Die städtischen Wirtschaftsinstitutionen und der städtische Haushalt.
"Der Stadt gemein Gut" bestand ursprünglich wie im Dorfe, aus Allmenden, Weiden, Wäldern, Wegen, Fischwassern, öffentlichen Plätzen. Teilweise hatte in älterer Zeit der Stadtherr die Hand darauf gelegt; er hatte ursprünglich auch teilweise die Stadtmauern, das Kaufhaus und Ähnliches gebaut; aber später sehen wir diesen großen, alles städtische Leben beherrschenden Grundbesitz, wie die Allmende, die Mauern, die Thore, das Kaufhaus, meist auch die Kirchen in der Hand der Stadt oder des Rates selbst. Der Rat muß jetzt auch für die Verteidigung durch Wall und Graben, durch die Wachttürme an der Landwehr sorgen und nimmt dazu die Geld- und persönlichen Kräfte der Stadt in Anspruch. Wie im Altertume ist der "Stadt Bau" lange die wichtigste Ausgabe.
Zunächst hatte der Stadtrat in den alten Gewohnheiten der örtlichen Genossen- schaft die beste Stütze für eine billige Verwaltung. Wie das Patriciat im Stadtrate ohne Bezahlung der Stadt diente, so mußte der Bürger Kriegsreisen und Nachtwachen thun, seinen Harnisch, die Reichen ihre Pferde für den Kriegsfall halten, bei Feuers- und Wassersnot unentgeltliche Hülfe leisten, auch Baudienste für Unterhalt der Straßen, der Mauern thun, in allen möglichen lokalen Ämtern ohne Entschädigung dienen. Und wenn da und dort schon Gebühren und Entschädigungen bezahlt wurden, wenn die Dienste, je komplizierter die Stadtverwaltung wurde, desto häufiger als nicht ausreichend, als unzukömmlich sich erwiesen, die ganze, in der Stadt weiter als im Dorfe ausgebildete, unbezahlte persönliche Naturaldienstverfassung hatte das Gute, in jedem Bürger die Einsicht in die Notwendigkeiten des Gemeindelebens und den Gemeinsinn zu steigern.
Und während dieses billige System nun noch in voller Wirksamkeit war, ermög- lichte der zunächst auf die Städte beschränkte Geld- und Kreditverkehr eine neue Art, die Gesamtinteressen mächtig zu fördern, Diener und Kriegsleute zu besolden. Beiträge an Naturalien und Geld für den König oder Stadtherrn, wohl hauptsächlich als Ersatz für persönliche, besonders für Kriegsdienste, bestanden in den deutschen Städten, ehe die städtischen Räte diese Abgaben dann im 12. und 13. Jahrhundert für sich erhoben und zu städtischen Vermögenssteuern weiterbildeten. Als diese nicht mehr ausreichten, kamen die Ungelder auf Wein, Bier und Mehl, die Gebühren für Benutzung der städtischen Einrichtungen hinzu, verdrängten teilweise die Vermögenssteuern, die nur in Jahren außerordentlichen Bedürfnisses noch erhoben wurden. Und so sehr mit dem Durchdringen dieser Geldsteuerwirtschaft die Städte leistungsfähiger wurden, die Ausgaben von Jahr zu Jahr waren doch so ungleichmäßig, daß nur die Städte, deren Ansehen groß genug war, um Schulden machen zu können, sich den Weg zu immer höherer Machtstellung offen hielten. Vom 13. Jahrhundert an bis ins 16. entwickelt sich dieser städtische Kredit so, daß jeder in der Stadt, der überflüssiges Kapital hat, es der Stadt anbietet, die es gegen Leibrenten oder Ewigzins annimmt, damit große Barvorräte sammelt, oft solche, die eine Jahreseinnahme übersteigen. Mit diesen großen Barvorräten wurde der Rat aber auch zu großen politischen Aktionen, Kriegen, Bündnissen, Bauten, zum Er- werbe von Dörfern und Herrschaften in ganz anderer Weise als früher befähigt. Die früher mäßige Vermögensverwaltung steigerte sich dadurch da und dort außer- ordentlich: der Besitz der Dörfer und Herrschaften, die große Kreditverwaltung, der städtische Bau-, Ziegel-, Kalkhof mit seinen Pferden und Personal, von wo aus die Errichtung und Unterhaltung der Kirchen, Schulen, Rathäuser, Straßen, Brücken, Brunnen, Quais, Kaufhäuser, Mühlen, Kranken- und Schlachthäuser besorgt wurde, gaben schon genug zu thun. Und dazu kamen nun noch die städtischen Getreidespeicher und Zeughäuser, die Beschaffung von Kanonen und Waffen. Wenn es nötig schien, nahm der Rat den Salz- und den Weinverkauf in die Hand. Kurz, die Ausdehnung der wirtschaftlichen Thätigkeit des Rates war eine sehr große.
Natürlich wuchsen auch entsprechend die Mißbräuche, die Klagen der Bürgerschaft über teure Kriegsreisen und Gesandtschaften, über die Schmausereien und die Freigebig- keit des Rates, der wertvolle Geschenke an Freunde und Mitglieder machte, über die Steuern und das Schuldenmachen, über schlechte Verwaltung des Getreidespeichers, über falsche Maßnahmen der Wirtschaftspolitik. Die Verschuldung der Stadt war seit dem
Die ſtädtiſchen Wirtſchaftsinſtitutionen und der ſtädtiſche Haushalt.
„Der Stadt gemein Gut“ beſtand urſprünglich wie im Dorfe, aus Allmenden, Weiden, Wäldern, Wegen, Fiſchwaſſern, öffentlichen Plätzen. Teilweiſe hatte in älterer Zeit der Stadtherr die Hand darauf gelegt; er hatte urſprünglich auch teilweiſe die Stadtmauern, das Kaufhaus und Ähnliches gebaut; aber ſpäter ſehen wir dieſen großen, alles ſtädtiſche Leben beherrſchenden Grundbeſitz, wie die Allmende, die Mauern, die Thore, das Kaufhaus, meiſt auch die Kirchen in der Hand der Stadt oder des Rates ſelbſt. Der Rat muß jetzt auch für die Verteidigung durch Wall und Graben, durch die Wachttürme an der Landwehr ſorgen und nimmt dazu die Geld- und perſönlichen Kräfte der Stadt in Anſpruch. Wie im Altertume iſt der „Stadt Bau“ lange die wichtigſte Ausgabe.
Zunächſt hatte der Stadtrat in den alten Gewohnheiten der örtlichen Genoſſen- ſchaft die beſte Stütze für eine billige Verwaltung. Wie das Patriciat im Stadtrate ohne Bezahlung der Stadt diente, ſo mußte der Bürger Kriegsreiſen und Nachtwachen thun, ſeinen Harniſch, die Reichen ihre Pferde für den Kriegsfall halten, bei Feuers- und Waſſersnot unentgeltliche Hülfe leiſten, auch Baudienſte für Unterhalt der Straßen, der Mauern thun, in allen möglichen lokalen Ämtern ohne Entſchädigung dienen. Und wenn da und dort ſchon Gebühren und Entſchädigungen bezahlt wurden, wenn die Dienſte, je komplizierter die Stadtverwaltung wurde, deſto häufiger als nicht ausreichend, als unzukömmlich ſich erwieſen, die ganze, in der Stadt weiter als im Dorfe ausgebildete, unbezahlte perſönliche Naturaldienſtverfaſſung hatte das Gute, in jedem Bürger die Einſicht in die Notwendigkeiten des Gemeindelebens und den Gemeinſinn zu ſteigern.
Und während dieſes billige Syſtem nun noch in voller Wirkſamkeit war, ermög- lichte der zunächſt auf die Städte beſchränkte Geld- und Kreditverkehr eine neue Art, die Geſamtintereſſen mächtig zu fördern, Diener und Kriegsleute zu beſolden. Beiträge an Naturalien und Geld für den König oder Stadtherrn, wohl hauptſächlich als Erſatz für perſönliche, beſonders für Kriegsdienſte, beſtanden in den deutſchen Städten, ehe die ſtädtiſchen Räte dieſe Abgaben dann im 12. und 13. Jahrhundert für ſich erhoben und zu ſtädtiſchen Vermögensſteuern weiterbildeten. Als dieſe nicht mehr ausreichten, kamen die Ungelder auf Wein, Bier und Mehl, die Gebühren für Benutzung der ſtädtiſchen Einrichtungen hinzu, verdrängten teilweiſe die Vermögensſteuern, die nur in Jahren außerordentlichen Bedürfniſſes noch erhoben wurden. Und ſo ſehr mit dem Durchdringen dieſer Geldſteuerwirtſchaft die Städte leiſtungsfähiger wurden, die Ausgaben von Jahr zu Jahr waren doch ſo ungleichmäßig, daß nur die Städte, deren Anſehen groß genug war, um Schulden machen zu können, ſich den Weg zu immer höherer Machtſtellung offen hielten. Vom 13. Jahrhundert an bis ins 16. entwickelt ſich dieſer ſtädtiſche Kredit ſo, daß jeder in der Stadt, der überflüſſiges Kapital hat, es der Stadt anbietet, die es gegen Leibrenten oder Ewigzins annimmt, damit große Barvorräte ſammelt, oft ſolche, die eine Jahreseinnahme überſteigen. Mit dieſen großen Barvorräten wurde der Rat aber auch zu großen politiſchen Aktionen, Kriegen, Bündniſſen, Bauten, zum Er- werbe von Dörfern und Herrſchaften in ganz anderer Weiſe als früher befähigt. Die früher mäßige Vermögensverwaltung ſteigerte ſich dadurch da und dort außer- ordentlich: der Beſitz der Dörfer und Herrſchaften, die große Kreditverwaltung, der ſtädtiſche Bau-, Ziegel-, Kalkhof mit ſeinen Pferden und Perſonal, von wo aus die Errichtung und Unterhaltung der Kirchen, Schulen, Rathäuſer, Straßen, Brücken, Brunnen, Quais, Kaufhäuſer, Mühlen, Kranken- und Schlachthäuſer beſorgt wurde, gaben ſchon genug zu thun. Und dazu kamen nun noch die ſtädtiſchen Getreideſpeicher und Zeughäuſer, die Beſchaffung von Kanonen und Waffen. Wenn es nötig ſchien, nahm der Rat den Salz- und den Weinverkauf in die Hand. Kurz, die Ausdehnung der wirtſchaftlichen Thätigkeit des Rates war eine ſehr große.
Natürlich wuchſen auch entſprechend die Mißbräuche, die Klagen der Bürgerſchaft über teure Kriegsreiſen und Geſandtſchaften, über die Schmauſereien und die Freigebig- keit des Rates, der wertvolle Geſchenke an Freunde und Mitglieder machte, über die Steuern und das Schuldenmachen, über ſchlechte Verwaltung des Getreideſpeichers, über falſche Maßnahmen der Wirtſchaftspolitik. Die Verſchuldung der Stadt war ſeit dem
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Die ſtädtiſchen Wirtſchaftsinſtitutionen und der ſtädtiſche Haushalt.
„Der Stadt gemein Gut“ beſtand urſprünglich wie im Dorfe, aus Allmenden,
Weiden, Wäldern, Wegen, Fiſchwaſſern, öffentlichen Plätzen. Teilweiſe hatte in älterer
Zeit der Stadtherr die Hand darauf gelegt; er hatte urſprünglich auch teilweiſe die
Stadtmauern, das Kaufhaus und Ähnliches gebaut; aber ſpäter ſehen wir dieſen großen,
alles ſtädtiſche Leben beherrſchenden Grundbeſitz, wie die Allmende, die Mauern, die
Thore, das Kaufhaus, meiſt auch die Kirchen in der Hand der Stadt oder des Rates
ſelbſt. Der Rat muß jetzt auch für die Verteidigung durch Wall und Graben, durch
die Wachttürme an der Landwehr ſorgen und nimmt dazu die Geld- und perſönlichen
Kräfte der Stadt in Anſpruch. Wie im Altertume iſt der „Stadt Bau“ lange die
wichtigſte Ausgabe.
Zunächſt hatte der Stadtrat in den alten Gewohnheiten der örtlichen Genoſſen-
ſchaft die beſte Stütze für eine billige Verwaltung. Wie das Patriciat im Stadtrate
ohne Bezahlung der Stadt diente, ſo mußte der Bürger Kriegsreiſen und Nachtwachen
thun, ſeinen Harniſch, die Reichen ihre Pferde für den Kriegsfall halten, bei Feuers-
und Waſſersnot unentgeltliche Hülfe leiſten, auch Baudienſte für Unterhalt der Straßen,
der Mauern thun, in allen möglichen lokalen Ämtern ohne Entſchädigung dienen. Und
wenn da und dort ſchon Gebühren und Entſchädigungen bezahlt wurden, wenn die Dienſte,
je komplizierter die Stadtverwaltung wurde, deſto häufiger als nicht ausreichend, als
unzukömmlich ſich erwieſen, die ganze, in der Stadt weiter als im Dorfe ausgebildete,
unbezahlte perſönliche Naturaldienſtverfaſſung hatte das Gute, in jedem Bürger die
Einſicht in die Notwendigkeiten des Gemeindelebens und den Gemeinſinn zu ſteigern.
Und während dieſes billige Syſtem nun noch in voller Wirkſamkeit war, ermög-
lichte der zunächſt auf die Städte beſchränkte Geld- und Kreditverkehr eine neue Art, die
Geſamtintereſſen mächtig zu fördern, Diener und Kriegsleute zu beſolden. Beiträge an
Naturalien und Geld für den König oder Stadtherrn, wohl hauptſächlich als Erſatz für
perſönliche, beſonders für Kriegsdienſte, beſtanden in den deutſchen Städten, ehe die
ſtädtiſchen Räte dieſe Abgaben dann im 12. und 13. Jahrhundert für ſich erhoben und
zu ſtädtiſchen Vermögensſteuern weiterbildeten. Als dieſe nicht mehr ausreichten, kamen
die Ungelder auf Wein, Bier und Mehl, die Gebühren für Benutzung der ſtädtiſchen
Einrichtungen hinzu, verdrängten teilweiſe die Vermögensſteuern, die nur in Jahren
außerordentlichen Bedürfniſſes noch erhoben wurden. Und ſo ſehr mit dem Durchdringen
dieſer Geldſteuerwirtſchaft die Städte leiſtungsfähiger wurden, die Ausgaben von Jahr
zu Jahr waren doch ſo ungleichmäßig, daß nur die Städte, deren Anſehen groß genug
war, um Schulden machen zu können, ſich den Weg zu immer höherer Machtſtellung
offen hielten. Vom 13. Jahrhundert an bis ins 16. entwickelt ſich dieſer ſtädtiſche
Kredit ſo, daß jeder in der Stadt, der überflüſſiges Kapital hat, es der Stadt anbietet,
die es gegen Leibrenten oder Ewigzins annimmt, damit große Barvorräte ſammelt, oft
ſolche, die eine Jahreseinnahme überſteigen. Mit dieſen großen Barvorräten wurde der
Rat aber auch zu großen politiſchen Aktionen, Kriegen, Bündniſſen, Bauten, zum Er-
werbe von Dörfern und Herrſchaften in ganz anderer Weiſe als früher befähigt.
Die früher mäßige Vermögensverwaltung ſteigerte ſich dadurch da und dort außer-
ordentlich: der Beſitz der Dörfer und Herrſchaften, die große Kreditverwaltung, der
ſtädtiſche Bau-, Ziegel-, Kalkhof mit ſeinen Pferden und Perſonal, von wo aus die
Errichtung und Unterhaltung der Kirchen, Schulen, Rathäuſer, Straßen, Brücken,
Brunnen, Quais, Kaufhäuſer, Mühlen, Kranken- und Schlachthäuſer beſorgt wurde,
gaben ſchon genug zu thun. Und dazu kamen nun noch die ſtädtiſchen Getreideſpeicher
und Zeughäuſer, die Beſchaffung von Kanonen und Waffen. Wenn es nötig ſchien,
nahm der Rat den Salz- und den Weinverkauf in die Hand. Kurz, die Ausdehnung
der wirtſchaftlichen Thätigkeit des Rates war eine ſehr große.
Natürlich wuchſen auch entſprechend die Mißbräuche, die Klagen der Bürgerſchaft
über teure Kriegsreiſen und Geſandtſchaften, über die Schmauſereien und die Freigebig-
keit des Rates, der wertvolle Geſchenke an Freunde und Mitglieder machte, über die
Steuern und das Schuldenmachen, über ſchlechte Verwaltung des Getreideſpeichers, über
falſche Maßnahmen der Wirtſchaftspolitik. Die Verſchuldung der Stadt war ſeit dem
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Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_grundriss01_1900/313>, abgerufen am 22.11.2024.
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