Kabinetsordre vom 21. August 1830, die Majorität des posenschen Landtags sei mit den Staats- und Provinzial- behörden darin einverstanden gewesen, daß die große Zahl der Jahrmärkte in dortiger Provinz auf die Sittlichkeit der Einwohner ebenso nachtheilig wirke als auf das Auf- kommen des dortigen Verkehrs, und es sollen daher in keiner Stadt jährlich mehr als vier Märkte gehalten werden.
In Sachsen hat das Gewerbegesetz vom 15. Oktober 1861 die Tendenz, die Jahrmärkte zu beschränken. Es sollen von 1872 an in keinem Orte unter 10000 Ein- wohnern mehr als zwei, in keinem größern mehr als drei Jahrmärkte jährlich gehalten werden. "Man scheint aber" -- sagt die Zeitschrift des stat. Bureaus 1 -- "in den meisten Fällen diese Zeit bis 1872 für den Fortbe- stand der alten Einrichtung voll ausnutzen zu wollen. Wenigstens ist bis jetzt, nachdem die Hälfte jener Frist verstrichen ist, erst an sehr wenigen Orten eine Reduktion eingetreten und besteht noch an sehr vielen Orten eine über das vom 1. Januar 1872 ab zulässige Maß hinausgehende Zahl von Jahrmärkten."
Da überall die Interessen der Wirthe, der Schau- und Vergnügungslustigen, Nebeninteressen noch schlim- merer Art mit dem allgemeinen lokalen Interesse zu- sammenfallen, die Märkte zu erhalten, so ist klar, daß zunächst mehr ihre Bedeutung als ihre Zahl abnehmen muß. Immer aber zeigt eine nähere Betrachtung selbst
1 Jahrgang 1866. S. 165.
Die Verwaltungspraxis über Jahrmärkte.
Kabinetsordre vom 21. Auguſt 1830, die Majorität des poſenſchen Landtags ſei mit den Staats- und Provinzial- behörden darin einverſtanden geweſen, daß die große Zahl der Jahrmärkte in dortiger Provinz auf die Sittlichkeit der Einwohner ebenſo nachtheilig wirke als auf das Auf- kommen des dortigen Verkehrs, und es ſollen daher in keiner Stadt jährlich mehr als vier Märkte gehalten werden.
In Sachſen hat das Gewerbegeſetz vom 15. Oktober 1861 die Tendenz, die Jahrmärkte zu beſchränken. Es ſollen von 1872 an in keinem Orte unter 10000 Ein- wohnern mehr als zwei, in keinem größern mehr als drei Jahrmärkte jährlich gehalten werden. „Man ſcheint aber“ — ſagt die Zeitſchrift des ſtat. Bureaus 1 — „in den meiſten Fällen dieſe Zeit bis 1872 für den Fortbe- ſtand der alten Einrichtung voll ausnutzen zu wollen. Wenigſtens iſt bis jetzt, nachdem die Hälfte jener Friſt verſtrichen iſt, erſt an ſehr wenigen Orten eine Reduktion eingetreten und beſteht noch an ſehr vielen Orten eine über das vom 1. Januar 1872 ab zuläſſige Maß hinausgehende Zahl von Jahrmärkten.“
Da überall die Intereſſen der Wirthe, der Schau- und Vergnügungsluſtigen, Nebenintereſſen noch ſchlim- merer Art mit dem allgemeinen lokalen Intereſſe zu- ſammenfallen, die Märkte zu erhalten, ſo iſt klar, daß zunächſt mehr ihre Bedeutung als ihre Zahl abnehmen muß. Immer aber zeigt eine nähere Betrachtung ſelbſt
1 Jahrgang 1866. S. 165.
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Die Verwaltungspraxis über Jahrmärkte.
Kabinetsordre vom 21. Auguſt 1830, die Majorität des
poſenſchen Landtags ſei mit den Staats- und Provinzial-
behörden darin einverſtanden geweſen, daß die große Zahl
der Jahrmärkte in dortiger Provinz auf die Sittlichkeit
der Einwohner ebenſo nachtheilig wirke als auf das Auf-
kommen des dortigen Verkehrs, und es ſollen daher in
keiner Stadt jährlich mehr als vier Märkte gehalten
werden.
In Sachſen hat das Gewerbegeſetz vom 15. Oktober
1861 die Tendenz, die Jahrmärkte zu beſchränken. Es
ſollen von 1872 an in keinem Orte unter 10000 Ein-
wohnern mehr als zwei, in keinem größern mehr als
drei Jahrmärkte jährlich gehalten werden. „Man ſcheint
aber“ — ſagt die Zeitſchrift des ſtat. Bureaus 1 — „in
den meiſten Fällen dieſe Zeit bis 1872 für den Fortbe-
ſtand der alten Einrichtung voll ausnutzen zu wollen.
Wenigſtens iſt bis jetzt, nachdem die Hälfte jener Friſt
verſtrichen iſt, erſt an ſehr wenigen Orten eine Reduktion
eingetreten und beſteht noch an ſehr vielen Orten eine
über das vom 1. Januar 1872 ab zuläſſige Maß
hinausgehende Zahl von Jahrmärkten.“
Da überall die Intereſſen der Wirthe, der Schau-
und Vergnügungsluſtigen, Nebenintereſſen noch ſchlim-
merer Art mit dem allgemeinen lokalen Intereſſe zu-
ſammenfallen, die Märkte zu erhalten, ſo iſt klar, daß
zunächſt mehr ihre Bedeutung als ihre Zahl abnehmen
muß. Immer aber zeigt eine nähere Betrachtung ſelbſt
1 Jahrgang 1866. S. 165.
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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/245>, abgerufen am 24.11.2024.
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