Zweites Buch. Die gesellschaftliche Verfassung der Volkswirtschaft.
Maße wie früher allein oder in Genossenschaft sich eine Stellung in fremden Ländern zu erkämpfen; Derartiges nahm ihm, wenigstens teilweise, die Staatsgewalt ab. Selbst die Warenlagerung und das Vorrätehalten ging teilweise auf besondere Geschäfte und Organisationen, wie die öffentlichen Lagerhäuser, über; das Spekulieren, das Ein- und Verkaufen auf der Börse, durch den reisenden Commis, durch Korrespondenz trat in den Vordergrund der großen, das Ladengeschäft in den Vordergrund der kleinen Geschäfte.
Aber weder damit, noch mit der Scheidung der Handels- von den Verkehrs- geschäften und -organen, noch mit der Ausbildung der besonderen Kredithändler, der Banken ist die neuere Arbeitsteilung im Handel und Verkehr erschöpft, die Stellung des neueren Händlertums charakterisiert. Man wird sagen können, vom 15. und 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart habe der Handelsstand erst seine selbständige höhere Ausbildung und Teilung erreicht, sei er erst der Beherrscher und Organisator der Volks- wirtschaft geworden. Erst von da an hat die Gütercirkulation, der Absatz, die inter- lokale und internationale Teilung der Arbeit so zugenommen, daß sie überall des Handels und seiner Teilorgane bedurfte. Erst jetzt entstand für einzelne Handwerks- waren ein Absatz in die Ferne durch den Kaufmann; der Handel schuf die Hausindustrie, wie er später hauptsächlich die Großunternehmung ins Leben rief. Wir werden unten darauf zurückzukommen haben, daß die ganze Unternehmung wesentlich durch den Gewinn auf dem Markte, durch den Handel und den Kaufmann entstand. Die großen Messen gehören der Zeit von 1500--1800, die größeren Börsen der von 1800--1900 an. Beide sind Ergebnisse des Handels. Die ganze privatwirtschaftliche, spekulative Seite der heutigen Volkswirtschaft hängt am Handel, liegt in den Händen der Kaufleute, ist von der arbeitsteiligen Handels- und Verkehrsorganisation abhängig, welche sich immer einflußreicher, komplizierter gestaltet hat; sie beherrscht Industrie und Landwirtschaft, den großen Teil der wirtschaftlichen Produktion und die Verteilungsgeschäfte, welche die Güter den einzelnen zuführen.
Allerdings zeigen die Handels-, Versicherungs-, Verkehrs- und Beherbergungs- gewerbe in unserer heutigen Berufs- und Gewerbestatistik entfernt nicht die Speciali- sierung wie die Industrie. Aber in der deutschen Zählung von 1882 sind doch für den Handel mit Tieren 32, mit landwirtschaftlichen Produkten 121, mit Brennmaterialien 33, mit Metallen 51, mit Kolonial-, Eß- und Trinkwaren 121, mit Schnittwaren 126, mit Kurz- und Galanteriewaren 51 Specialitäten von Geschäften verzeichnet. Die Anpassung der Verkaufsgeschäfte an die Bedürfnisse der verschiedenen Klassen und Orte hat Magazine und Läden jeder Art, von den kleinsten bis zu den Riesenbazaren geschaffen. Die ver- schiedensten Formen des Verkaufs stehen nebeneinander: Hausierbetrieb, Wochen-, Jahr- markts-, Markthallenverkauf, Auktionsgeschäfte, Wander- und stehende städtische Verkaufs- lager. Die Linien zwischen Produktion und Konsumtion werden durch Makler, Agenten, Kommissionäre, Groß- und Kleinhändler aller Art verlängert. Und so sehr an vielen Stellen die Zunahme und Verbesserung der Verkehrsmittel früher notwendige Mittel- glieder des Handels ausmerzt, da und dort entstehen wieder neue. Und jedenfalls ist die Macht und der Einfluß des Händlertums immer noch eher im Wachsen, so ver- schiedenartig Stellung und Einfluß der Elemente sind.
Die kleinen Ladenhalter, Höker, Hausierer, das Personal der Markthelfer, Packer, Träger, Dienstmänner, das subalterne Personal aller Verkehrsanstalten steht mit dem gelernten und ungelernten Arbeiter auf einer Stufe, die kleinen Ladengeschäfte mit dem Handwerker, die großen Ladengeschäfte rechnen zum höheren Mittelstande; ihre Tausende von Commis und sonstigen Gehülfen gehören teils ihm, teils dem höheren Arbeiterstande an. Über all' dem stehen die höhere Geschäftswelt, die Großhändler, die Direktoren und Leiter der Aktiengesellschaften, Kartelle, Banken und ähnlicher Geschäfte; sie bilden die Spitze der kaufmännischen Welt. Sie werden nicht mehr Fürsten, wie einst die Medici oder heute noch glückliche arabische Händler in Afrika, aber sie über- ragen an Reichtum, Macht und Einfluß doch da und dort alle anderen Kreise der Gesellschaft, beherrschen in einzelnen Staaten Regierung und Verwaltung nicht minder als einst in Karthago, Venedig und Florenz. Nur wo eine alte, starke Monarchie, eine
Zweites Buch. Die geſellſchaftliche Verfaſſung der Volkswirtſchaft.
Maße wie früher allein oder in Genoſſenſchaft ſich eine Stellung in fremden Ländern zu erkämpfen; Derartiges nahm ihm, wenigſtens teilweiſe, die Staatsgewalt ab. Selbſt die Warenlagerung und das Vorrätehalten ging teilweiſe auf beſondere Geſchäfte und Organiſationen, wie die öffentlichen Lagerhäuſer, über; das Spekulieren, das Ein- und Verkaufen auf der Börſe, durch den reiſenden Commis, durch Korreſpondenz trat in den Vordergrund der großen, das Ladengeſchäft in den Vordergrund der kleinen Geſchäfte.
Aber weder damit, noch mit der Scheidung der Handels- von den Verkehrs- geſchäften und -organen, noch mit der Ausbildung der beſonderen Kredithändler, der Banken iſt die neuere Arbeitsteilung im Handel und Verkehr erſchöpft, die Stellung des neueren Händlertums charakteriſiert. Man wird ſagen können, vom 15. und 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart habe der Handelsſtand erſt ſeine ſelbſtändige höhere Ausbildung und Teilung erreicht, ſei er erſt der Beherrſcher und Organiſator der Volks- wirtſchaft geworden. Erſt von da an hat die Gütercirkulation, der Abſatz, die inter- lokale und internationale Teilung der Arbeit ſo zugenommen, daß ſie überall des Handels und ſeiner Teilorgane bedurfte. Erſt jetzt entſtand für einzelne Handwerks- waren ein Abſatz in die Ferne durch den Kaufmann; der Handel ſchuf die Hausinduſtrie, wie er ſpäter hauptſächlich die Großunternehmung ins Leben rief. Wir werden unten darauf zurückzukommen haben, daß die ganze Unternehmung weſentlich durch den Gewinn auf dem Markte, durch den Handel und den Kaufmann entſtand. Die großen Meſſen gehören der Zeit von 1500—1800, die größeren Börſen der von 1800—1900 an. Beide ſind Ergebniſſe des Handels. Die ganze privatwirtſchaftliche, ſpekulative Seite der heutigen Volkswirtſchaft hängt am Handel, liegt in den Händen der Kaufleute, iſt von der arbeitsteiligen Handels- und Verkehrsorganiſation abhängig, welche ſich immer einflußreicher, komplizierter geſtaltet hat; ſie beherrſcht Induſtrie und Landwirtſchaft, den großen Teil der wirtſchaftlichen Produktion und die Verteilungsgeſchäfte, welche die Güter den einzelnen zuführen.
Allerdings zeigen die Handels-, Verſicherungs-, Verkehrs- und Beherbergungs- gewerbe in unſerer heutigen Berufs- und Gewerbeſtatiſtik entfernt nicht die Speciali- ſierung wie die Induſtrie. Aber in der deutſchen Zählung von 1882 ſind doch für den Handel mit Tieren 32, mit landwirtſchaftlichen Produkten 121, mit Brennmaterialien 33, mit Metallen 51, mit Kolonial-, Eß- und Trinkwaren 121, mit Schnittwaren 126, mit Kurz- und Galanteriewaren 51 Specialitäten von Geſchäften verzeichnet. Die Anpaſſung der Verkaufsgeſchäfte an die Bedürfniſſe der verſchiedenen Klaſſen und Orte hat Magazine und Läden jeder Art, von den kleinſten bis zu den Rieſenbazaren geſchaffen. Die ver- ſchiedenſten Formen des Verkaufs ſtehen nebeneinander: Hauſierbetrieb, Wochen-, Jahr- markts-, Markthallenverkauf, Auktionsgeſchäfte, Wander- und ſtehende ſtädtiſche Verkaufs- lager. Die Linien zwiſchen Produktion und Konſumtion werden durch Makler, Agenten, Kommiſſionäre, Groß- und Kleinhändler aller Art verlängert. Und ſo ſehr an vielen Stellen die Zunahme und Verbeſſerung der Verkehrsmittel früher notwendige Mittel- glieder des Handels ausmerzt, da und dort entſtehen wieder neue. Und jedenfalls iſt die Macht und der Einfluß des Händlertums immer noch eher im Wachſen, ſo ver- ſchiedenartig Stellung und Einfluß der Elemente ſind.
Die kleinen Ladenhalter, Höker, Hauſierer, das Perſonal der Markthelfer, Packer, Träger, Dienſtmänner, das ſubalterne Perſonal aller Verkehrsanſtalten ſteht mit dem gelernten und ungelernten Arbeiter auf einer Stufe, die kleinen Ladengeſchäfte mit dem Handwerker, die großen Ladengeſchäfte rechnen zum höheren Mittelſtande; ihre Tauſende von Commis und ſonſtigen Gehülfen gehören teils ihm, teils dem höheren Arbeiterſtande an. Über all’ dem ſtehen die höhere Geſchäftswelt, die Großhändler, die Direktoren und Leiter der Aktiengeſellſchaften, Kartelle, Banken und ähnlicher Geſchäfte; ſie bilden die Spitze der kaufmänniſchen Welt. Sie werden nicht mehr Fürſten, wie einſt die Medici oder heute noch glückliche arabiſche Händler in Afrika, aber ſie über- ragen an Reichtum, Macht und Einfluß doch da und dort alle anderen Kreiſe der Geſellſchaft, beherrſchen in einzelnen Staaten Regierung und Verwaltung nicht minder als einſt in Karthago, Venedig und Florenz. Nur wo eine alte, ſtarke Monarchie, eine
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Zweites Buch. Die geſellſchaftliche Verfaſſung der Volkswirtſchaft.
Maße wie früher allein oder in Genoſſenſchaft ſich eine Stellung in fremden Ländern
zu erkämpfen; Derartiges nahm ihm, wenigſtens teilweiſe, die Staatsgewalt ab. Selbſt
die Warenlagerung und das Vorrätehalten ging teilweiſe auf beſondere Geſchäfte und
Organiſationen, wie die öffentlichen Lagerhäuſer, über; das Spekulieren, das Ein- und
Verkaufen auf der Börſe, durch den reiſenden Commis, durch Korreſpondenz trat in den
Vordergrund der großen, das Ladengeſchäft in den Vordergrund der kleinen Geſchäfte.
Aber weder damit, noch mit der Scheidung der Handels- von den Verkehrs-
geſchäften und -organen, noch mit der Ausbildung der beſonderen Kredithändler, der
Banken iſt die neuere Arbeitsteilung im Handel und Verkehr erſchöpft, die Stellung
des neueren Händlertums charakteriſiert. Man wird ſagen können, vom 15. und
16. Jahrhundert bis zur Gegenwart habe der Handelsſtand erſt ſeine ſelbſtändige höhere
Ausbildung und Teilung erreicht, ſei er erſt der Beherrſcher und Organiſator der Volks-
wirtſchaft geworden. Erſt von da an hat die Gütercirkulation, der Abſatz, die inter-
lokale und internationale Teilung der Arbeit ſo zugenommen, daß ſie überall des
Handels und ſeiner Teilorgane bedurfte. Erſt jetzt entſtand für einzelne Handwerks-
waren ein Abſatz in die Ferne durch den Kaufmann; der Handel ſchuf die Hausinduſtrie,
wie er ſpäter hauptſächlich die Großunternehmung ins Leben rief. Wir werden unten
darauf zurückzukommen haben, daß die ganze Unternehmung weſentlich durch den Gewinn
auf dem Markte, durch den Handel und den Kaufmann entſtand. Die großen Meſſen
gehören der Zeit von 1500—1800, die größeren Börſen der von 1800—1900 an.
Beide ſind Ergebniſſe des Handels. Die ganze privatwirtſchaftliche, ſpekulative Seite
der heutigen Volkswirtſchaft hängt am Handel, liegt in den Händen der Kaufleute, iſt
von der arbeitsteiligen Handels- und Verkehrsorganiſation abhängig, welche ſich immer
einflußreicher, komplizierter geſtaltet hat; ſie beherrſcht Induſtrie und Landwirtſchaft,
den großen Teil der wirtſchaftlichen Produktion und die Verteilungsgeſchäfte, welche die
Güter den einzelnen zuführen.
Allerdings zeigen die Handels-, Verſicherungs-, Verkehrs- und Beherbergungs-
gewerbe in unſerer heutigen Berufs- und Gewerbeſtatiſtik entfernt nicht die Speciali-
ſierung wie die Induſtrie. Aber in der deutſchen Zählung von 1882 ſind doch für den
Handel mit Tieren 32, mit landwirtſchaftlichen Produkten 121, mit Brennmaterialien 33,
mit Metallen 51, mit Kolonial-, Eß- und Trinkwaren 121, mit Schnittwaren 126, mit
Kurz- und Galanteriewaren 51 Specialitäten von Geſchäften verzeichnet. Die Anpaſſung
der Verkaufsgeſchäfte an die Bedürfniſſe der verſchiedenen Klaſſen und Orte hat Magazine
und Läden jeder Art, von den kleinſten bis zu den Rieſenbazaren geſchaffen. Die ver-
ſchiedenſten Formen des Verkaufs ſtehen nebeneinander: Hauſierbetrieb, Wochen-, Jahr-
markts-, Markthallenverkauf, Auktionsgeſchäfte, Wander- und ſtehende ſtädtiſche Verkaufs-
lager. Die Linien zwiſchen Produktion und Konſumtion werden durch Makler, Agenten,
Kommiſſionäre, Groß- und Kleinhändler aller Art verlängert. Und ſo ſehr an vielen
Stellen die Zunahme und Verbeſſerung der Verkehrsmittel früher notwendige Mittel-
glieder des Handels ausmerzt, da und dort entſtehen wieder neue. Und jedenfalls iſt
die Macht und der Einfluß des Händlertums immer noch eher im Wachſen, ſo ver-
ſchiedenartig Stellung und Einfluß der Elemente ſind.
Die kleinen Ladenhalter, Höker, Hauſierer, das Perſonal der Markthelfer, Packer,
Träger, Dienſtmänner, das ſubalterne Perſonal aller Verkehrsanſtalten ſteht mit dem
gelernten und ungelernten Arbeiter auf einer Stufe, die kleinen Ladengeſchäfte mit
dem Handwerker, die großen Ladengeſchäfte rechnen zum höheren Mittelſtande; ihre
Tauſende von Commis und ſonſtigen Gehülfen gehören teils ihm, teils dem höheren
Arbeiterſtande an. Über all’ dem ſtehen die höhere Geſchäftswelt, die Großhändler, die
Direktoren und Leiter der Aktiengeſellſchaften, Kartelle, Banken und ähnlicher Geſchäfte;
ſie bilden die Spitze der kaufmänniſchen Welt. Sie werden nicht mehr Fürſten, wie
einſt die Medici oder heute noch glückliche arabiſche Händler in Afrika, aber ſie über-
ragen an Reichtum, Macht und Einfluß doch da und dort alle anderen Kreiſe der
Geſellſchaft, beherrſchen in einzelnen Staaten Regierung und Verwaltung nicht minder
als einſt in Karthago, Venedig und Florenz. Nur wo eine alte, ſtarke Monarchie, eine
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Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_grundriss01_1900/352>, abgerufen am 16.02.2025.
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