiſtern und Geſellen beſtehen;
ſchon nach Hunderten und Tauſenden zählen andere
Zufluchtsorte ihre aus dem Handwerkerſtand rekrutirten
Mitglieder. Höckerei und Schankwirthſchaft ſind da in
erſter Linie zu nennen. Die zahlloſen Dienſtmänner, die
in jeder größern Stadt jetzt ſich anbieten, habe ich bei
vielfacher perſönlicher Frage faſt immer als gelernte
Handwerksgeſellen erkannt, denen es mißlungen iſt, ein
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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/368>, abgerufen am 24.11.2024.
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