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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Wohnsitze und Grundbesitzvertheilung.
näher. Der Wohlhabende lebt in Süddeutschland ein-
facher, der Aermere besser als in Norddeutschland. Es
wiegt mehr ein mittleres Niveau von Bedürfnissen und
Lebensanschauungen vor. Und die Art der Bedürfnisse;
die Art der Konsumtion bestimmt, ob größere oder
kleinere Geschäfte, ob der Handwerkermeister oder das
Magazin sie befriedigen. Das Land der kleinen Leute,
des vorwiegenden Mittelstandes gibt auch der kleinen
Industrie noch mehr Beschäftigung.

Wo der bäuerliche Mittelstand fehlt, fehlt der
übrige Mittelstand leicht auch. Da sind keine kleinen
Städte und Verkehrsmittelpunkte, da wird heute nur
noch im Großmagazin der Hauptstadt -- oder vom Hau-
sirer gekauft. Und das ist die wesentlichste Ursache,
warum die östlichen preußischen Provinzen auf die gleiche
Bevölkerung nie die gleiche Zahl Handwerker wie in
Süd- und Mitteldeutschland bekommen hätten, auch wenn
die Technik, die Arbeitstheilung dieselbe geblieben wäre,
auch wenn der neue Verkehr nicht Alles geändert hätte.
Das ist die wesentlichste Ursache, warum sie sie jetzt noch
weniger bekommen werden, warum sie, wie wir beim
Regierungsbezirk Posen sahen, seit 1846 einen solchen
Stillstand ihrer Handwerkerzahl zeigen.

Nur mit ein paar statistischen Zahlen will ich diese
Behauptung noch zu illustriren suchen. Die Durchschnitts-
größe der einzelnen Grundbesitzung ist nach Hausner
in der Rheinprovinz, Württemberg, Baden, Nassau,
Hessendarmstadt 3--5,3 Hektaren; in den Königreichen
Sachsen und Baiern, sowie der Provinz Westfalen ist der
durchschnittliche Besitz 6,3--7,4 Hektaren, in Preußisch

Wohnſitze und Grundbeſitzvertheilung.
näher. Der Wohlhabende lebt in Süddeutſchland ein-
facher, der Aermere beſſer als in Norddeutſchland. Es
wiegt mehr ein mittleres Niveau von Bedürfniſſen und
Lebensanſchauungen vor. Und die Art der Bedürfniſſe;
die Art der Konſumtion beſtimmt, ob größere oder
kleinere Geſchäfte, ob der Handwerkermeiſter oder das
Magazin ſie befriedigen. Das Land der kleinen Leute,
des vorwiegenden Mittelſtandes gibt auch der kleinen
Induſtrie noch mehr Beſchäftigung.

Wo der bäuerliche Mittelſtand fehlt, fehlt der
übrige Mittelſtand leicht auch. Da ſind keine kleinen
Städte und Verkehrsmittelpunkte, da wird heute nur
noch im Großmagazin der Hauptſtadt — oder vom Hau-
ſirer gekauft. Und das iſt die weſentlichſte Urſache,
warum die öſtlichen preußiſchen Provinzen auf die gleiche
Bevölkerung nie die gleiche Zahl Handwerker wie in
Süd- und Mitteldeutſchland bekommen hätten, auch wenn
die Technik, die Arbeitstheilung dieſelbe geblieben wäre,
auch wenn der neue Verkehr nicht Alles geändert hätte.
Das iſt die weſentlichſte Urſache, warum ſie ſie jetzt noch
weniger bekommen werden, warum ſie, wie wir beim
Regierungsbezirk Poſen ſahen, ſeit 1846 einen ſolchen
Stillſtand ihrer Handwerkerzahl zeigen.

Nur mit ein paar ſtatiſtiſchen Zahlen will ich dieſe
Behauptung noch zu illuſtriren ſuchen. Die Durchſchnitts-
größe der einzelnen Grundbeſitzung iſt nach Hausner
in der Rheinprovinz, Württemberg, Baden, Naſſau,
Heſſendarmſtadt 3—5,3 Hektaren; in den Königreichen
Sachſen und Baiern, ſowie der Provinz Weſtfalen iſt der
durchſchnittliche Beſitz 6,3—7,4 Hektaren, in Preußiſch

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[317/0339] Wohnſitze und Grundbeſitzvertheilung. näher. Der Wohlhabende lebt in Süddeutſchland ein- facher, der Aermere beſſer als in Norddeutſchland. Es wiegt mehr ein mittleres Niveau von Bedürfniſſen und Lebensanſchauungen vor. Und die Art der Bedürfniſſe; die Art der Konſumtion beſtimmt, ob größere oder kleinere Geſchäfte, ob der Handwerkermeiſter oder das Magazin ſie befriedigen. Das Land der kleinen Leute, des vorwiegenden Mittelſtandes gibt auch der kleinen Induſtrie noch mehr Beſchäftigung. Wo der bäuerliche Mittelſtand fehlt, fehlt der übrige Mittelſtand leicht auch. Da ſind keine kleinen Städte und Verkehrsmittelpunkte, da wird heute nur noch im Großmagazin der Hauptſtadt — oder vom Hau- ſirer gekauft. Und das iſt die weſentlichſte Urſache, warum die öſtlichen preußiſchen Provinzen auf die gleiche Bevölkerung nie die gleiche Zahl Handwerker wie in Süd- und Mitteldeutſchland bekommen hätten, auch wenn die Technik, die Arbeitstheilung dieſelbe geblieben wäre, auch wenn der neue Verkehr nicht Alles geändert hätte. Das iſt die weſentlichſte Urſache, warum ſie ſie jetzt noch weniger bekommen werden, warum ſie, wie wir beim Regierungsbezirk Poſen ſahen, ſeit 1846 einen ſolchen Stillſtand ihrer Handwerkerzahl zeigen. Nur mit ein paar ſtatiſtiſchen Zahlen will ich dieſe Behauptung noch zu illuſtriren ſuchen. Die Durchſchnitts- größe der einzelnen Grundbeſitzung iſt nach Hausner in der Rheinprovinz, Württemberg, Baden, Naſſau, Heſſendarmſtadt 3—5,3 Hektaren; in den Königreichen Sachſen und Baiern, ſowie der Provinz Weſtfalen iſt der durchſchnittliche Beſitz 6,3—7,4 Hektaren, in Preußiſch

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/339>, abgerufen am 22.11.2024.