Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Vertheilung der Gewerbetreibenden.
einer andern Vertheilung derselben nach Berufszweigen.
Das setzt sich langsam durch, will erkämpft sein, braucht
Jahre und Jahrzehnte. Die heranwachsenden Gene-
rationen ergreifen selten sogleich und in richtigem Ver-
hältniß die Bahnen, in denen der Ueberschuß später
definitiv Platz findet. Die Bodenvertheilung ändert sich
meist schwer, die Landwirthschaft sendet zunächst ihre
jüngern Söhne den Gewerben zu. Je tiefer ein Ge-
werbe steht, je leichter es zu erlernen ist, je weniger es
Kapital erfordert, desto größer leicht der Zudrang ohne
Rücksicht auf das Bedürfniß.

In den Kreisen, um die es sich da vorzugsweise
handelt, wird der 14 jährige Junge, der aus der Schule
entlassen ist, durchaus nicht immer mit klarer Erkenntniß
für einen der Berufe bestimmt, in denen im Augen-
blicke die größte Nachfrage ist. Das häufige traditionelle
Festhalten am Gewerbe des Vaters ist noch nicht das
schlimmste; Zufall, Rücksicht auf die geringsten Kosten,
auf die größte Bequemlichkeit für die Eltern und ähnliche
Motive wirken theilweise noch schlimmer. Die alther-
gebrachte Uebersetzung einzelner Gewerbe, die heutzutage
meist doppelt sich geltend macht, hängt damit zu-
sammen.

Trifft in dieser Beziehung die Väter der betreffen-
den Kinder oder vielmehr die Unkenntniß dieser Kreise
in derartigen Fragen die Schuld, so wirken von der
andern Seite zeitweise auch die Meister und Arbeitgeber
auf partiellen und zeitweisen zu großen Andrang. Wenn
mit den stark wechselnden Konjunkturen des heutigen
Marktes die Geschäfte zeitweilig wachsen, so suchen sich

Die Vertheilung der Gewerbetreibenden.
einer andern Vertheilung derſelben nach Berufszweigen.
Das ſetzt ſich langſam durch, will erkämpft ſein, braucht
Jahre und Jahrzehnte. Die heranwachſenden Gene-
rationen ergreifen ſelten ſogleich und in richtigem Ver-
hältniß die Bahnen, in denen der Ueberſchuß ſpäter
definitiv Platz findet. Die Bodenvertheilung ändert ſich
meiſt ſchwer, die Landwirthſchaft ſendet zunächſt ihre
jüngern Söhne den Gewerben zu. Je tiefer ein Ge-
werbe ſteht, je leichter es zu erlernen iſt, je weniger es
Kapital erfordert, deſto größer leicht der Zudrang ohne
Rückſicht auf das Bedürfniß.

In den Kreiſen, um die es ſich da vorzugsweiſe
handelt, wird der 14 jährige Junge, der aus der Schule
entlaſſen iſt, durchaus nicht immer mit klarer Erkenntniß
für einen der Berufe beſtimmt, in denen im Augen-
blicke die größte Nachfrage iſt. Das häufige traditionelle
Feſthalten am Gewerbe des Vaters iſt noch nicht das
ſchlimmſte; Zufall, Rückſicht auf die geringſten Koſten,
auf die größte Bequemlichkeit für die Eltern und ähnliche
Motive wirken theilweiſe noch ſchlimmer. Die alther-
gebrachte Ueberſetzung einzelner Gewerbe, die heutzutage
meiſt doppelt ſich geltend macht, hängt damit zu-
ſammen.

Trifft in dieſer Beziehung die Väter der betreffen-
den Kinder oder vielmehr die Unkenntniß dieſer Kreiſe
in derartigen Fragen die Schuld, ſo wirken von der
andern Seite zeitweiſe auch die Meiſter und Arbeitgeber
auf partiellen und zeitweiſen zu großen Andrang. Wenn
mit den ſtark wechſelnden Konjunkturen des heutigen
Marktes die Geſchäfte zeitweilig wachſen, ſo ſuchen ſich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0366" n="344"/><fw place="top" type="header">Die Vertheilung der Gewerbetreibenden.</fw><lb/>
einer andern Vertheilung der&#x017F;elben nach Berufszweigen.<lb/>
Das &#x017F;etzt &#x017F;ich lang&#x017F;am durch, will erkämpft &#x017F;ein, braucht<lb/>
Jahre und Jahrzehnte. Die heranwach&#x017F;enden Gene-<lb/>
rationen ergreifen &#x017F;elten &#x017F;ogleich und in richtigem Ver-<lb/>
hältniß die Bahnen, in denen der Ueber&#x017F;chuß &#x017F;päter<lb/>
definitiv Platz findet. Die Bodenvertheilung ändert &#x017F;ich<lb/>
mei&#x017F;t &#x017F;chwer, die Landwirth&#x017F;chaft &#x017F;endet zunäch&#x017F;t ihre<lb/>
jüngern Söhne den Gewerben zu. Je tiefer ein Ge-<lb/>
werbe &#x017F;teht, je leichter es zu erlernen i&#x017F;t, je weniger es<lb/>
Kapital erfordert, de&#x017F;to größer leicht der Zudrang ohne<lb/>
Rück&#x017F;icht auf das Bedürfniß.</p><lb/>
          <p>In den Krei&#x017F;en, um die es &#x017F;ich da vorzugswei&#x017F;e<lb/>
handelt, wird der 14 jährige Junge, der aus der Schule<lb/>
entla&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t, durchaus nicht immer mit klarer Erkenntniß<lb/>
für einen der Berufe be&#x017F;timmt, in denen im Augen-<lb/>
blicke die größte Nachfrage i&#x017F;t. Das häufige traditionelle<lb/>
Fe&#x017F;thalten am Gewerbe des Vaters i&#x017F;t noch nicht das<lb/>
&#x017F;chlimm&#x017F;te; Zufall, Rück&#x017F;icht auf die gering&#x017F;ten Ko&#x017F;ten,<lb/>
auf die größte Bequemlichkeit für die Eltern und ähnliche<lb/>
Motive wirken theilwei&#x017F;e noch &#x017F;chlimmer. Die alther-<lb/>
gebrachte Ueber&#x017F;etzung einzelner Gewerbe, die heutzutage<lb/>
mei&#x017F;t doppelt &#x017F;ich geltend macht, hängt damit zu-<lb/>
&#x017F;ammen.</p><lb/>
          <p>Trifft in die&#x017F;er Beziehung die Väter der betreffen-<lb/>
den Kinder oder vielmehr die Unkenntniß die&#x017F;er Krei&#x017F;e<lb/>
in derartigen Fragen die Schuld, &#x017F;o wirken von der<lb/>
andern Seite zeitwei&#x017F;e auch die Mei&#x017F;ter und Arbeitgeber<lb/>
auf partiellen und zeitwei&#x017F;en zu großen Andrang. Wenn<lb/>
mit den &#x017F;tark wech&#x017F;elnden Konjunkturen des heutigen<lb/>
Marktes die Ge&#x017F;chäfte zeitweilig wach&#x017F;en, &#x017F;o &#x017F;uchen &#x017F;ich<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[344/0366] Die Vertheilung der Gewerbetreibenden. einer andern Vertheilung derſelben nach Berufszweigen. Das ſetzt ſich langſam durch, will erkämpft ſein, braucht Jahre und Jahrzehnte. Die heranwachſenden Gene- rationen ergreifen ſelten ſogleich und in richtigem Ver- hältniß die Bahnen, in denen der Ueberſchuß ſpäter definitiv Platz findet. Die Bodenvertheilung ändert ſich meiſt ſchwer, die Landwirthſchaft ſendet zunächſt ihre jüngern Söhne den Gewerben zu. Je tiefer ein Ge- werbe ſteht, je leichter es zu erlernen iſt, je weniger es Kapital erfordert, deſto größer leicht der Zudrang ohne Rückſicht auf das Bedürfniß. In den Kreiſen, um die es ſich da vorzugsweiſe handelt, wird der 14 jährige Junge, der aus der Schule entlaſſen iſt, durchaus nicht immer mit klarer Erkenntniß für einen der Berufe beſtimmt, in denen im Augen- blicke die größte Nachfrage iſt. Das häufige traditionelle Feſthalten am Gewerbe des Vaters iſt noch nicht das ſchlimmſte; Zufall, Rückſicht auf die geringſten Koſten, auf die größte Bequemlichkeit für die Eltern und ähnliche Motive wirken theilweiſe noch ſchlimmer. Die alther- gebrachte Ueberſetzung einzelner Gewerbe, die heutzutage meiſt doppelt ſich geltend macht, hängt damit zu- ſammen. Trifft in dieſer Beziehung die Väter der betreffen- den Kinder oder vielmehr die Unkenntniß dieſer Kreiſe in derartigen Fragen die Schuld, ſo wirken von der andern Seite zeitweiſe auch die Meiſter und Arbeitgeber auf partiellen und zeitweiſen zu großen Andrang. Wenn mit den ſtark wechſelnden Konjunkturen des heutigen Marktes die Geſchäfte zeitweilig wachſen, ſo ſuchen ſich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/366
Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/366>, abgerufen am 28.11.2024.