Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Umgestaltung von Produktion und Verkehr.
Bauern und Gutsbesitzer der ländlichen Distrikte, die
Hauptbesucher des Marktes, richteten ihre Einkäufe an
Kleidern und Stoffen, Haus- und Wirthschaftsgeräth,
an Spielwaaren für die Kinder ohnedieß gerne auf
bestimmte Tage und Zeiten, auf die, in welchen sie
selbst verkauft hatten. Die traditionell sich anschließenden
Volksfeste, die Schaustellungen und Thierbuden, die
englischen Reiter und die Seiltänzer lockten Menschen
und Käufer von fern und nahe an. So waren die
Messen und Märkte, ehe die Zeit der Eisenbahnen kam,
ein wichtiges Glied unsers Verkehrslebens, wichtig nicht
nur für die kleinen und großen Händler, für den Absatz
von Fabrikwaaren, sondern vor Allem auch für einen
großen Theil der Handwerksindustrie.

Besonders einzelne Gewerbetreibende, wie die Leb-
küchler, die kleinen Weber, vor allen die Schuhmacher,
dann auch die Verfertiger mancher Metallwaaren, die
Gürtler, Instrumentenmacher, Messerschmiede lebten zu
einem großen Theile vom Jahrmarktsbesuch. J. G. Hoff-
mann 1 meint 1839, die höhere Zahl der Schuhmacher
gegenüber den Schneidern gehe wesentlich auf den viel-
fach üblichen Jahrmarktsbesuch der Schuster, der so viel
Zeit koste, zurück. Freilich fügt er schon damals hinzu:
"die Schuhmacher beziehen die Jahrmärkte in dem Maße
mehr, worin ihr Gewerbebetrieb armseliger wird."

Das ist jedenfalls heute noch mehr der Fall als
damals. Manche zwar brauchen die Märkte und Messen
zugleich als Berührungspunkte mit Abnehmern und Liefe-

1 Die Bevölkerung des preußischen Staates S. 120.

Die Umgeſtaltung von Produktion und Verkehr.
Bauern und Gutsbeſitzer der ländlichen Diſtrikte, die
Hauptbeſucher des Marktes, richteten ihre Einkäufe an
Kleidern und Stoffen, Haus- und Wirthſchaftsgeräth,
an Spielwaaren für die Kinder ohnedieß gerne auf
beſtimmte Tage und Zeiten, auf die, in welchen ſie
ſelbſt verkauft hatten. Die traditionell ſich anſchließenden
Volksfeſte, die Schauſtellungen und Thierbuden, die
engliſchen Reiter und die Seiltänzer lockten Menſchen
und Käufer von fern und nahe an. So waren die
Meſſen und Märkte, ehe die Zeit der Eiſenbahnen kam,
ein wichtiges Glied unſers Verkehrslebens, wichtig nicht
nur für die kleinen und großen Händler, für den Abſatz
von Fabrikwaaren, ſondern vor Allem auch für einen
großen Theil der Handwerksinduſtrie.

Beſonders einzelne Gewerbetreibende, wie die Leb-
küchler, die kleinen Weber, vor allen die Schuhmacher,
dann auch die Verfertiger mancher Metallwaaren, die
Gürtler, Inſtrumentenmacher, Meſſerſchmiede lebten zu
einem großen Theile vom Jahrmarktsbeſuch. J. G. Hoff-
mann 1 meint 1839, die höhere Zahl der Schuhmacher
gegenüber den Schneidern gehe weſentlich auf den viel-
fach üblichen Jahrmarktsbeſuch der Schuſter, der ſo viel
Zeit koſte, zurück. Freilich fügt er ſchon damals hinzu:
„die Schuhmacher beziehen die Jahrmärkte in dem Maße
mehr, worin ihr Gewerbebetrieb armſeliger wird.“

Das iſt jedenfalls heute noch mehr der Fall als
damals. Manche zwar brauchen die Märkte und Meſſen
zugleich als Berührungspunkte mit Abnehmern und Liefe-

1 Die Bevölkerung des preußiſchen Staates S. 120.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0240" n="218"/><fw place="top" type="header">Die Umge&#x017F;taltung von Produktion und Verkehr.</fw><lb/>
Bauern und Gutsbe&#x017F;itzer der ländlichen Di&#x017F;trikte, die<lb/>
Hauptbe&#x017F;ucher des Marktes, richteten ihre Einkäufe an<lb/>
Kleidern und Stoffen, Haus- und Wirth&#x017F;chaftsgeräth,<lb/>
an Spielwaaren für die Kinder ohnedieß gerne auf<lb/>
be&#x017F;timmte Tage und Zeiten, auf die, in welchen &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t verkauft hatten. Die traditionell &#x017F;ich an&#x017F;chließenden<lb/>
Volksfe&#x017F;te, die Schau&#x017F;tellungen und Thierbuden, die<lb/>
engli&#x017F;chen Reiter und die Seiltänzer lockten Men&#x017F;chen<lb/>
und Käufer von fern und nahe an. So waren die<lb/>
Me&#x017F;&#x017F;en und Märkte, ehe die Zeit der Ei&#x017F;enbahnen kam,<lb/>
ein wichtiges Glied un&#x017F;ers Verkehrslebens, wichtig nicht<lb/>
nur für die kleinen und großen Händler, für den Ab&#x017F;atz<lb/>
von Fabrikwaaren, &#x017F;ondern vor Allem auch für einen<lb/>
großen Theil der Handwerksindu&#x017F;trie.</p><lb/>
          <p>Be&#x017F;onders einzelne Gewerbetreibende, wie die Leb-<lb/>
küchler, die kleinen Weber, vor allen die Schuhmacher,<lb/>
dann auch die Verfertiger mancher Metallwaaren, die<lb/>
Gürtler, In&#x017F;trumentenmacher, Me&#x017F;&#x017F;er&#x017F;chmiede lebten zu<lb/>
einem großen Theile vom Jahrmarktsbe&#x017F;uch. J. G. Hoff-<lb/>
mann <note place="foot" n="1">Die Bevölkerung des preußi&#x017F;chen Staates S. 120.</note> meint 1839, die höhere Zahl der Schuhmacher<lb/>
gegenüber den Schneidern gehe we&#x017F;entlich auf den viel-<lb/>
fach üblichen Jahrmarktsbe&#x017F;uch der Schu&#x017F;ter, der &#x017F;o viel<lb/>
Zeit ko&#x017F;te, zurück. Freilich fügt er &#x017F;chon damals hinzu:<lb/>
&#x201E;die Schuhmacher beziehen die Jahrmärkte in dem Maße<lb/>
mehr, worin ihr Gewerbebetrieb arm&#x017F;eliger wird.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Das i&#x017F;t jedenfalls heute noch mehr der Fall als<lb/>
damals. Manche zwar brauchen die Märkte und Me&#x017F;&#x017F;en<lb/>
zugleich als Berührungspunkte mit Abnehmern und Liefe-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[218/0240] Die Umgeſtaltung von Produktion und Verkehr. Bauern und Gutsbeſitzer der ländlichen Diſtrikte, die Hauptbeſucher des Marktes, richteten ihre Einkäufe an Kleidern und Stoffen, Haus- und Wirthſchaftsgeräth, an Spielwaaren für die Kinder ohnedieß gerne auf beſtimmte Tage und Zeiten, auf die, in welchen ſie ſelbſt verkauft hatten. Die traditionell ſich anſchließenden Volksfeſte, die Schauſtellungen und Thierbuden, die engliſchen Reiter und die Seiltänzer lockten Menſchen und Käufer von fern und nahe an. So waren die Meſſen und Märkte, ehe die Zeit der Eiſenbahnen kam, ein wichtiges Glied unſers Verkehrslebens, wichtig nicht nur für die kleinen und großen Händler, für den Abſatz von Fabrikwaaren, ſondern vor Allem auch für einen großen Theil der Handwerksinduſtrie. Beſonders einzelne Gewerbetreibende, wie die Leb- küchler, die kleinen Weber, vor allen die Schuhmacher, dann auch die Verfertiger mancher Metallwaaren, die Gürtler, Inſtrumentenmacher, Meſſerſchmiede lebten zu einem großen Theile vom Jahrmarktsbeſuch. J. G. Hoff- mann 1 meint 1839, die höhere Zahl der Schuhmacher gegenüber den Schneidern gehe weſentlich auf den viel- fach üblichen Jahrmarktsbeſuch der Schuſter, der ſo viel Zeit koſte, zurück. Freilich fügt er ſchon damals hinzu: „die Schuhmacher beziehen die Jahrmärkte in dem Maße mehr, worin ihr Gewerbebetrieb armſeliger wird.“ Das iſt jedenfalls heute noch mehr der Fall als damals. Manche zwar brauchen die Märkte und Meſſen zugleich als Berührungspunkte mit Abnehmern und Liefe- 1 Die Bevölkerung des preußiſchen Staates S. 120.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/240
Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/240>, abgerufen am 27.11.2024.