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Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900.

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Einleitung. Begriff. Psychologische und sittliche Grundlage. Litteratur und Methode.

Der Erwerbstrieb in den mit ausgebildetem Eigentum wirtschaftenden Völkern
ist eine Unterart dieses allgemeinen Rivalitätstriebes. Wir gehen auf ihn nun noch
etwas genauer ein.

6. Der Erwerbstrieb und die wirtschaftlichen Tugenden.
Mandeville, Fable of the bees or private vices public benefits. 1713. -- Helvetius,
De l'esprit 1758, de l'homme, Oeuvres 1792. --
Bentham, Works 1843. Über Bentham und
die Benthamiten: Held, Sociale Geschichte Englands 1881, S. 246--287. --
Lotz, Handbuch der
Staatswirtschaftslehre 1, S. 6--7. 1821. --
Rau, Grundsätze der Volkswirtschaftslehre. 6. Aufl.
§§ 7 u. 11. 1855. --
Ders., Bemerkungen über die Volkswirtschaftslehre und ihr Verhältnis zur
Sittenlehre. Z. f. St. W. 1870.
Schütz, Das sittliche Moment in der Volkswirtschaft. Z. f. St. W. 1844. --
Knies, Politische
Ökonomie vom Standpunkt der geschichtlichen Methode. S. 147--168. 1853. 2. Aufl. S. 227--253.
1883. --
Vorländer, Über das sittliche Princip der Volkswirtschaft in Rücksicht auf das sociale
Problem. Z. f. St. W. 1857. --
Schmoller, Grundfr. S. 50 ff. -- H. Dietzel, Selbstinteresse. H. W.
Riehl, Die deutsche Arbeit. 1861, -- G. Jäger, Die menschliche Arbeitskraft. 1878. --

Cohn, Grundlegung der Nationalökonomie. 1885. §§ 217--232. -- Bücher, Arbeit und Rhyth-
mus. 1896. --
Smiles, Die Sparsamkeit. 1876. -- Über die wirtschaftlichen Tugenden ist die
ganze ethische Litteratur zu vergleichen.

17. Dogmengeschichtliches. So oft über die Ursachen menschlichen Handelns
ernsthafter nachgedacht worden ist, haben sich Denker gefunden, welche alles Handeln,
auch die Tugenden der Menschen auf die Selbstliebe zurückführten. Die Sophisten und
Epikur gingen voraus; ihnen folgte der englische Sensualismus, Hobbes und Mandeville,
der mit brutalerer Offenheit als alle anderen die Ableitung des menschlichen Thuns
aus der Selbstliebe in seiner Bienenfabel vornahm, endlich die französischen Materialisten
des 18. Jahrhunderts, voran Helvetius, der mit seltenem Scharfsinn den Wandlungen
des Egoismus im menschlichen Herzen nachgehend, die Lust und Unlust mehr nur in
ihren niedrigeren Sphären verfolgend, der glänzendste Theoretiker des Egoismus geworden
ist und auf die ganze geistige Atmosphäre seiner Zeit einen erheblichen Einfluß geübt hat.
Die ganze zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts war an sich dem Kultus des Individuums
gewidmet, das die einen als boshaftes, nur durch die Gesetze in Zaum gehaltenes Tier,
die anderen als edles herrliches Wesen sich konstruierten, das vom Schutt der Über-
lieferung befreit und sich selbst überlassen, nur Gutes vollbringe. Die Beschäftigung
mit den wirtschaftlichen Fragen legte eine Betonung der Selbstliebe überdies be-
sonders nahe.

Ein so feiner Psychologe und Ethiker, wie Ad. Smith, der im übrigen ein Gegner
dieser materialistischen Theorien war, brauchte nun nur in seinen volkswirtschaftlichen
Erörterungen von der natürlichen Neigung jedes Menschen, sein eigenes Interesse zu
verfolgen, zu sprechen und optimistisch die guten durchschnittlichen Folgen dieser Neigung
zu rühmen, und ein Geschlecht von Epigonen, voran die englischen Empiristen unter
Benthams Leitung und die etwas steifleinenen unphilosophischen deutschen Kameralisten
wie Rau und Lotz kamen nun zu einer allgemeinen Theorie, die dahin lautete, daß der
Egoismus, der Eigennutz, das Selbstinteresse, der Erwerbstrieb (diese keineswegs identischen,
aber verwandten Begriffe wurden häufig zusammengeworfen) die ausschließliche Grund-
lage der Volkswirtschaft sei, daß wenigstens in unserer Wissenschaft nur die Folgen
dieses Triebes zu untersuchen seien. Bentham zieht aus einer Untersuchung der ver-
schiedenen Arten des menschlichen Glückes die Folgerung, daß die Freude am Reichtum
eine centrale Stellung einnehme, da er die Mittel für alle anderen Freuden darbiete.
Für Senior ist der Satz, daß jeder Mensch ein Mehr von Wohlstand mit so wenig
Opfern als möglich erreichen will, der Eckstein der politischen Ökonomie, die letzte
Thatsache, über welche nicht zurückgegangen werden könne. Rau erklärt das Verhältnis
der Menschen zu den sachlichen Gütern für ein unwandelbares, die Selbstsucht als
fortdauernde Triebkraft ist ihm die Voraussetzung, ohne welche kein einziges volkswirt-
schaftliches Gesetz aufgestellt werden könne.

Einleitung. Begriff. Pſychologiſche und ſittliche Grundlage. Litteratur und Methode.

Der Erwerbstrieb in den mit ausgebildetem Eigentum wirtſchaftenden Völkern
iſt eine Unterart dieſes allgemeinen Rivalitätstriebes. Wir gehen auf ihn nun noch
etwas genauer ein.

6. Der Erwerbstrieb und die wirtſchaftlichen Tugenden.
Mandeville, Fable of the bees or private vices public benefits. 1713. — Helvetius,
De l’esprit 1758, de l’homme, Oeuvres 1792. —
Bentham, Works 1843. Über Bentham und
die Benthamiten: Held, Sociale Geſchichte Englands 1881, S. 246—287. —
Lotz, Handbuch der
Staatswirtſchaftslehre 1, S. 6—7. 1821. —
Rau, Grundſätze der Volkswirtſchaftslehre. 6. Aufl.
§§ 7 u. 11. 1855. —
Derſ., Bemerkungen über die Volkswirtſchaftslehre und ihr Verhältnis zur
Sittenlehre. Z. f. St. W. 1870.
Schütz, Das ſittliche Moment in der Volkswirtſchaft. Z. f. St. W. 1844. —
Knies, Politiſche
Ökonomie vom Standpunkt der geſchichtlichen Methode. S. 147—168. 1853. 2. Aufl. S. 227—253.
1883. —
Vorländer, Über das ſittliche Princip der Volkswirtſchaft in Rückſicht auf das ſociale
Problem. Z. f. St. W. 1857. —
Schmoller, Grundfr. S. 50 ff. — H. Dietzel, Selbſtintereſſe. H. W.
Riehl, Die deutſche Arbeit. 1861, — G. Jäger, Die menſchliche Arbeitskraft. 1878. —

Cohn, Grundlegung der Nationalökonomie. 1885. §§ 217—232. — Bücher, Arbeit und Rhyth-
mus. 1896. —
Smiles, Die Sparſamkeit. 1876. — Über die wirtſchaftlichen Tugenden iſt die
ganze ethiſche Litteratur zu vergleichen.

17. Dogmengeſchichtliches. So oft über die Urſachen menſchlichen Handelns
ernſthafter nachgedacht worden iſt, haben ſich Denker gefunden, welche alles Handeln,
auch die Tugenden der Menſchen auf die Selbſtliebe zurückführten. Die Sophiſten und
Epikur gingen voraus; ihnen folgte der engliſche Senſualismus, Hobbes und Mandeville,
der mit brutalerer Offenheit als alle anderen die Ableitung des menſchlichen Thuns
aus der Selbſtliebe in ſeiner Bienenfabel vornahm, endlich die franzöſiſchen Materialiſten
des 18. Jahrhunderts, voran Helvetius, der mit ſeltenem Scharfſinn den Wandlungen
des Egoismus im menſchlichen Herzen nachgehend, die Luſt und Unluſt mehr nur in
ihren niedrigeren Sphären verfolgend, der glänzendſte Theoretiker des Egoismus geworden
iſt und auf die ganze geiſtige Atmoſphäre ſeiner Zeit einen erheblichen Einfluß geübt hat.
Die ganze zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts war an ſich dem Kultus des Individuums
gewidmet, das die einen als boshaftes, nur durch die Geſetze in Zaum gehaltenes Tier,
die anderen als edles herrliches Weſen ſich konſtruierten, das vom Schutt der Über-
lieferung befreit und ſich ſelbſt überlaſſen, nur Gutes vollbringe. Die Beſchäftigung
mit den wirtſchaftlichen Fragen legte eine Betonung der Selbſtliebe überdies be-
ſonders nahe.

Ein ſo feiner Pſychologe und Ethiker, wie Ad. Smith, der im übrigen ein Gegner
dieſer materialiſtiſchen Theorien war, brauchte nun nur in ſeinen volkswirtſchaftlichen
Erörterungen von der natürlichen Neigung jedes Menſchen, ſein eigenes Intereſſe zu
verfolgen, zu ſprechen und optimiſtiſch die guten durchſchnittlichen Folgen dieſer Neigung
zu rühmen, und ein Geſchlecht von Epigonen, voran die engliſchen Empiriſten unter
Benthams Leitung und die etwas ſteifleinenen unphiloſophiſchen deutſchen Kameraliſten
wie Rau und Lotz kamen nun zu einer allgemeinen Theorie, die dahin lautete, daß der
Egoismus, der Eigennutz, das Selbſtintereſſe, der Erwerbstrieb (dieſe keineswegs identiſchen,
aber verwandten Begriffe wurden häufig zuſammengeworfen) die ausſchließliche Grund-
lage der Volkswirtſchaft ſei, daß wenigſtens in unſerer Wiſſenſchaft nur die Folgen
dieſes Triebes zu unterſuchen ſeien. Bentham zieht aus einer Unterſuchung der ver-
ſchiedenen Arten des menſchlichen Glückes die Folgerung, daß die Freude am Reichtum
eine centrale Stellung einnehme, da er die Mittel für alle anderen Freuden darbiete.
Für Senior iſt der Satz, daß jeder Menſch ein Mehr von Wohlſtand mit ſo wenig
Opfern als möglich erreichen will, der Eckſtein der politiſchen Ökonomie, die letzte
Thatſache, über welche nicht zurückgegangen werden könne. Rau erklärt das Verhältnis
der Menſchen zu den ſachlichen Gütern für ein unwandelbares, die Selbſtſucht als
fortdauernde Triebkraft iſt ihm die Vorausſetzung, ohne welche kein einziges volkswirt-
ſchaftliches Geſetz aufgeſtellt werden könne.

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[32/0048] Einleitung. Begriff. Pſychologiſche und ſittliche Grundlage. Litteratur und Methode. Der Erwerbstrieb in den mit ausgebildetem Eigentum wirtſchaftenden Völkern iſt eine Unterart dieſes allgemeinen Rivalitätstriebes. Wir gehen auf ihn nun noch etwas genauer ein. 6. Der Erwerbstrieb und die wirtſchaftlichen Tugenden. Mandeville, Fable of the bees or private vices public benefits. 1713. — Helvetius, De l’esprit 1758, de l’homme, Oeuvres 1792. — Bentham, Works 1843. Über Bentham und die Benthamiten: Held, Sociale Geſchichte Englands 1881, S. 246—287. — Lotz, Handbuch der Staatswirtſchaftslehre 1, S. 6—7. 1821. — Rau, Grundſätze der Volkswirtſchaftslehre. 6. Aufl. §§ 7 u. 11. 1855. — Derſ., Bemerkungen über die Volkswirtſchaftslehre und ihr Verhältnis zur Sittenlehre. Z. f. St. W. 1870. Schütz, Das ſittliche Moment in der Volkswirtſchaft. Z. f. St. W. 1844. — Knies, Politiſche Ökonomie vom Standpunkt der geſchichtlichen Methode. S. 147—168. 1853. 2. Aufl. S. 227—253. 1883. — Vorländer, Über das ſittliche Princip der Volkswirtſchaft in Rückſicht auf das ſociale Problem. Z. f. St. W. 1857. — Schmoller, Grundfr. S. 50 ff. — H. Dietzel, Selbſtintereſſe. H. W. Riehl, Die deutſche Arbeit. 1861, — G. Jäger, Die menſchliche Arbeitskraft. 1878. — Cohn, Grundlegung der Nationalökonomie. 1885. §§ 217—232. — Bücher, Arbeit und Rhyth- mus. 1896. — Smiles, Die Sparſamkeit. 1876. — Über die wirtſchaftlichen Tugenden iſt die ganze ethiſche Litteratur zu vergleichen. 17. Dogmengeſchichtliches. So oft über die Urſachen menſchlichen Handelns ernſthafter nachgedacht worden iſt, haben ſich Denker gefunden, welche alles Handeln, auch die Tugenden der Menſchen auf die Selbſtliebe zurückführten. Die Sophiſten und Epikur gingen voraus; ihnen folgte der engliſche Senſualismus, Hobbes und Mandeville, der mit brutalerer Offenheit als alle anderen die Ableitung des menſchlichen Thuns aus der Selbſtliebe in ſeiner Bienenfabel vornahm, endlich die franzöſiſchen Materialiſten des 18. Jahrhunderts, voran Helvetius, der mit ſeltenem Scharfſinn den Wandlungen des Egoismus im menſchlichen Herzen nachgehend, die Luſt und Unluſt mehr nur in ihren niedrigeren Sphären verfolgend, der glänzendſte Theoretiker des Egoismus geworden iſt und auf die ganze geiſtige Atmoſphäre ſeiner Zeit einen erheblichen Einfluß geübt hat. Die ganze zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts war an ſich dem Kultus des Individuums gewidmet, das die einen als boshaftes, nur durch die Geſetze in Zaum gehaltenes Tier, die anderen als edles herrliches Weſen ſich konſtruierten, das vom Schutt der Über- lieferung befreit und ſich ſelbſt überlaſſen, nur Gutes vollbringe. Die Beſchäftigung mit den wirtſchaftlichen Fragen legte eine Betonung der Selbſtliebe überdies be- ſonders nahe. Ein ſo feiner Pſychologe und Ethiker, wie Ad. Smith, der im übrigen ein Gegner dieſer materialiſtiſchen Theorien war, brauchte nun nur in ſeinen volkswirtſchaftlichen Erörterungen von der natürlichen Neigung jedes Menſchen, ſein eigenes Intereſſe zu verfolgen, zu ſprechen und optimiſtiſch die guten durchſchnittlichen Folgen dieſer Neigung zu rühmen, und ein Geſchlecht von Epigonen, voran die engliſchen Empiriſten unter Benthams Leitung und die etwas ſteifleinenen unphiloſophiſchen deutſchen Kameraliſten wie Rau und Lotz kamen nun zu einer allgemeinen Theorie, die dahin lautete, daß der Egoismus, der Eigennutz, das Selbſtintereſſe, der Erwerbstrieb (dieſe keineswegs identiſchen, aber verwandten Begriffe wurden häufig zuſammengeworfen) die ausſchließliche Grund- lage der Volkswirtſchaft ſei, daß wenigſtens in unſerer Wiſſenſchaft nur die Folgen dieſes Triebes zu unterſuchen ſeien. Bentham zieht aus einer Unterſuchung der ver- ſchiedenen Arten des menſchlichen Glückes die Folgerung, daß die Freude am Reichtum eine centrale Stellung einnehme, da er die Mittel für alle anderen Freuden darbiete. Für Senior iſt der Satz, daß jeder Menſch ein Mehr von Wohlſtand mit ſo wenig Opfern als möglich erreichen will, der Eckſtein der politiſchen Ökonomie, die letzte Thatſache, über welche nicht zurückgegangen werden könne. Rau erklärt das Verhältnis der Menſchen zu den ſachlichen Gütern für ein unwandelbares, die Selbſtſucht als fortdauernde Triebkraft iſt ihm die Vorausſetzung, ohne welche kein einziges volkswirt- ſchaftliches Geſetz aufgeſtellt werden könne.

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_grundriss01_1900/48>, abgerufen am 24.11.2024.