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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Die Zustände und Klagen 1848 und 1849.
hervorgerufen wurde durch die unklaren Klagen des
Handwerkerstandes. Die Gewerbeordnung von 1845
hatte den bestehenden Zustand nach jahrelangen Vor-
berathungen im Wesentlichen nur kodifizirt, die Gewerbe-
freiheit auf die Provinzen ausgedehnt, wo sie noch nicht
bestand. Die Innungen sollten, wo sie bestehen, erhalten
bleiben, auch neue gebildet werden dürfen; doch wurde
ihnen jeder Beitritts- und Prüfungszwang untersagt.
Nur bei einigen wichtigeren Handwerken wurde die
Befugniß, Lehrlinge zu halten, von der Mitgliedschaft
einer Innung oder dem Nachweis der Befähigung durch
Prüfung abhängig gemacht. Von einer Rückwirkung
dieses Gesetzes auf Gedeihen oder Nichtgedeihen des Hand-
werkerstandes wird nicht die Rede sein können. Das
Gesetz wurde nirgends als etwas Neues, Einschneidendes
betrachtet. Da kamen die schlimmen Jahre, die Gährung
und Unklarheit der Revolution. Nach der Theorie des
Radikalismus sollte jeder Einzelne, wie jeder Stand
selbst die beste Einsicht haben, was ihm frommte, also
hielten auch die ehrbaren Handwerke Versammlungen und
Tage, und wie jederzeit jede ökonomische Klasse ihr
nächstliegendes egoistisches Interesse als das Interesse des
Staats und der Gesellschaft ansieht, so thaten es jetzt
die Handwerker.

Den Anfang der Zunftbewegung machte am
22. April 1848 das offene Sendschreiben der zweiund-
zwanzig Leipziger Innungen an ihre Handwerksgenossen
mit einem Protest gegen das ganze "Wesen, wie es sich
jetzt in Frankreich breit macht, den letzten Rest von
Tüchtigkeit und Wohlstand untergräbt und gleichsam

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Die Zuſtände und Klagen 1848 und 1849.
hervorgerufen wurde durch die unklaren Klagen des
Handwerkerſtandes. Die Gewerbeordnung von 1845
hatte den beſtehenden Zuſtand nach jahrelangen Vor-
berathungen im Weſentlichen nur kodifizirt, die Gewerbe-
freiheit auf die Provinzen ausgedehnt, wo ſie noch nicht
beſtand. Die Innungen ſollten, wo ſie beſtehen, erhalten
bleiben, auch neue gebildet werden dürfen; doch wurde
ihnen jeder Beitritts- und Prüfungszwang unterſagt.
Nur bei einigen wichtigeren Handwerken wurde die
Befugniß, Lehrlinge zu halten, von der Mitgliedſchaft
einer Innung oder dem Nachweis der Befähigung durch
Prüfung abhängig gemacht. Von einer Rückwirkung
dieſes Geſetzes auf Gedeihen oder Nichtgedeihen des Hand-
werkerſtandes wird nicht die Rede ſein können. Das
Geſetz wurde nirgends als etwas Neues, Einſchneidendes
betrachtet. Da kamen die ſchlimmen Jahre, die Gährung
und Unklarheit der Revolution. Nach der Theorie des
Radikalismus ſollte jeder Einzelne, wie jeder Stand
ſelbſt die beſte Einſicht haben, was ihm frommte, alſo
hielten auch die ehrbaren Handwerke Verſammlungen und
Tage, und wie jederzeit jede ökonomiſche Klaſſe ihr
nächſtliegendes egoiſtiſches Intereſſe als das Intereſſe des
Staats und der Geſellſchaft anſieht, ſo thaten es jetzt
die Handwerker.

Den Anfang der Zunftbewegung machte am
22. April 1848 das offene Sendſchreiben der zweiund-
zwanzig Leipziger Innungen an ihre Handwerksgenoſſen
mit einem Proteſt gegen das ganze „Weſen, wie es ſich
jetzt in Frankreich breit macht, den letzten Reſt von
Tüchtigkeit und Wohlſtand untergräbt und gleichſam

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[83/0105] Die Zuſtände und Klagen 1848 und 1849. hervorgerufen wurde durch die unklaren Klagen des Handwerkerſtandes. Die Gewerbeordnung von 1845 hatte den beſtehenden Zuſtand nach jahrelangen Vor- berathungen im Weſentlichen nur kodifizirt, die Gewerbe- freiheit auf die Provinzen ausgedehnt, wo ſie noch nicht beſtand. Die Innungen ſollten, wo ſie beſtehen, erhalten bleiben, auch neue gebildet werden dürfen; doch wurde ihnen jeder Beitritts- und Prüfungszwang unterſagt. Nur bei einigen wichtigeren Handwerken wurde die Befugniß, Lehrlinge zu halten, von der Mitgliedſchaft einer Innung oder dem Nachweis der Befähigung durch Prüfung abhängig gemacht. Von einer Rückwirkung dieſes Geſetzes auf Gedeihen oder Nichtgedeihen des Hand- werkerſtandes wird nicht die Rede ſein können. Das Geſetz wurde nirgends als etwas Neues, Einſchneidendes betrachtet. Da kamen die ſchlimmen Jahre, die Gährung und Unklarheit der Revolution. Nach der Theorie des Radikalismus ſollte jeder Einzelne, wie jeder Stand ſelbſt die beſte Einſicht haben, was ihm frommte, alſo hielten auch die ehrbaren Handwerke Verſammlungen und Tage, und wie jederzeit jede ökonomiſche Klaſſe ihr nächſtliegendes egoiſtiſches Intereſſe als das Intereſſe des Staats und der Geſellſchaft anſieht, ſo thaten es jetzt die Handwerker. Den Anfang der Zunftbewegung machte am 22. April 1848 das offene Sendſchreiben der zweiund- zwanzig Leipziger Innungen an ihre Handwerksgenoſſen mit einem Proteſt gegen das ganze „Weſen, wie es ſich jetzt in Frankreich breit macht, den letzten Reſt von Tüchtigkeit und Wohlſtand untergräbt und gleichſam 6 *

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/105>, abgerufen am 23.11.2024.