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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Die Umgestaltung von Produktion und Verkehr.
die eigentlich gewerbliche Thätigkeit des Handwerkers
meist wurde, desto mehr trat das Ladengeschäft in den
Vordergrund; man fing an, neben den eigenen fremde
Produkte, zusammen passende und nicht zusammen passende
Artikel zu führen, wenn man nur Etwas wenigstens
verdiente. Der Buchbinder handelt mit Dinte, Federn
und Papier, der Klempner mit Petroleum, der Friseur
und der Bürstenbinder mit Oelen, Seifen, Parfümerien,
alle versuchen es mit Zigarren. Ein solcher Detailhandel
war mit einzelnen Gewerben längst verbunden. Gesetz-
gebung und Theorie hatten sich schon im vorigen Jahr-
hundert viel damit beschäftigt. Bergius meint, 1 das
Handwerk verliere jetzt dadurch so viel, daß der Meister
im Laden stehe, daß ihm die Krämerei immer wichtiger
werde; die Arbeit geschehe durch nicht beaufsichtigte Ge-
sellen und Lehrlinge; Krämerei und Handwerk sei nicht
verträglich.

Es liegt in diesem Vorwurf sicher ein Keim von
Wahrheit; der Handwerker mochte häufig so viel an
technischer Geschicklichkeit verlieren, als er an kaufmän-
nischer Gewandtheit und Spekulationssinn gewann. Aber
gleichviel, war der Detailverkauf Bedürfniß, gewann
man dabei, so nahm er zu. Mochte der alte Zunft-
meister bedenklich den Kopf dazu schütteln, mochten ein-
zelne reaktionäre Gesetze, wie das hannöversche 2 vom
15. Juni 1848, nochmals den Versuch machen, dem

1 Bergius, Polizeimagazin (neue Auflage 1786) IV, 392-
93; vergl. auch Möser, Patriot. Phant. I, 21 ff. II, 303.
2 Bening, zur Gewerbeordnung. Hannover 1857. S. 44.

Die Umgeſtaltung von Produktion und Verkehr.
die eigentlich gewerbliche Thätigkeit des Handwerkers
meiſt wurde, deſto mehr trat das Ladengeſchäft in den
Vordergrund; man fing an, neben den eigenen fremde
Produkte, zuſammen paſſende und nicht zuſammen paſſende
Artikel zu führen, wenn man nur Etwas wenigſtens
verdiente. Der Buchbinder handelt mit Dinte, Federn
und Papier, der Klempner mit Petroleum, der Friſeur
und der Bürſtenbinder mit Oelen, Seifen, Parfümerien,
alle verſuchen es mit Zigarren. Ein ſolcher Detailhandel
war mit einzelnen Gewerben längſt verbunden. Geſetz-
gebung und Theorie hatten ſich ſchon im vorigen Jahr-
hundert viel damit beſchäftigt. Bergius meint, 1 das
Handwerk verliere jetzt dadurch ſo viel, daß der Meiſter
im Laden ſtehe, daß ihm die Krämerei immer wichtiger
werde; die Arbeit geſchehe durch nicht beaufſichtigte Ge-
ſellen und Lehrlinge; Krämerei und Handwerk ſei nicht
verträglich.

Es liegt in dieſem Vorwurf ſicher ein Keim von
Wahrheit; der Handwerker mochte häufig ſo viel an
techniſcher Geſchicklichkeit verlieren, als er an kaufmän-
niſcher Gewandtheit und Spekulationsſinn gewann. Aber
gleichviel, war der Detailverkauf Bedürfniß, gewann
man dabei, ſo nahm er zu. Mochte der alte Zunft-
meiſter bedenklich den Kopf dazu ſchütteln, mochten ein-
zelne reaktionäre Geſetze, wie das hannöverſche 2 vom
15. Juni 1848, nochmals den Verſuch machen, dem

1 Bergius, Polizeimagazin (neue Auflage 1786) IV, 392-
93; vergl. auch Möſer, Patriot. Phant. I, 21 ff. II, 303.
2 Bening, zur Gewerbeordnung. Hannover 1857. S. 44.
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[212/0234] Die Umgeſtaltung von Produktion und Verkehr. die eigentlich gewerbliche Thätigkeit des Handwerkers meiſt wurde, deſto mehr trat das Ladengeſchäft in den Vordergrund; man fing an, neben den eigenen fremde Produkte, zuſammen paſſende und nicht zuſammen paſſende Artikel zu führen, wenn man nur Etwas wenigſtens verdiente. Der Buchbinder handelt mit Dinte, Federn und Papier, der Klempner mit Petroleum, der Friſeur und der Bürſtenbinder mit Oelen, Seifen, Parfümerien, alle verſuchen es mit Zigarren. Ein ſolcher Detailhandel war mit einzelnen Gewerben längſt verbunden. Geſetz- gebung und Theorie hatten ſich ſchon im vorigen Jahr- hundert viel damit beſchäftigt. Bergius meint, 1 das Handwerk verliere jetzt dadurch ſo viel, daß der Meiſter im Laden ſtehe, daß ihm die Krämerei immer wichtiger werde; die Arbeit geſchehe durch nicht beaufſichtigte Ge- ſellen und Lehrlinge; Krämerei und Handwerk ſei nicht verträglich. Es liegt in dieſem Vorwurf ſicher ein Keim von Wahrheit; der Handwerker mochte häufig ſo viel an techniſcher Geſchicklichkeit verlieren, als er an kaufmän- niſcher Gewandtheit und Spekulationsſinn gewann. Aber gleichviel, war der Detailverkauf Bedürfniß, gewann man dabei, ſo nahm er zu. Mochte der alte Zunft- meiſter bedenklich den Kopf dazu ſchütteln, mochten ein- zelne reaktionäre Geſetze, wie das hannöverſche 2 vom 15. Juni 1848, nochmals den Verſuch machen, dem 1 Bergius, Polizeimagazin (neue Auflage 1786) IV, 392- 93; vergl. auch Möſer, Patriot. Phant. I, 21 ff. II, 303. 2 Bening, zur Gewerbeordnung. Hannover 1857. S. 44.

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/234>, abgerufen am 23.11.2024.