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Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900.

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Die neuere Arbeitsteilung der Betriebe. Die Arbeitszerlegung in ihnen.
Arten von Betrieben; mögen von dieser Zahl vielleicht 100--200 abzuziehen sein wegen
Doppelbenennung, wie Messerschmiede und Messerfabrikanten, auch der Rest der Zahl
und noch mehr die Einzelheiten, aus denen sie erwächst, zeigen doch, welch' erstaunliche
Arbeitsteilung heute zwischen den Betrieben stattfindet. Die Verarbeitung von Metall-
legierungen zählt 112, die Nadler- und Drahtwarenverfertigung 57, die Verfertigung
von Spinn- und Webmaschinen 73, die Maschinenherstellung 239, die Verfertigung
musikalischer Instrumente 53 Specialitäten von Geschäftsarten. Und dabei ist die
Unterscheidung noch nicht so weitgehend, wie sie sein könnte und da und dort ist.
Die Uhrmacherei ist mit 33 Geschäftsarten angeführt, während man in La Chaux de
Fonds
schon früher 53, in England 102 Specialitäten zählte. Die Spielwaren aus
Metall bilden nur eine Nummer, während in dieser Branche die Geschäfte, welche
verschiedene Soldätchen, verschiedene Wägelchen etc. anfertigen, noch in eine Reihe von
Arten unterschieden werden könnten.

Das Verzeichnis kann uns belehren, wie selbst unsere alten einfachsten Gewerbe
sich geteilt haben: die gewöhnlichen Gärtner zerfallen heute in Rosen-, Kamelien-,
Blumenzwiebelzüchter, Obstbaumzüchter, Samenzüchter, Baumschuleninhaber, dann in
Anlagen- und Landschaftsgärtner, in städtische Verkäufer und Kranzbinder. Die Gerberei
und Lederfabrikation zerfällt in 40--50 Specialitäten; die Buchbinder- und Cartonnage-
fabrikation in noch erheblich mehr. Auch die Bäcker und Fleischer sind in den größeren
Städten in eine ganze Reihe besonderer Gewerbszweige gespalten. Die Herstellung von
Fleischkonserven, Würsten, Pasteten, Tafelbouillon, die Geflügelmästung, die Pökelei und
Räucherei, die Schmalzsiederei ist zu besonderen Geschäften geworden. Viehhändler und
Importfirmen, Viehmakler, Groß- und Kleinschlächter, Fleischlieferanten für große
Anstalten, Fleischwarenverkäufer, Eingeweidehändler, ambulante und stehende Kochläden
treten in den Großstädten neben einander auf. Die neueste Gewerbezählung von 1895
hat noch viel weitere Unterschiede in der Betriebsscheidung nachgewiesen als die
von 1882.

Je mehr aus technischen und organisatorischen Gründen häufig jetzt in Riesen-
unternehmungen die früher meist getrennte Spinnerei, Weberei und Färberei vereinigt,
das Erz- und Kohlenbergwerk mit Hochöfen, Gießerei, Walzwerk und Eisenverarbeitung,
ja mit Waggonfabrik verbunden ist, desto mehr könnte man vermuten, daß die Zahl
der Betriebsarten durch Zusammenlegung abnehme. Aber das ist in den meisten
Branchen nicht der Fall. Es besteht wohl eine ebenso große Tendenz der Hinaus-
verlegung von Teilprozessen in besondere Betriebe.

Daneben steht nun die Arbeitszerlegung in der vergrößerten Werkstätte,
wie sie vom 16. und 17. Jahrhundert an begann; schon wenn man statt zwei zehn und
zwanzig Webstühle in einem Raume aufstellte, noch mehr, wenn man den Stellmacher,
Tischler, Polsterer, Glaser, Lackierer und Vergolder zur Wagenfabrikation unter einem
Dache vereinigte, war es natürlich, daß man nicht mehr, wie im Handwerk, jeden alles
machen ließ, sondern die Mitwirkenden nach Alter, Kraft, Geschicklichkeit einteilte, jeden
ausschließlich mit dem beschäftigte, wozu er am geschicktesten war. Man hatte mit dieser
Einteilung zugleich den Vorteil, Kinder, Frauen, alte Leute besser verwenden und
beschäftigen zu können; eine größere Specialisierung der Werkzeuge trat ein; ein sichereres
und schnelleres Ineinandergreifen der Teiloperationen war möglich. Es war zugleich
eine Scheidung aller mitwirkenden Personen in höhere, mittlere und untere, in hoch
und gering bezahlte Kräfte. Es ist die Arbeitsteilung, die Adam Smith durch die
18 Operationen der Stecknadel-, Say durch die 70 der Spielkartenfabrikation illustriert,
die Karl Marx als die Arbeitsteilung der Manufakturperiode bezeichnet. Sie herrscht
aber auch in der heutigen Fabrik, in der Zwischenmeisterwerkstatt der heutigen Haus-
industrie, ja in der Heimarbeit, die gerade neuerdings ihre Produkte dadurch am meisten
verbilligt hat, daß sie an dieselbe Person immer nur die gleiche Specialarbeit, z. B. das
Nähen von Kinderschürzen oder Jacken, ausgiebt, aber die Knopflöcher, das Bügeln und
alle etwas feineren sonstigen, von der gleichmäßigen Näharbeit abweichenden Operationen
durch besondere Teilarbeiter machen läßt.

Die neuere Arbeitsteilung der Betriebe. Die Arbeitszerlegung in ihnen.
Arten von Betrieben; mögen von dieſer Zahl vielleicht 100—200 abzuziehen ſein wegen
Doppelbenennung, wie Meſſerſchmiede und Meſſerfabrikanten, auch der Reſt der Zahl
und noch mehr die Einzelheiten, aus denen ſie erwächſt, zeigen doch, welch’ erſtaunliche
Arbeitsteilung heute zwiſchen den Betrieben ſtattfindet. Die Verarbeitung von Metall-
legierungen zählt 112, die Nadler- und Drahtwarenverfertigung 57, die Verfertigung
von Spinn- und Webmaſchinen 73, die Maſchinenherſtellung 239, die Verfertigung
muſikaliſcher Inſtrumente 53 Specialitäten von Geſchäftsarten. Und dabei iſt die
Unterſcheidung noch nicht ſo weitgehend, wie ſie ſein könnte und da und dort iſt.
Die Uhrmacherei iſt mit 33 Geſchäftsarten angeführt, während man in La Chaux de
Fonds
ſchon früher 53, in England 102 Specialitäten zählte. Die Spielwaren aus
Metall bilden nur eine Nummer, während in dieſer Branche die Geſchäfte, welche
verſchiedene Soldätchen, verſchiedene Wägelchen ꝛc. anfertigen, noch in eine Reihe von
Arten unterſchieden werden könnten.

Das Verzeichnis kann uns belehren, wie ſelbſt unſere alten einfachſten Gewerbe
ſich geteilt haben: die gewöhnlichen Gärtner zerfallen heute in Roſen-, Kamelien-,
Blumenzwiebelzüchter, Obſtbaumzüchter, Samenzüchter, Baumſchuleninhaber, dann in
Anlagen- und Landſchaftsgärtner, in ſtädtiſche Verkäufer und Kranzbinder. Die Gerberei
und Lederfabrikation zerfällt in 40—50 Specialitäten; die Buchbinder- und Cartonnage-
fabrikation in noch erheblich mehr. Auch die Bäcker und Fleiſcher ſind in den größeren
Städten in eine ganze Reihe beſonderer Gewerbszweige geſpalten. Die Herſtellung von
Fleiſchkonſerven, Würſten, Paſteten, Tafelbouillon, die Geflügelmäſtung, die Pökelei und
Räucherei, die Schmalzſiederei iſt zu beſonderen Geſchäften geworden. Viehhändler und
Importfirmen, Viehmakler, Groß- und Kleinſchlächter, Fleiſchlieferanten für große
Anſtalten, Fleiſchwarenverkäufer, Eingeweidehändler, ambulante und ſtehende Kochläden
treten in den Großſtädten neben einander auf. Die neueſte Gewerbezählung von 1895
hat noch viel weitere Unterſchiede in der Betriebsſcheidung nachgewieſen als die
von 1882.

Je mehr aus techniſchen und organiſatoriſchen Gründen häufig jetzt in Rieſen-
unternehmungen die früher meiſt getrennte Spinnerei, Weberei und Färberei vereinigt,
das Erz- und Kohlenbergwerk mit Hochöfen, Gießerei, Walzwerk und Eiſenverarbeitung,
ja mit Waggonfabrik verbunden iſt, deſto mehr könnte man vermuten, daß die Zahl
der Betriebsarten durch Zuſammenlegung abnehme. Aber das iſt in den meiſten
Branchen nicht der Fall. Es beſteht wohl eine ebenſo große Tendenz der Hinaus-
verlegung von Teilprozeſſen in beſondere Betriebe.

Daneben ſteht nun die Arbeitszerlegung in der vergrößerten Werkſtätte,
wie ſie vom 16. und 17. Jahrhundert an begann; ſchon wenn man ſtatt zwei zehn und
zwanzig Webſtühle in einem Raume aufſtellte, noch mehr, wenn man den Stellmacher,
Tiſchler, Polſterer, Glaſer, Lackierer und Vergolder zur Wagenfabrikation unter einem
Dache vereinigte, war es natürlich, daß man nicht mehr, wie im Handwerk, jeden alles
machen ließ, ſondern die Mitwirkenden nach Alter, Kraft, Geſchicklichkeit einteilte, jeden
ausſchließlich mit dem beſchäftigte, wozu er am geſchickteſten war. Man hatte mit dieſer
Einteilung zugleich den Vorteil, Kinder, Frauen, alte Leute beſſer verwenden und
beſchäftigen zu können; eine größere Specialiſierung der Werkzeuge trat ein; ein ſichereres
und ſchnelleres Ineinandergreifen der Teiloperationen war möglich. Es war zugleich
eine Scheidung aller mitwirkenden Perſonen in höhere, mittlere und untere, in hoch
und gering bezahlte Kräfte. Es iſt die Arbeitsteilung, die Adam Smith durch die
18 Operationen der Stecknadel-, Say durch die 70 der Spielkartenfabrikation illuſtriert,
die Karl Marx als die Arbeitsteilung der Manufakturperiode bezeichnet. Sie herrſcht
aber auch in der heutigen Fabrik, in der Zwiſchenmeiſterwerkſtatt der heutigen Haus-
induſtrie, ja in der Heimarbeit, die gerade neuerdings ihre Produkte dadurch am meiſten
verbilligt hat, daß ſie an dieſelbe Perſon immer nur die gleiche Specialarbeit, z. B. das
Nähen von Kinderſchürzen oder Jacken, ausgiebt, aber die Knopflöcher, das Bügeln und
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durch beſondere Teilarbeiter machen läßt.

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[351/0367] Die neuere Arbeitsteilung der Betriebe. Die Arbeitszerlegung in ihnen. Arten von Betrieben; mögen von dieſer Zahl vielleicht 100—200 abzuziehen ſein wegen Doppelbenennung, wie Meſſerſchmiede und Meſſerfabrikanten, auch der Reſt der Zahl und noch mehr die Einzelheiten, aus denen ſie erwächſt, zeigen doch, welch’ erſtaunliche Arbeitsteilung heute zwiſchen den Betrieben ſtattfindet. Die Verarbeitung von Metall- legierungen zählt 112, die Nadler- und Drahtwarenverfertigung 57, die Verfertigung von Spinn- und Webmaſchinen 73, die Maſchinenherſtellung 239, die Verfertigung muſikaliſcher Inſtrumente 53 Specialitäten von Geſchäftsarten. Und dabei iſt die Unterſcheidung noch nicht ſo weitgehend, wie ſie ſein könnte und da und dort iſt. Die Uhrmacherei iſt mit 33 Geſchäftsarten angeführt, während man in La Chaux de Fonds ſchon früher 53, in England 102 Specialitäten zählte. Die Spielwaren aus Metall bilden nur eine Nummer, während in dieſer Branche die Geſchäfte, welche verſchiedene Soldätchen, verſchiedene Wägelchen ꝛc. anfertigen, noch in eine Reihe von Arten unterſchieden werden könnten. Das Verzeichnis kann uns belehren, wie ſelbſt unſere alten einfachſten Gewerbe ſich geteilt haben: die gewöhnlichen Gärtner zerfallen heute in Roſen-, Kamelien-, Blumenzwiebelzüchter, Obſtbaumzüchter, Samenzüchter, Baumſchuleninhaber, dann in Anlagen- und Landſchaftsgärtner, in ſtädtiſche Verkäufer und Kranzbinder. Die Gerberei und Lederfabrikation zerfällt in 40—50 Specialitäten; die Buchbinder- und Cartonnage- fabrikation in noch erheblich mehr. Auch die Bäcker und Fleiſcher ſind in den größeren Städten in eine ganze Reihe beſonderer Gewerbszweige geſpalten. Die Herſtellung von Fleiſchkonſerven, Würſten, Paſteten, Tafelbouillon, die Geflügelmäſtung, die Pökelei und Räucherei, die Schmalzſiederei iſt zu beſonderen Geſchäften geworden. Viehhändler und Importfirmen, Viehmakler, Groß- und Kleinſchlächter, Fleiſchlieferanten für große Anſtalten, Fleiſchwarenverkäufer, Eingeweidehändler, ambulante und ſtehende Kochläden treten in den Großſtädten neben einander auf. Die neueſte Gewerbezählung von 1895 hat noch viel weitere Unterſchiede in der Betriebsſcheidung nachgewieſen als die von 1882. Je mehr aus techniſchen und organiſatoriſchen Gründen häufig jetzt in Rieſen- unternehmungen die früher meiſt getrennte Spinnerei, Weberei und Färberei vereinigt, das Erz- und Kohlenbergwerk mit Hochöfen, Gießerei, Walzwerk und Eiſenverarbeitung, ja mit Waggonfabrik verbunden iſt, deſto mehr könnte man vermuten, daß die Zahl der Betriebsarten durch Zuſammenlegung abnehme. Aber das iſt in den meiſten Branchen nicht der Fall. Es beſteht wohl eine ebenſo große Tendenz der Hinaus- verlegung von Teilprozeſſen in beſondere Betriebe. Daneben ſteht nun die Arbeitszerlegung in der vergrößerten Werkſtätte, wie ſie vom 16. und 17. Jahrhundert an begann; ſchon wenn man ſtatt zwei zehn und zwanzig Webſtühle in einem Raume aufſtellte, noch mehr, wenn man den Stellmacher, Tiſchler, Polſterer, Glaſer, Lackierer und Vergolder zur Wagenfabrikation unter einem Dache vereinigte, war es natürlich, daß man nicht mehr, wie im Handwerk, jeden alles machen ließ, ſondern die Mitwirkenden nach Alter, Kraft, Geſchicklichkeit einteilte, jeden ausſchließlich mit dem beſchäftigte, wozu er am geſchickteſten war. Man hatte mit dieſer Einteilung zugleich den Vorteil, Kinder, Frauen, alte Leute beſſer verwenden und beſchäftigen zu können; eine größere Specialiſierung der Werkzeuge trat ein; ein ſichereres und ſchnelleres Ineinandergreifen der Teiloperationen war möglich. Es war zugleich eine Scheidung aller mitwirkenden Perſonen in höhere, mittlere und untere, in hoch und gering bezahlte Kräfte. Es iſt die Arbeitsteilung, die Adam Smith durch die 18 Operationen der Stecknadel-, Say durch die 70 der Spielkartenfabrikation illuſtriert, die Karl Marx als die Arbeitsteilung der Manufakturperiode bezeichnet. Sie herrſcht aber auch in der heutigen Fabrik, in der Zwiſchenmeiſterwerkſtatt der heutigen Haus- induſtrie, ja in der Heimarbeit, die gerade neuerdings ihre Produkte dadurch am meiſten verbilligt hat, daß ſie an dieſelbe Perſon immer nur die gleiche Specialarbeit, z. B. das Nähen von Kinderſchürzen oder Jacken, ausgiebt, aber die Knopflöcher, das Bügeln und alle etwas feineren ſonſtigen, von der gleichmäßigen Näharbeit abweichenden Operationen durch beſondere Teilarbeiter machen läßt.

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_grundriss01_1900/367>, abgerufen am 22.11.2024.