und französischem Humbug noch weit entfernt, so sind diese Dinge bei uns doch auch schon so entwickelt wie irgend wünschenswerth. Der gewandte Rechtsanwalt und Handelsrichter weiß davon zu erzählen. Wie manchmal ist der Fall schon durch ärgerliche Prozesse, die unter den Helfershelfern ausbrechen, ans Licht gekom- men, daß der spottbillige Verkauf guter Kleider in diesem und jenem Magazin darauf beruhte, daß der Inhaber für 2000 Thaler einen Tuchvorrath kaufte und baar bezahlte, der 4000--5000 Thaler werth war. Der Verkäufer des Vorraths steht vor dem Bankerott und will noch etwas auf die Seite schaffen. Er verkauft, betrügt seine Gläubiger; Käufer und Verkäufer verpflichten sich zu schweigen; in den Büchern wird die Sache irgend- wie vertuscht, und Niemand erfährt etwas, wenn die saubern Geschäftsfreunde nicht Händel bekommen. Andere Magazine helfen sich wenigstens dadurch, daß sie keine andern Waaren als Konkurswaaren kaufen. Und in bewegter Spekulationszeit machen sicher immer so viele Magazine Bankerott, daß aus ihren Zwangsauktionen billig zu kaufen ist.
Ich will nicht behaupten, daß auch nur die Hälfte, auch nur ein Drittheil unserer deutschen Magazine an solchen Unlauterkeiten theilnehmen; aber immer wäre das Bild des Magazinsystems einseitig, wenn man diese Auswüchse nicht erwähnte. Sie sind um so mehr zu erwähnen, als Polizei und öffentliche Meinung bei uns weniger als in entwickeltern Ländern diese Dinge ver- pönen, verfolgen, überhaupt kennen; um so mehr zu betonen, als doch trotz aller dieser möglichen Uebelstände
Die Schattenſeiten der Magazine.
und franzöſiſchem Humbug noch weit entfernt, ſo ſind dieſe Dinge bei uns doch auch ſchon ſo entwickelt wie irgend wünſchenswerth. Der gewandte Rechtsanwalt und Handelsrichter weiß davon zu erzählen. Wie manchmal iſt der Fall ſchon durch ärgerliche Prozeſſe, die unter den Helfershelfern ausbrechen, ans Licht gekom- men, daß der ſpottbillige Verkauf guter Kleider in dieſem und jenem Magazin darauf beruhte, daß der Inhaber für 2000 Thaler einen Tuchvorrath kaufte und baar bezahlte, der 4000—5000 Thaler werth war. Der Verkäufer des Vorraths ſteht vor dem Bankerott und will noch etwas auf die Seite ſchaffen. Er verkauft, betrügt ſeine Gläubiger; Käufer und Verkäufer verpflichten ſich zu ſchweigen; in den Büchern wird die Sache irgend- wie vertuſcht, und Niemand erfährt etwas, wenn die ſaubern Geſchäftsfreunde nicht Händel bekommen. Andere Magazine helfen ſich wenigſtens dadurch, daß ſie keine andern Waaren als Konkurswaaren kaufen. Und in bewegter Spekulationszeit machen ſicher immer ſo viele Magazine Bankerott, daß aus ihren Zwangsauktionen billig zu kaufen iſt.
Ich will nicht behaupten, daß auch nur die Hälfte, auch nur ein Drittheil unſerer deutſchen Magazine an ſolchen Unlauterkeiten theilnehmen; aber immer wäre das Bild des Magazinſyſtems einſeitig, wenn man dieſe Auswüchſe nicht erwähnte. Sie ſind um ſo mehr zu erwähnen, als Polizei und öffentliche Meinung bei uns weniger als in entwickeltern Ländern dieſe Dinge ver- pönen, verfolgen, überhaupt kennen; um ſo mehr zu betonen, als doch trotz aller dieſer möglichen Uebelſtände
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Die Schattenſeiten der Magazine.
und franzöſiſchem Humbug noch weit entfernt, ſo ſind
dieſe Dinge bei uns doch auch ſchon ſo entwickelt wie
irgend wünſchenswerth. Der gewandte Rechtsanwalt
und Handelsrichter weiß davon zu erzählen. Wie
manchmal iſt der Fall ſchon durch ärgerliche Prozeſſe,
die unter den Helfershelfern ausbrechen, ans Licht gekom-
men, daß der ſpottbillige Verkauf guter Kleider in dieſem
und jenem Magazin darauf beruhte, daß der Inhaber
für 2000 Thaler einen Tuchvorrath kaufte und baar
bezahlte, der 4000—5000 Thaler werth war. Der
Verkäufer des Vorraths ſteht vor dem Bankerott und
will noch etwas auf die Seite ſchaffen. Er verkauft,
betrügt ſeine Gläubiger; Käufer und Verkäufer verpflichten
ſich zu ſchweigen; in den Büchern wird die Sache irgend-
wie vertuſcht, und Niemand erfährt etwas, wenn die
ſaubern Geſchäftsfreunde nicht Händel bekommen. Andere
Magazine helfen ſich wenigſtens dadurch, daß ſie keine
andern Waaren als Konkurswaaren kaufen. Und in
bewegter Spekulationszeit machen ſicher immer ſo viele
Magazine Bankerott, daß aus ihren Zwangsauktionen
billig zu kaufen iſt.
Ich will nicht behaupten, daß auch nur die Hälfte,
auch nur ein Drittheil unſerer deutſchen Magazine an
ſolchen Unlauterkeiten theilnehmen; aber immer wäre
das Bild des Magazinſyſtems einſeitig, wenn man dieſe
Auswüchſe nicht erwähnte. Sie ſind um ſo mehr zu
erwähnen, als Polizei und öffentliche Meinung bei uns
weniger als in entwickeltern Ländern dieſe Dinge ver-
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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/253>, abgerufen am 23.11.2024.
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