Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.Die Umgestaltung von Produktion und Verkehr. Verkehrs, in Zeiten, in welchen beinahe nur die Luxus-industrien stärker sich entwickeln, die Gewerbe den Markt- mittelpunkt aufsuchen, da produziren, wo sie auch gleich verkaufen können. Mit der Zeit, so zeigt er weiter, wird das anders. Der Verkehr hat sich gehoben, der Waarentransport ist schon leichter; in den Hauptstädten ist das Leben und der Boden schon sehr theuer geworden; die Massenindustrien fangen an sich zu entwickeln, sie bedürfen der schweren Rohstoffe, der Erze, der Kohlen, sowie der zahlreichen Arbeiter. Die Industrie decentralisirt sich, sie zieht dem Ursprungsort der Rohstoffe, sie zieht der Wasserkraft, dem billigen Arbeitslohn nach. Erst mit der Vollendung der Eisenbahnen wird das wieder anders. Die Lebensmittel können nun viel leichter aus weiter Ferne zur Stadt geführt werden. Das Wachsen ist möglich ohne Steigerung der Lebensmittelpreise und der Löhne; und nicht nur Fleisch und Getreide, auch Kohlen, Eisen, Wolle, Baumwolle können jetzt billig Hunderte von Meilen weit her bezogen werden. Der billige und leichte Kredit in den Städten, die Leichtigkeit des Absatzes, die mannigfaltige Förderung durch persön- liche Berührung und persönliche Bekanntschaft, die Hülfe ineinander greifender Industrien, die größere Möglichkeit, Abfälle zu verwerthen, die technischen und künstlerischen Bildungsmittel der Großstädte werden jetzt das Ent- scheidende. Und wie die Industrie, so konzentrirt sich auch der Die Umgeſtaltung von Produktion und Verkehr. Verkehrs, in Zeiten, in welchen beinahe nur die Luxus-induſtrien ſtärker ſich entwickeln, die Gewerbe den Markt- mittelpunkt aufſuchen, da produziren, wo ſie auch gleich verkaufen können. Mit der Zeit, ſo zeigt er weiter, wird das anders. Der Verkehr hat ſich gehoben, der Waarentransport iſt ſchon leichter; in den Hauptſtädten iſt das Leben und der Boden ſchon ſehr theuer geworden; die Maſſeninduſtrien fangen an ſich zu entwickeln, ſie bedürfen der ſchweren Rohſtoffe, der Erze, der Kohlen, ſowie der zahlreichen Arbeiter. Die Induſtrie decentraliſirt ſich, ſie zieht dem Urſprungsort der Rohſtoffe, ſie zieht der Waſſerkraft, dem billigen Arbeitslohn nach. Erſt mit der Vollendung der Eiſenbahnen wird das wieder anders. Die Lebensmittel können nun viel leichter aus weiter Ferne zur Stadt geführt werden. Das Wachſen iſt möglich ohne Steigerung der Lebensmittelpreiſe und der Löhne; und nicht nur Fleiſch und Getreide, auch Kohlen, Eiſen, Wolle, Baumwolle können jetzt billig Hunderte von Meilen weit her bezogen werden. Der billige und leichte Kredit in den Städten, die Leichtigkeit des Abſatzes, die mannigfaltige Förderung durch perſön- liche Berührung und perſönliche Bekanntſchaft, die Hülfe ineinander greifender Induſtrien, die größere Möglichkeit, Abfälle zu verwerthen, die techniſchen und künſtleriſchen Bildungsmittel der Großſtädte werden jetzt das Ent- ſcheidende. Und wie die Induſtrie, ſo konzentrirt ſich auch der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0208" n="186"/><fw place="top" type="header">Die Umgeſtaltung von Produktion und Verkehr.</fw><lb/> Verkehrs, in Zeiten, in welchen beinahe nur die Luxus-<lb/> induſtrien ſtärker ſich entwickeln, die Gewerbe den Markt-<lb/> mittelpunkt aufſuchen, da produziren, wo ſie auch gleich<lb/> verkaufen können. Mit der Zeit, ſo zeigt er weiter,<lb/> wird das anders. 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Die Umgeſtaltung von Produktion und Verkehr.
Verkehrs, in Zeiten, in welchen beinahe nur die Luxus-
induſtrien ſtärker ſich entwickeln, die Gewerbe den Markt-
mittelpunkt aufſuchen, da produziren, wo ſie auch gleich
verkaufen können. Mit der Zeit, ſo zeigt er weiter,
wird das anders. Der Verkehr hat ſich gehoben, der
Waarentransport iſt ſchon leichter; in den Hauptſtädten
iſt das Leben und der Boden ſchon ſehr theuer geworden;
die Maſſeninduſtrien fangen an ſich zu entwickeln, ſie
bedürfen der ſchweren Rohſtoffe, der Erze, der Kohlen,
ſowie der zahlreichen Arbeiter. Die Induſtrie decentraliſirt
ſich, ſie zieht dem Urſprungsort der Rohſtoffe, ſie zieht
der Waſſerkraft, dem billigen Arbeitslohn nach. Erſt
mit der Vollendung der Eiſenbahnen wird das wieder
anders. Die Lebensmittel können nun viel leichter aus
weiter Ferne zur Stadt geführt werden. Das Wachſen
iſt möglich ohne Steigerung der Lebensmittelpreiſe und
der Löhne; und nicht nur Fleiſch und Getreide, auch
Kohlen, Eiſen, Wolle, Baumwolle können jetzt billig
Hunderte von Meilen weit her bezogen werden. Der
billige und leichte Kredit in den Städten, die Leichtigkeit
des Abſatzes, die mannigfaltige Förderung durch perſön-
liche Berührung und perſönliche Bekanntſchaft, die Hülfe
ineinander greifender Induſtrien, die größere Möglichkeit,
Abfälle zu verwerthen, die techniſchen und künſtleriſchen
Bildungsmittel der Großſtädte werden jetzt das Ent-
ſcheidende.
Und wie die Induſtrie, ſo konzentrirt ſich auch der
Handel; ein Mittelglied nach dem andern fällt aus,
weil der Verkehr ſo viel leichter geworden iſt. Der
Getreidehandel von Poſen und Breslau geht jetzt direkt
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