Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900.Die Unternehmer unter der Kontrolle der Preise und dem Drucke der Gesamtinteressen. teilung nötig wäre, wenn man die Unternehmungen und Kartelle überflüssig machen wollte.Und daher erscheint die Verfassung der Volkswirtschaft heute als die normalste, welche die Bedürfnisbefriedigung, die über die Familienwirtschaft hinausgeht, zwischen den Gebietskörperschaften und den Unternehmungen teilt, so daß beide Systeme einander ergänzen. Die Vorzüge des einen Systems werden dabei stets als Vorbild für das andere, ihre Fehler als abschreckendes Mittel wirken. So weit die Güterproduktion und der Handel in privaten Händen, in denen von kleinen und großen Geschäften bleiben, werden sie allerdings immer mehr unter die indirekte Kontrolle der Gesamtheit und des Staates kommen. Diese wird durch die ganze Handels-, Verkehrs-, Social-, Bau-, Markt-, Geld-, Kreditpolitik, wie durch die Thätigkeit der großen staatlichen Wirtschafts- institutionen ausgeübt. Sie entsteht ferner in gewisser Weise dadurch, daß immer mehr die Masse der Bürger Aktien und Anteile von Gesellschaften und Genossenschaften in Händen hat, und daß die organisierten Arbeiter einen gewissen Einfluß auf die Unternehmungen erhalten. Die Verantwortlichkeit und Freiheit der Unternehmer kann und soll dabei aber im ganzen fortbestehen; nur die Schranken sollen ihrer Gewinnsucht gezogen, die Direktiven ihrem Handeln gegeben werden, die im Gesamtinteresse der Nation und ihrer gesunden Entwickelung liegen. Je mehr so ein wirklich großes Unternehmertum entsteht, wird es im Einklang Eine wachsende Vergesellschaftung und Centralisation wird dabei vorhanden sein, So wie die Menschen heute sind und in absehbarer Zeit bleiben, ist die auf Wir mögen unser Beamtentum und seine großen Tugenden, unsere liberalen Berufe Die Unternehmer unter der Kontrolle der Preiſe und dem Drucke der Geſamtintereſſen. teilung nötig wäre, wenn man die Unternehmungen und Kartelle überflüſſig machen wollte.Und daher erſcheint die Verfaſſung der Volkswirtſchaft heute als die normalſte, welche die Bedürfnisbefriedigung, die über die Familienwirtſchaft hinausgeht, zwiſchen den Gebietskörperſchaften und den Unternehmungen teilt, ſo daß beide Syſteme einander ergänzen. Die Vorzüge des einen Syſtems werden dabei ſtets als Vorbild für das andere, ihre Fehler als abſchreckendes Mittel wirken. So weit die Güterproduktion und der Handel in privaten Händen, in denen von kleinen und großen Geſchäften bleiben, werden ſie allerdings immer mehr unter die indirekte Kontrolle der Geſamtheit und des Staates kommen. Dieſe wird durch die ganze Handels-, Verkehrs-, Social-, Bau-, Markt-, Geld-, Kreditpolitik, wie durch die Thätigkeit der großen ſtaatlichen Wirtſchafts- inſtitutionen ausgeübt. Sie entſteht ferner in gewiſſer Weiſe dadurch, daß immer mehr die Maſſe der Bürger Aktien und Anteile von Geſellſchaften und Genoſſenſchaften in Händen hat, und daß die organiſierten Arbeiter einen gewiſſen Einfluß auf die Unternehmungen erhalten. Die Verantwortlichkeit und Freiheit der Unternehmer kann und ſoll dabei aber im ganzen fortbeſtehen; nur die Schranken ſollen ihrer Gewinnſucht gezogen, die Direktiven ihrem Handeln gegeben werden, die im Geſamtintereſſe der Nation und ihrer geſunden Entwickelung liegen. Je mehr ſo ein wirklich großes Unternehmertum entſteht, wird es im Einklang Eine wachſende Vergeſellſchaftung und Centraliſation wird dabei vorhanden ſein, So wie die Menſchen heute ſind und in abſehbarer Zeit bleiben, iſt die auf Wir mögen unſer Beamtentum und ſeine großen Tugenden, unſere liberalen Berufe <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0473" n="457"/><fw place="top" type="header">Die Unternehmer unter der Kontrolle der Preiſe und dem Drucke der Geſamtintereſſen.</fw><lb/> teilung nötig wäre, wenn man die Unternehmungen und Kartelle überflüſſig machen wollte.<lb/> Und daher erſcheint die Verfaſſung der Volkswirtſchaft heute als die normalſte, welche<lb/> die Bedürfnisbefriedigung, die über die Familienwirtſchaft hinausgeht, zwiſchen den<lb/> Gebietskörperſchaften und den Unternehmungen teilt, ſo daß beide Syſteme einander<lb/> ergänzen. 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Nur an gewiſſen oberſten Stellen wird die Geſchäftswelt ſich der Staatsgewalt<lb/> unterordnen müſſen. Soweit Gemeinde und Staat unternehmerartig auftreten, werden<lb/> ſie aber auch am beſten verfahren, wenn ſie ihren Verkehrs-, Kredit-, Verſicherungs-<lb/> anſtalten, ihren eigentlichen Geſchäftsbetrieben eine gewiſſe Selbſtändigkeit gegenüber den<lb/> politiſchen Gewalten geben. Vor allem den Staatseiſenbahnen, den großen Central-<lb/> banken thut das not.</p><lb/> <p>So wie die Menſchen heute ſind und in abſehbarer Zeit bleiben, iſt die auf<lb/> eigene Verantwortung wirtſchaftende, das Riſiko tragende Unternehmung mit den ſie<lb/> bedingenden Inſtitutionen, auch mit all’ ihren Spekulationsſünden, mit all’ ihrer die<lb/> Habſucht ſteigernden Tendenz, mit ihrer ſocialen Wirkung und ihrer Beeinfluſſung<lb/> der Einkommensverteilung doch das notwendige Inſtrument, welches in den ent-<lb/> ſcheidenden Kreiſen das höchſte Maß von wirtſchaftlichen Fähigkeiten, von Fleiß und<lb/> Energie, von techniſchem und organiſatoriſchem Fortſchritt erzeugt. Sie iſt zugleich die<lb/> geſellſchaftliche Form, welche in breiten Schichten diejenige perſönliche Freiheit und<lb/> wirtſchaftliche Unabhängigkeit ermöglicht, die nur der eigene Beſitz, das Vertrauen auf die<lb/> eigene Kraft und auf ſelbſtändige Leiſtungen geben kann.</p><lb/> <p>Wir mögen unſer Beamtentum und ſeine großen Tugenden, unſere liberalen Berufe<lb/> mit ihrem Idealismus, unſer Bauerntum mit ſeinen kernhaften Muskeln und ſchlichten<lb/> Gemütseigenſchaften, unſere aufſtrebende Arbeiterwelt mit ihrem Bildungstrieb, ihrer<lb/> techniſchen Tüchtigkeit, ihrer aufopfernden Vereinsthätigkeit noch ſo hoch ſchätzen, ſie<lb/> bedürfen als Ergänzung der ganz anders gearteten, aber nicht minder wertvollen pſycho-<lb/> logiſchen und geſellſchaftlichen Kräfte der Geſchäftswelt ebenſo, wie dieſe ohne jene<lb/> anderen geſellſchaftlichen Kräfte und Tendenzen nicht glücklich wirken könnte.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </body> </text> </TEI> [457/0473]
Die Unternehmer unter der Kontrolle der Preiſe und dem Drucke der Geſamtintereſſen.
teilung nötig wäre, wenn man die Unternehmungen und Kartelle überflüſſig machen wollte.
Und daher erſcheint die Verfaſſung der Volkswirtſchaft heute als die normalſte, welche
die Bedürfnisbefriedigung, die über die Familienwirtſchaft hinausgeht, zwiſchen den
Gebietskörperſchaften und den Unternehmungen teilt, ſo daß beide Syſteme einander
ergänzen. Die Vorzüge des einen Syſtems werden dabei ſtets als Vorbild für das
andere, ihre Fehler als abſchreckendes Mittel wirken. So weit die Güterproduktion
und der Handel in privaten Händen, in denen von kleinen und großen Geſchäften bleiben,
werden ſie allerdings immer mehr unter die indirekte Kontrolle der Geſamtheit und des
Staates kommen. Dieſe wird durch die ganze Handels-, Verkehrs-, Social-, Bau-,
Markt-, Geld-, Kreditpolitik, wie durch die Thätigkeit der großen ſtaatlichen Wirtſchafts-
inſtitutionen ausgeübt. Sie entſteht ferner in gewiſſer Weiſe dadurch, daß immer mehr die
Maſſe der Bürger Aktien und Anteile von Geſellſchaften und Genoſſenſchaften in Händen
hat, und daß die organiſierten Arbeiter einen gewiſſen Einfluß auf die Unternehmungen
erhalten. Die Verantwortlichkeit und Freiheit der Unternehmer kann und ſoll dabei
aber im ganzen fortbeſtehen; nur die Schranken ſollen ihrer Gewinnſucht gezogen,
die Direktiven ihrem Handeln gegeben werden, die im Geſamtintereſſe der Nation und
ihrer geſunden Entwickelung liegen.
Je mehr ſo ein wirklich großes Unternehmertum entſteht, wird es im Einklang
mit dem Staat und den unteren Klaſſen ſich fühlen können, wird es einſehen, daß man
die Volkswirtſchaft oder den wichtigſten Teil derſelben nicht leiten kann ohne große
öffentliche Pflichten zu erfüllen, ohne daß die großen Unternehmungen — auch ohne
Staatsanſtalten zu ſein — im Geiſte der großen allgemeinen Intereſſen und nicht im
Geiſte habſüchtiger Bereicherung geführt werden müſſen.
Eine wachſende Vergeſellſchaftung und Centraliſation wird dabei vorhanden ſein,
aber nicht in der Art, daß Staat, Gemeinde und Unternehmungen zuſammenfallen,
ſondern in der, daß die reformierte Unternehmungswelt, einſchließlich der Genoſſen-
ſchaften und Kartelle, ſich immer mehr in einheitlichen Spitzen zuſammenfaßt, daß neben
und über ihr die politiſchen Gewalten ebenſo einer zunehmenden Centraliſation unter-
liegen. Nur an gewiſſen oberſten Stellen wird die Geſchäftswelt ſich der Staatsgewalt
unterordnen müſſen. Soweit Gemeinde und Staat unternehmerartig auftreten, werden
ſie aber auch am beſten verfahren, wenn ſie ihren Verkehrs-, Kredit-, Verſicherungs-
anſtalten, ihren eigentlichen Geſchäftsbetrieben eine gewiſſe Selbſtändigkeit gegenüber den
politiſchen Gewalten geben. Vor allem den Staatseiſenbahnen, den großen Central-
banken thut das not.
So wie die Menſchen heute ſind und in abſehbarer Zeit bleiben, iſt die auf
eigene Verantwortung wirtſchaftende, das Riſiko tragende Unternehmung mit den ſie
bedingenden Inſtitutionen, auch mit all’ ihren Spekulationsſünden, mit all’ ihrer die
Habſucht ſteigernden Tendenz, mit ihrer ſocialen Wirkung und ihrer Beeinfluſſung
der Einkommensverteilung doch das notwendige Inſtrument, welches in den ent-
ſcheidenden Kreiſen das höchſte Maß von wirtſchaftlichen Fähigkeiten, von Fleiß und
Energie, von techniſchem und organiſatoriſchem Fortſchritt erzeugt. Sie iſt zugleich die
geſellſchaftliche Form, welche in breiten Schichten diejenige perſönliche Freiheit und
wirtſchaftliche Unabhängigkeit ermöglicht, die nur der eigene Beſitz, das Vertrauen auf die
eigene Kraft und auf ſelbſtändige Leiſtungen geben kann.
Wir mögen unſer Beamtentum und ſeine großen Tugenden, unſere liberalen Berufe
mit ihrem Idealismus, unſer Bauerntum mit ſeinen kernhaften Muskeln und ſchlichten
Gemütseigenſchaften, unſere aufſtrebende Arbeiterwelt mit ihrem Bildungstrieb, ihrer
techniſchen Tüchtigkeit, ihrer aufopfernden Vereinsthätigkeit noch ſo hoch ſchätzen, ſie
bedürfen als Ergänzung der ganz anders gearteten, aber nicht minder wertvollen pſycho-
logiſchen und geſellſchaftlichen Kräfte der Geſchäftswelt ebenſo, wie dieſe ohne jene
anderen geſellſchaftlichen Kräfte und Tendenzen nicht glücklich wirken könnte.
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