Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900.Zweites Buch. Die gesellschaftliche Verfassung der Volkswirtschaft. allgemeinen Aufgaben und in der Form ihres Verfassungslebens sich den Beschlüssen,den Gesetzen und Anordnungen der über ihnen stehenden Körperschaften fügen. b) Daneben nun noch ein Wort über die wirtschaftliche Bedeutung der Größe Es wird also alle fortschreitende wirtschaftliche Entwickelung teils zu Grenzhinaus- Der große Entwickelungsprozeß des wirtschaftlichen Lebens stellt sich uns von diesem Auch heute finden in den größeren Staaten noch ähnliche Rivalitäten statt. Die Aber das sind unerhebliche Schwierigkeiten; sie können zuletzt stets durch die ein- Zweites Buch. Die geſellſchaftliche Verfaſſung der Volkswirtſchaft. allgemeinen Aufgaben und in der Form ihres Verfaſſungslebens ſich den Beſchlüſſen,den Geſetzen und Anordnungen der über ihnen ſtehenden Körperſchaften fügen. b) Daneben nun noch ein Wort über die wirtſchaftliche Bedeutung der Größe Es wird alſo alle fortſchreitende wirtſchaftliche Entwickelung teils zu Grenzhinaus- Der große Entwickelungsprozeß des wirtſchaftlichen Lebens ſtellt ſich uns von dieſem Auch heute finden in den größeren Staaten noch ähnliche Rivalitäten ſtatt. Die Aber das ſind unerhebliche Schwierigkeiten; ſie können zuletzt ſtets durch die ein- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0302" n="286"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch. Die geſellſchaftliche Verfaſſung der Volkswirtſchaft.</fw><lb/> allgemeinen Aufgaben und in der Form ihres Verfaſſungslebens ſich den Beſchlüſſen,<lb/> den Geſetzen und Anordnungen der über ihnen ſtehenden Körperſchaften fügen.</p><lb/> <p><hi rendition="#aq">b</hi>) Daneben nun noch ein Wort über die wirtſchaftliche Bedeutung der Größe<lb/> und Abgrenzung der Gebietskörperſchaften. Jedes Dorf, jeder Kanton, jede Provinz,<lb/> jeder Staat iſt durch ſeine natürlichen oder politiſchen Grenzen ein wirtſchaftliches<lb/> Ganzes, das zunächſt ſeinen Schwerpunkt in ſich hat, aber je nach der Zahl ſeiner Ein-<lb/> wohner, je nach der Technik ſeines ganzen Wirtſchaftslebens darauf angewieſen iſt, zeit-<lb/> weiſe oder dauernd mit Menſchen oder Waren über das Gebiet hinaus zu drängen,<lb/> dies und jenes von Nachbarn zu beziehen. Und ſobald er das zu thun genötigt iſt, ſo<lb/> muß durch Verträge oder politiſche Vereinigung, durch Eroberung, Einverleibung,<lb/> Handelspolitik eine völker- oder ſtaatsrechtliche Grundlage für dieſen Abfluß, dieſen<lb/> Austauſch geſchaffen werden.</p><lb/> <p>Es wird alſo alle fortſchreitende wirtſchaftliche Entwickelung teils zu Grenzhinaus-<lb/> ſchiebungen führen, teils in Bündniſſen und internationalen Verträgen verlaufen. Dabei<lb/> wird immer das erſtere, die Schaffung größerer Staaten, größerer Verwaltungsbezirke,<lb/> größerer Gemeinden das durchſchlagendere Mittel ſein, um Gebiete, die wirtſchaftlich nun<lb/> durch den Verkehr ganz aufeinander angewieſen ſind, auch rechtlich, finanziell, in allen<lb/> Wirtſchaftseinrichtungen ſo unter einen Hut zu bringen, daß der Menſchen- und Waren-<lb/> austauſch am leichteſten ſich vollziehen kann. Andererſeits aber ſtehen dem oft unüber-<lb/> windliche ſprachliche, nationale, hiſtoriſche und verwaltungsrechtliche Hinderniſſe entgegen;<lb/> die heutige internationale Arbeitsteilung und Weltwirtſchaft hat zahlreiche Produktions-<lb/> und Konſumtionsgebiete geſchaffen, die trotz verſchiedener Sprachen, verſchiedenen Rechtes,<lb/> verſchiedener Nationalität wirtſchaftlich für einander thätig ſind. Es wurde eine Haupt-<lb/> aufgabe der Verträge und des Völkerrechtes, einen zunehmenden Verkehr über die Landes-<lb/> grenzen hinweg zu ermöglichen. Aber jeder ſolche Verkehr bleibt bedroht durch Änderungen<lb/> der Macht- und der Handelspolitik, und er bleibt erſchwert durch Rechtsungleichheit,<lb/> Geldverſchiedenheit und vieles andere. Mag der Weltpoſtverein, der Fortſchritt im<lb/> internationalen Recht, in der Annäherung des Handels- und Wechſelrechtes, in den<lb/> Handelsverträgen, in der Zulaſſung der Fremden zu Verkehr und Niederlaſſung noch<lb/> ſo groß heute ſchon ſein, jedes Gebiet, jeder Staat bleibt ein Ganzes und führt vom<lb/> Standpunkte ſeiner Geſamtintereſſen, ſeiner nationalen Gefühle und Leidenſchaften aus<lb/> mit den Nachbargebieten einen Konkurrenzkampf, will unter Umſtänden dieſe ausſtechen,<lb/> herabdrücken, ja vernichten, ſo daß gewiſſe Gefahren nicht aufhören.</p><lb/> <p>Der große Entwickelungsprozeß des wirtſchaftlichen Lebens ſtellt ſich uns von dieſem<lb/> Standpunkte aus dar als ein Rivalitätskampf erſt der kleinen, dann immer größerer<lb/> Gebiete; und das Ende iſt häufig die verwaltungs- und ſtaatsrechtliche Verbindung der<lb/> kleineren zu einem Ganzen, mit dem Zwecke, die wirtſchaftlichen Gegenſätze im Innern<lb/> durch eine ſtarke Centralgewalt zu überwinden, dem wirtſchaftlichen Leben nach innen<lb/> Luft und freie Bewegung zu ſchaffen, nach außen die Kräfte zu ſammeln. Die Stadt-<lb/> gebiete, die Kleinſtaaten, die Großſtaaten, heute endlich die Weltreiche ſind ſo nach-<lb/> einander entſtanden, haben nacheinander einen wirtſchaftlichen Kampf miteinander geführt,<lb/> welcher die Folge ihrer Gebietsgröße und ihrer Grenzen war.</p><lb/> <p>Auch heute finden in den größeren Staaten noch ähnliche Rivalitäten ſtatt. Die<lb/> Dörfer, die Städte, die Bezirke, ſie führen um Wege, Märkte, Eiſenbahnſtationen<lb/> Kämpfe mit einander. Die Großſtadt und ihre Vororte werden mannigfach in ihrem<lb/> Wirtſchaftsleben dadurch geſchädigt, daß ihre Straßen-, Waſſerleitungs-, Schul-, Markt-<lb/> verwaltung nicht in einer Hand liegt. Es wird zuletzt durch Eingemeindung geholfen.<lb/> Die ſteigende Übertragung wichtiger wirtſchaftlicher Funktionen auf die größeren ſtatt auf<lb/> die kleinen Gebietskörperſchaften hat hier ihre Wurzel.</p><lb/> <p>Aber das ſind unerhebliche Schwierigkeiten; ſie können zuletzt ſtets durch die ein-<lb/> heitliche centrale Staatsgewalt überwunden werden. Nicht ſo zwiſchen ſelbſtändigen<lb/> Staaten, die für ihr wirtſchaftliches Gedeihen nicht groß genug ſind, nicht ihre natür-<lb/> lichen Grenzen haben, nicht am Meere liegen, die mit einzelnen ihrer Nachbarn wirt-<lb/> ſchaftlich verfeindet, nach ihnen hin durch Sperren geſchädigt werden, während der<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [286/0302]
Zweites Buch. Die geſellſchaftliche Verfaſſung der Volkswirtſchaft.
allgemeinen Aufgaben und in der Form ihres Verfaſſungslebens ſich den Beſchlüſſen,
den Geſetzen und Anordnungen der über ihnen ſtehenden Körperſchaften fügen.
b) Daneben nun noch ein Wort über die wirtſchaftliche Bedeutung der Größe
und Abgrenzung der Gebietskörperſchaften. Jedes Dorf, jeder Kanton, jede Provinz,
jeder Staat iſt durch ſeine natürlichen oder politiſchen Grenzen ein wirtſchaftliches
Ganzes, das zunächſt ſeinen Schwerpunkt in ſich hat, aber je nach der Zahl ſeiner Ein-
wohner, je nach der Technik ſeines ganzen Wirtſchaftslebens darauf angewieſen iſt, zeit-
weiſe oder dauernd mit Menſchen oder Waren über das Gebiet hinaus zu drängen,
dies und jenes von Nachbarn zu beziehen. Und ſobald er das zu thun genötigt iſt, ſo
muß durch Verträge oder politiſche Vereinigung, durch Eroberung, Einverleibung,
Handelspolitik eine völker- oder ſtaatsrechtliche Grundlage für dieſen Abfluß, dieſen
Austauſch geſchaffen werden.
Es wird alſo alle fortſchreitende wirtſchaftliche Entwickelung teils zu Grenzhinaus-
ſchiebungen führen, teils in Bündniſſen und internationalen Verträgen verlaufen. Dabei
wird immer das erſtere, die Schaffung größerer Staaten, größerer Verwaltungsbezirke,
größerer Gemeinden das durchſchlagendere Mittel ſein, um Gebiete, die wirtſchaftlich nun
durch den Verkehr ganz aufeinander angewieſen ſind, auch rechtlich, finanziell, in allen
Wirtſchaftseinrichtungen ſo unter einen Hut zu bringen, daß der Menſchen- und Waren-
austauſch am leichteſten ſich vollziehen kann. Andererſeits aber ſtehen dem oft unüber-
windliche ſprachliche, nationale, hiſtoriſche und verwaltungsrechtliche Hinderniſſe entgegen;
die heutige internationale Arbeitsteilung und Weltwirtſchaft hat zahlreiche Produktions-
und Konſumtionsgebiete geſchaffen, die trotz verſchiedener Sprachen, verſchiedenen Rechtes,
verſchiedener Nationalität wirtſchaftlich für einander thätig ſind. Es wurde eine Haupt-
aufgabe der Verträge und des Völkerrechtes, einen zunehmenden Verkehr über die Landes-
grenzen hinweg zu ermöglichen. Aber jeder ſolche Verkehr bleibt bedroht durch Änderungen
der Macht- und der Handelspolitik, und er bleibt erſchwert durch Rechtsungleichheit,
Geldverſchiedenheit und vieles andere. Mag der Weltpoſtverein, der Fortſchritt im
internationalen Recht, in der Annäherung des Handels- und Wechſelrechtes, in den
Handelsverträgen, in der Zulaſſung der Fremden zu Verkehr und Niederlaſſung noch
ſo groß heute ſchon ſein, jedes Gebiet, jeder Staat bleibt ein Ganzes und führt vom
Standpunkte ſeiner Geſamtintereſſen, ſeiner nationalen Gefühle und Leidenſchaften aus
mit den Nachbargebieten einen Konkurrenzkampf, will unter Umſtänden dieſe ausſtechen,
herabdrücken, ja vernichten, ſo daß gewiſſe Gefahren nicht aufhören.
Der große Entwickelungsprozeß des wirtſchaftlichen Lebens ſtellt ſich uns von dieſem
Standpunkte aus dar als ein Rivalitätskampf erſt der kleinen, dann immer größerer
Gebiete; und das Ende iſt häufig die verwaltungs- und ſtaatsrechtliche Verbindung der
kleineren zu einem Ganzen, mit dem Zwecke, die wirtſchaftlichen Gegenſätze im Innern
durch eine ſtarke Centralgewalt zu überwinden, dem wirtſchaftlichen Leben nach innen
Luft und freie Bewegung zu ſchaffen, nach außen die Kräfte zu ſammeln. Die Stadt-
gebiete, die Kleinſtaaten, die Großſtaaten, heute endlich die Weltreiche ſind ſo nach-
einander entſtanden, haben nacheinander einen wirtſchaftlichen Kampf miteinander geführt,
welcher die Folge ihrer Gebietsgröße und ihrer Grenzen war.
Auch heute finden in den größeren Staaten noch ähnliche Rivalitäten ſtatt. Die
Dörfer, die Städte, die Bezirke, ſie führen um Wege, Märkte, Eiſenbahnſtationen
Kämpfe mit einander. Die Großſtadt und ihre Vororte werden mannigfach in ihrem
Wirtſchaftsleben dadurch geſchädigt, daß ihre Straßen-, Waſſerleitungs-, Schul-, Markt-
verwaltung nicht in einer Hand liegt. Es wird zuletzt durch Eingemeindung geholfen.
Die ſteigende Übertragung wichtiger wirtſchaftlicher Funktionen auf die größeren ſtatt auf
die kleinen Gebietskörperſchaften hat hier ihre Wurzel.
Aber das ſind unerhebliche Schwierigkeiten; ſie können zuletzt ſtets durch die ein-
heitliche centrale Staatsgewalt überwunden werden. Nicht ſo zwiſchen ſelbſtändigen
Staaten, die für ihr wirtſchaftliches Gedeihen nicht groß genug ſind, nicht ihre natür-
lichen Grenzen haben, nicht am Meere liegen, die mit einzelnen ihrer Nachbarn wirt-
ſchaftlich verfeindet, nach ihnen hin durch Sperren geſchädigt werden, während der
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