Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

Bild:
<< vorherige Seite

Der moderne Handwerksbetrieb.
Art des Betriebs vom alten Handwerk und zwar zu
ihrem Vortheil sich unterscheiden. Viele waren ursprüng-
lich tüchtige Gesellen, oft einfache Arbeiter, manche sind
ursprünglich Kaufleute, -- alle nennen sich aber jetzt
mit Vorliebe Fabrikanten, auch wenn sie nur einen
einzigen oder zwei Arbeiter beschäftigen. Ihre andere
soziale Stellung beruht wesentlich mit auf ihren Kennt-
nissen und ihren Verbindungen. Es sind Leute, die auf
Fortbildungs-, auf Gewerbe- und polytechnischen Schulen
etwas gelernt haben, Leute, die auf Reisen, auf Jahr-
markts- und Meßbesuchen sich Bezugsquellen und Absatz
verschafft haben. Diese persönlichen und geschäftlichen
Verbindungen sind in den großen Städten leichter zu
erwerben, sie sind es oft am meisten, was dem unge-
wandten kleinen Manne in abgelegenern Orten fehlt.

Immer gehört zu dieser Art von Geschäften einiges
Kapital, zu einzelnen schon ein bedeutendes. Vielfach
aber sind es Geschäfte, die in sehr verschiedener Aus-
dehnung betrieben werden können. Technische Geschicklich-
keit und Marktkenntniß sind meist wichtiger als ein großes
Kapital. So wenig ich leugnen will, daß das große
Kapital in manchen Beziehungen durch die Gewalt seiner
Ueberlegenheit heute unberechtigte Gewinne macht, eine
zu ungleiche Vermögensvertheilung noch ungleicher macht,
so darf man auf der andern Seite da, wo gerade nicht
sowohl das Kapital als persönliche Eigenschaften den
Ausschlag geben, das nicht verschweigen. Unfähigkeit,
sich in Neues zu finden, Unfähigkeit, sich einer ganz
regelmäßigen Thätigkeit zu unterwerfen, Unfähigkeit zu
sparen, wenn der Erwerb einmal flotter geht, niedrige

Der moderne Handwerksbetrieb.
Art des Betriebs vom alten Handwerk und zwar zu
ihrem Vortheil ſich unterſcheiden. Viele waren urſprüng-
lich tüchtige Geſellen, oft einfache Arbeiter, manche ſind
urſprünglich Kaufleute, — alle nennen ſich aber jetzt
mit Vorliebe Fabrikanten, auch wenn ſie nur einen
einzigen oder zwei Arbeiter beſchäftigen. Ihre andere
ſoziale Stellung beruht weſentlich mit auf ihren Kennt-
niſſen und ihren Verbindungen. Es ſind Leute, die auf
Fortbildungs-, auf Gewerbe- und polytechniſchen Schulen
etwas gelernt haben, Leute, die auf Reiſen, auf Jahr-
markts- und Meßbeſuchen ſich Bezugsquellen und Abſatz
verſchafft haben. Dieſe perſönlichen und geſchäftlichen
Verbindungen ſind in den großen Städten leichter zu
erwerben, ſie ſind es oft am meiſten, was dem unge-
wandten kleinen Manne in abgelegenern Orten fehlt.

Immer gehört zu dieſer Art von Geſchäften einiges
Kapital, zu einzelnen ſchon ein bedeutendes. Vielfach
aber ſind es Geſchäfte, die in ſehr verſchiedener Aus-
dehnung betrieben werden können. Techniſche Geſchicklich-
keit und Marktkenntniß ſind meiſt wichtiger als ein großes
Kapital. So wenig ich leugnen will, daß das große
Kapital in manchen Beziehungen durch die Gewalt ſeiner
Ueberlegenheit heute unberechtigte Gewinne macht, eine
zu ungleiche Vermögensvertheilung noch ungleicher macht,
ſo darf man auf der andern Seite da, wo gerade nicht
ſowohl das Kapital als perſönliche Eigenſchaften den
Ausſchlag geben, das nicht verſchweigen. Unfähigkeit,
ſich in Neues zu finden, Unfähigkeit, ſich einer ganz
regelmäßigen Thätigkeit zu unterwerfen, Unfähigkeit zu
ſparen, wenn der Erwerb einmal flotter geht, niedrige

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0221" n="199"/><fw place="top" type="header">Der moderne Handwerksbetrieb.</fw><lb/>
Art des Betriebs vom alten Handwerk und zwar zu<lb/>
ihrem Vortheil &#x017F;ich unter&#x017F;cheiden. Viele waren ur&#x017F;prüng-<lb/>
lich tüchtige Ge&#x017F;ellen, oft einfache Arbeiter, manche &#x017F;ind<lb/>
ur&#x017F;prünglich Kaufleute, &#x2014; alle nennen &#x017F;ich aber jetzt<lb/>
mit Vorliebe Fabrikanten, auch wenn &#x017F;ie nur einen<lb/>
einzigen oder zwei Arbeiter be&#x017F;chäftigen. Ihre andere<lb/>
&#x017F;oziale Stellung beruht we&#x017F;entlich mit auf ihren Kennt-<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;en und ihren Verbindungen. Es &#x017F;ind Leute, die auf<lb/>
Fortbildungs-, auf Gewerbe- und polytechni&#x017F;chen Schulen<lb/>
etwas gelernt haben, Leute, die auf Rei&#x017F;en, auf Jahr-<lb/>
markts- und Meßbe&#x017F;uchen &#x017F;ich Bezugsquellen und Ab&#x017F;atz<lb/>
ver&#x017F;chafft haben. Die&#x017F;e per&#x017F;önlichen und ge&#x017F;chäftlichen<lb/>
Verbindungen &#x017F;ind in den großen Städten leichter zu<lb/>
erwerben, &#x017F;ie &#x017F;ind es oft am mei&#x017F;ten, was dem unge-<lb/>
wandten kleinen Manne in abgelegenern Orten fehlt.</p><lb/>
          <p>Immer gehört zu die&#x017F;er Art von Ge&#x017F;chäften einiges<lb/>
Kapital, zu einzelnen &#x017F;chon ein bedeutendes. Vielfach<lb/>
aber &#x017F;ind es Ge&#x017F;chäfte, die in &#x017F;ehr ver&#x017F;chiedener Aus-<lb/>
dehnung betrieben werden können. Techni&#x017F;che Ge&#x017F;chicklich-<lb/>
keit und Marktkenntniß &#x017F;ind mei&#x017F;t wichtiger als ein großes<lb/>
Kapital. So wenig ich leugnen will, daß das große<lb/>
Kapital in manchen Beziehungen durch die Gewalt &#x017F;einer<lb/>
Ueberlegenheit heute unberechtigte Gewinne macht, eine<lb/>
zu ungleiche Vermögensvertheilung noch ungleicher macht,<lb/>
&#x017F;o darf man auf der andern Seite da, wo gerade nicht<lb/>
&#x017F;owohl das Kapital als per&#x017F;önliche Eigen&#x017F;chaften den<lb/>
Aus&#x017F;chlag geben, das nicht ver&#x017F;chweigen. Unfähigkeit,<lb/>
&#x017F;ich in Neues zu finden, Unfähigkeit, &#x017F;ich einer ganz<lb/>
regelmäßigen Thätigkeit zu unterwerfen, Unfähigkeit zu<lb/>
&#x017F;paren, wenn der Erwerb einmal flotter geht, niedrige<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[199/0221] Der moderne Handwerksbetrieb. Art des Betriebs vom alten Handwerk und zwar zu ihrem Vortheil ſich unterſcheiden. Viele waren urſprüng- lich tüchtige Geſellen, oft einfache Arbeiter, manche ſind urſprünglich Kaufleute, — alle nennen ſich aber jetzt mit Vorliebe Fabrikanten, auch wenn ſie nur einen einzigen oder zwei Arbeiter beſchäftigen. Ihre andere ſoziale Stellung beruht weſentlich mit auf ihren Kennt- niſſen und ihren Verbindungen. Es ſind Leute, die auf Fortbildungs-, auf Gewerbe- und polytechniſchen Schulen etwas gelernt haben, Leute, die auf Reiſen, auf Jahr- markts- und Meßbeſuchen ſich Bezugsquellen und Abſatz verſchafft haben. Dieſe perſönlichen und geſchäftlichen Verbindungen ſind in den großen Städten leichter zu erwerben, ſie ſind es oft am meiſten, was dem unge- wandten kleinen Manne in abgelegenern Orten fehlt. Immer gehört zu dieſer Art von Geſchäften einiges Kapital, zu einzelnen ſchon ein bedeutendes. Vielfach aber ſind es Geſchäfte, die in ſehr verſchiedener Aus- dehnung betrieben werden können. Techniſche Geſchicklich- keit und Marktkenntniß ſind meiſt wichtiger als ein großes Kapital. So wenig ich leugnen will, daß das große Kapital in manchen Beziehungen durch die Gewalt ſeiner Ueberlegenheit heute unberechtigte Gewinne macht, eine zu ungleiche Vermögensvertheilung noch ungleicher macht, ſo darf man auf der andern Seite da, wo gerade nicht ſowohl das Kapital als perſönliche Eigenſchaften den Ausſchlag geben, das nicht verſchweigen. Unfähigkeit, ſich in Neues zu finden, Unfähigkeit, ſich einer ganz regelmäßigen Thätigkeit zu unterwerfen, Unfähigkeit zu ſparen, wenn der Erwerb einmal flotter geht, niedrige

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/221
Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/221>, abgerufen am 27.11.2024.