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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Die preußischen Aufnahmen.
Zunahme der Gesammtzahl, die etwas stärkere der
Meister ihre einfache Erklärung. Die Spezialtabellen
zeigen beinahe durchgehend eine geringere Anzahl Gehülfen.
Von wichtigern Gewerben haben nur die Bäcker, Flei-
scher und Schuhmacher etwa dieselbe Gehülfenzahl; die
Riemer, Sattler, Schneider, Zimmerleute, Tischler,
Böttcher, die Schmiede und Schlosser, sowie noch viele
unbedeutendere beschäftigen nicht mehr die alte Gehülfen-
zahl. Die Tischler zählen 4000, die Schneider 2000
Gehülfen weniger als 1846.

Der Absatz stockte, Jeder schränkte sich ein; ein-
zelne Geschäfte nun, die längst nur noch nothdürftig
existirt hatten, brachen zusammen. Das war aber die
Minderzahl; in der Hauptsache bleiben die alten Ge-
schäfte zunächst, sie hatten nur nicht genug zu thun; sie
entlassen also Hunderte früher beschäftigter Gesellen. Von
diesen wissen viele keinen andern Ausweg, als sich
selbst zu etabliren und so die Konkurrenz zu vermehren.
So erklären sich sehr klar die obigen Zahlen; so erklären
sich die großen Klagen des ganzen Handwerkerstandes
in jener Zeit. Es waren allerdings die vorhandenen
Geschäfte nicht genügend beschäftigt, es waren zu viel
Meister, -- aber nicht in erster Linie in Folge der
Gewerbefreiheit, nicht wegen mangelnder Prüfung,
sondern wegen vorübergehender Geschäftsstockung; es
nahm aus diesem Grunde die Meisterzahl noch etwas
zu, während die schon vorhandenen Meister täglich
weitere Gesellen entlassen mußten.

Es wird passend sein, hier einige Worte über die
veränderte Gesetzgebung einzufügen, welche ja wesentlich

Die preußiſchen Aufnahmen.
Zunahme der Geſammtzahl, die etwas ſtärkere der
Meiſter ihre einfache Erklärung. Die Spezialtabellen
zeigen beinahe durchgehend eine geringere Anzahl Gehülfen.
Von wichtigern Gewerben haben nur die Bäcker, Flei-
ſcher und Schuhmacher etwa dieſelbe Gehülfenzahl; die
Riemer, Sattler, Schneider, Zimmerleute, Tiſchler,
Böttcher, die Schmiede und Schloſſer, ſowie noch viele
unbedeutendere beſchäftigen nicht mehr die alte Gehülfen-
zahl. Die Tiſchler zählen 4000, die Schneider 2000
Gehülfen weniger als 1846.

Der Abſatz ſtockte, Jeder ſchränkte ſich ein; ein-
zelne Geſchäfte nun, die längſt nur noch nothdürftig
exiſtirt hatten, brachen zuſammen. Das war aber die
Minderzahl; in der Hauptſache bleiben die alten Ge-
ſchäfte zunächſt, ſie hatten nur nicht genug zu thun; ſie
entlaſſen alſo Hunderte früher beſchäftigter Geſellen. Von
dieſen wiſſen viele keinen andern Ausweg, als ſich
ſelbſt zu etabliren und ſo die Konkurrenz zu vermehren.
So erklären ſich ſehr klar die obigen Zahlen; ſo erklären
ſich die großen Klagen des ganzen Handwerkerſtandes
in jener Zeit. Es waren allerdings die vorhandenen
Geſchäfte nicht genügend beſchäftigt, es waren zu viel
Meiſter, — aber nicht in erſter Linie in Folge der
Gewerbefreiheit, nicht wegen mangelnder Prüfung,
ſondern wegen vorübergehender Geſchäftsſtockung; es
nahm aus dieſem Grunde die Meiſterzahl noch etwas
zu, während die ſchon vorhandenen Meiſter täglich
weitere Geſellen entlaſſen mußten.

Es wird paſſend ſein, hier einige Worte über die
veränderte Geſetzgebung einzufügen, welche ja weſentlich

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[82/0104] Die preußiſchen Aufnahmen. Zunahme der Geſammtzahl, die etwas ſtärkere der Meiſter ihre einfache Erklärung. Die Spezialtabellen zeigen beinahe durchgehend eine geringere Anzahl Gehülfen. Von wichtigern Gewerben haben nur die Bäcker, Flei- ſcher und Schuhmacher etwa dieſelbe Gehülfenzahl; die Riemer, Sattler, Schneider, Zimmerleute, Tiſchler, Böttcher, die Schmiede und Schloſſer, ſowie noch viele unbedeutendere beſchäftigen nicht mehr die alte Gehülfen- zahl. Die Tiſchler zählen 4000, die Schneider 2000 Gehülfen weniger als 1846. Der Abſatz ſtockte, Jeder ſchränkte ſich ein; ein- zelne Geſchäfte nun, die längſt nur noch nothdürftig exiſtirt hatten, brachen zuſammen. Das war aber die Minderzahl; in der Hauptſache bleiben die alten Ge- ſchäfte zunächſt, ſie hatten nur nicht genug zu thun; ſie entlaſſen alſo Hunderte früher beſchäftigter Geſellen. Von dieſen wiſſen viele keinen andern Ausweg, als ſich ſelbſt zu etabliren und ſo die Konkurrenz zu vermehren. So erklären ſich ſehr klar die obigen Zahlen; ſo erklären ſich die großen Klagen des ganzen Handwerkerſtandes in jener Zeit. Es waren allerdings die vorhandenen Geſchäfte nicht genügend beſchäftigt, es waren zu viel Meiſter, — aber nicht in erſter Linie in Folge der Gewerbefreiheit, nicht wegen mangelnder Prüfung, ſondern wegen vorübergehender Geſchäftsſtockung; es nahm aus dieſem Grunde die Meiſterzahl noch etwas zu, während die ſchon vorhandenen Meiſter täglich weitere Geſellen entlaſſen mußten. Es wird paſſend ſein, hier einige Worte über die veränderte Geſetzgebung einzufügen, welche ja weſentlich

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/104>, abgerufen am 23.11.2024.