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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Die Vertheilung der Gewerbetreibenden.
gemein zu behaupten, allgemein es auszusprechen, die
Großindustrie an sich fördere und hebe nothwendig das
Handwerk. Offizielle und halboffizielle Schönfärberei,
von der selbst Viebahn nicht ganz frei ist, 1 haben das
eben so oft zuversichtlich ausgesprochen, als der Optimis-
mus der radikalen Volkswirthe, die den Beruf fühlen,
die Großindustrie und die große Spekulation gegen jeden
Vorwurf zu vertheidigen, alles schön und vollkommen
zu finden, was wirklich oder scheinbar durch freie Kon-
kurrenz entstanden ist. Beide Richtungen haben es
behauptet, aber nicht bewiesen.

Sobald man näher zusieht, wie die Konkurrenz von
Handwerk und Großindustrie ist, so bekommt man eine
klare Anschauung, wo die letztere dem Handwerke
schadet, wo sie es fördert. In den wenigen Branchen,
in welchen die Fabrik dieselben Waaren liefert wie
der Handwerker, vornehmlich, wo sie selbst die lokalen
Bedürfnisse befriedigt, da drückt sie auf das Handwerk,
verdrängt es. Der überwiegende Theil aber der größern
Unternehmungen liefert nicht Waaren für lokalen Bedarf,
sondern für ganze Länder. Dadurch entsteht auch ein
Druck auf das Handwerk, aber es ist ein Druck,
der sich dann auch über ganze Länder verbreitet, der in
dieser Vergleichung nach Provinzen gar nicht ersichtlich
sein kann. Die Förderung, welche die Großindustrie
dem Handwerk geben kann, ist nur indirekt, wenn wir
von einigen Reparatur- und Hülfsgewerben absehen.

1 Statistik des Zollvereins III, 744.

Die Vertheilung der Gewerbetreibenden.
gemein zu behaupten, allgemein es auszuſprechen, die
Großinduſtrie an ſich fördere und hebe nothwendig das
Handwerk. Offizielle und halboffizielle Schönfärberei,
von der ſelbſt Viebahn nicht ganz frei iſt, 1 haben das
eben ſo oft zuverſichtlich ausgeſprochen, als der Optimis-
mus der radikalen Volkswirthe, die den Beruf fühlen,
die Großinduſtrie und die große Spekulation gegen jeden
Vorwurf zu vertheidigen, alles ſchön und vollkommen
zu finden, was wirklich oder ſcheinbar durch freie Kon-
kurrenz entſtanden iſt. Beide Richtungen haben es
behauptet, aber nicht bewieſen.

Sobald man näher zuſieht, wie die Konkurrenz von
Handwerk und Großinduſtrie iſt, ſo bekommt man eine
klare Anſchauung, wo die letztere dem Handwerke
ſchadet, wo ſie es fördert. In den wenigen Branchen,
in welchen die Fabrik dieſelben Waaren liefert wie
der Handwerker, vornehmlich, wo ſie ſelbſt die lokalen
Bedürfniſſe befriedigt, da drückt ſie auf das Handwerk,
verdrängt es. Der überwiegende Theil aber der größern
Unternehmungen liefert nicht Waaren für lokalen Bedarf,
ſondern für ganze Länder. Dadurch entſteht auch ein
Druck auf das Handwerk, aber es iſt ein Druck,
der ſich dann auch über ganze Länder verbreitet, der in
dieſer Vergleichung nach Provinzen gar nicht erſichtlich
ſein kann. Die Förderung, welche die Großinduſtrie
dem Handwerk geben kann, iſt nur indirekt, wenn wir
von einigen Reparatur- und Hülfsgewerben abſehen.

1 Statiſtik des Zollvereins III, 744.
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[312/0334] Die Vertheilung der Gewerbetreibenden. gemein zu behaupten, allgemein es auszuſprechen, die Großinduſtrie an ſich fördere und hebe nothwendig das Handwerk. Offizielle und halboffizielle Schönfärberei, von der ſelbſt Viebahn nicht ganz frei iſt, 1 haben das eben ſo oft zuverſichtlich ausgeſprochen, als der Optimis- mus der radikalen Volkswirthe, die den Beruf fühlen, die Großinduſtrie und die große Spekulation gegen jeden Vorwurf zu vertheidigen, alles ſchön und vollkommen zu finden, was wirklich oder ſcheinbar durch freie Kon- kurrenz entſtanden iſt. Beide Richtungen haben es behauptet, aber nicht bewieſen. Sobald man näher zuſieht, wie die Konkurrenz von Handwerk und Großinduſtrie iſt, ſo bekommt man eine klare Anſchauung, wo die letztere dem Handwerke ſchadet, wo ſie es fördert. In den wenigen Branchen, in welchen die Fabrik dieſelben Waaren liefert wie der Handwerker, vornehmlich, wo ſie ſelbſt die lokalen Bedürfniſſe befriedigt, da drückt ſie auf das Handwerk, verdrängt es. Der überwiegende Theil aber der größern Unternehmungen liefert nicht Waaren für lokalen Bedarf, ſondern für ganze Länder. Dadurch entſteht auch ein Druck auf das Handwerk, aber es iſt ein Druck, der ſich dann auch über ganze Länder verbreitet, der in dieſer Vergleichung nach Provinzen gar nicht erſichtlich ſein kann. Die Förderung, welche die Großinduſtrie dem Handwerk geben kann, iſt nur indirekt, wenn wir von einigen Reparatur- und Hülfsgewerben abſehen. 1 Statiſtik des Zollvereins III, 744.

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/334>, abgerufen am 22.11.2024.