Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900.Erstes Buch. Land, Leute und Technik. ganze Stämme und Staaten einheitlich verbindenden Einrichtung. Die Ausbildungder Feldmeßkunst, die Versteinung der Felder wird bei jeder definitiven Landzuteilung und allem geregelten Ackerbau eine wichtige genossenschaftliche oder Staatsaufgabe. Man hat gesagt, der Hackbau erzeuge Dörfer, der Ackerbau Städte. Jedenfalls Das ganze geordnete gesellschaftliche Leben der Kulturvölker steht mit dem Acker- Man hat neuerdings darauf hingewiesen, daß man oft die wirtschaftlichen, socialen Die Weidewirtschaft oder wilde Feldgraswirtschaft benutzt den Wald An eine solche Wirtschaft haben wir auch für die ungetrennten Indogermanen zu So entstanden hier aus der wilden Feldgraswirtschaft und Brennwirtschaft nach und Erſtes Buch. Land, Leute und Technik. ganze Stämme und Staaten einheitlich verbindenden Einrichtung. Die Ausbildungder Feldmeßkunſt, die Verſteinung der Felder wird bei jeder definitiven Landzuteilung und allem geregelten Ackerbau eine wichtige genoſſenſchaftliche oder Staatsaufgabe. Man hat geſagt, der Hackbau erzeuge Dörfer, der Ackerbau Städte. Jedenfalls Das ganze geordnete geſellſchaftliche Leben der Kulturvölker ſteht mit dem Acker- Man hat neuerdings darauf hingewieſen, daß man oft die wirtſchaftlichen, ſocialen Die Weidewirtſchaft oder wilde Feldgraswirtſchaft benutzt den Wald An eine ſolche Wirtſchaft haben wir auch für die ungetrennten Indogermanen zu So entſtanden hier aus der wilden Feldgraswirtſchaft und Brennwirtſchaft nach und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0216" n="200"/><fw place="top" type="header">Erſtes Buch. Land, Leute und Technik.</fw><lb/> ganze Stämme und Staaten einheitlich verbindenden Einrichtung. Die Ausbildung<lb/> der Feldmeßkunſt, die Verſteinung der Felder wird bei jeder definitiven Landzuteilung<lb/> und allem geregelten Ackerbau eine wichtige genoſſenſchaftliche oder Staatsaufgabe.</p><lb/> <p>Man hat geſagt, der Hackbau erzeuge Dörfer, der Ackerbau Städte. Jedenfalls<lb/> ging Ackerbau und Stadtbau vielfach im Altertum Hand in Hand, was wir in dem<lb/> Kapitel über Siedlung noch ſehen werden; die Ackerbauern der fruchtbaren Stromländer<lb/> ſchufen große Verteidigungswerke, in welche ganze Völkerſchaften ſich retten konnten.<lb/> Das Friedensbedürfnis der Ackerbauer iſt ein viel größeres als das der Hackbauern<lb/> und der Nomaden und wächſt mit dem Obſt- und Weinbau, mit dem ſteigenden Wert<lb/> aller Anlagen. Der Krieg mit den Nachbarn wurde ein anderer. Neben dem mög-<lb/> lichen Schutz durch Mauern, Waſſer, Kanäle ſucht der Ackerbauer durch Schutzwaffen,<lb/> Leder- und Metallkleidung, Schilde und Helme, aber auch durch beſſere und kompliziertere<lb/> Kriegsverfaſſung ſich gegen ſeine Feinde zu ſichern.</p><lb/> <p>Das ganze geordnete geſellſchaftliche Leben der Kulturvölker ſteht mit dem Acker-<lb/> bau in Zuſammenhang. Die Alten, ſagt Roſcher, haben der Landbaugöttin Demeter<lb/> die Einführung der Ehe und der Geſetze beigelegt. Schäffle thut den Ausſpruch: „die<lb/> Einzel- und die Volksſeele kam erſt mit dem Übergang zum Ackerbau zu höherer Ver-<lb/> nunftsentwickelung.“</p><lb/> <p>Man hat neuerdings darauf hingewieſen, daß man oft die wirtſchaftlichen, ſocialen<lb/> und geiſtigen Folgen des Ackerbaues überſchätzt habe, daß nur eine gewiſſe Entwickelung<lb/> des Ackerbaues, nämlich die mit Seßhaftigkeit, Hausbau ꝛc. verknüpfte, dieſe Folgen<lb/> habe. Das iſt richtig. Wir haben dem teilweiſe durch die Scheidung von Hackbau und<lb/> Ackerbau Rechnung getragen. Im übrigen könnten wir nur durch eine eingehende<lb/> wirtſchaftsgeſchichtliche Scheidung der verſchiedenen Stufen des Ackerbaues genauer feſt-<lb/> ſtellen, wann und wo dieſe günſtigen Folgen eintraten. Dazu iſt hier nicht der Raum.<lb/> Nur die wichtigſten Phaſen des agrariſchen Entwickelungsprozeſſes, wie er ſich in Europa<lb/> abſpielte, ſeien hier zum Schluſſe angedeutet.</p><lb/> <p>Die <hi rendition="#g">Weidewirtſchaft</hi> oder <hi rendition="#g">wilde Feldgraswirtſchaft</hi> benutzt den Wald<lb/> und die Weiden nur zur Viehernährung, bricht an geeigneter Stelle kleine Stücke der<lb/> Weide zur Beackerung auf, baut da Buchweizen, Hirſe, Gerſte, Roggen zwei oder drei<lb/> Jahre hintereinander ohne Düngung, bis der Boden erſchöpft iſt; oft genügt als Saat,<lb/> was bei der Ernte ausfällt. Der erſchöpfte Boden wird verlaſſen, fliegt wieder als<lb/> Weide oder Wald an, anderer wird in Angriff genommen.</p><lb/> <p>An eine ſolche Wirtſchaft haben wir auch für die ungetrennten Indogermanen zu<lb/> denken, die Gerſte bauten, Joch oder Pflug und feſte Holzhäuſer hatten. Auf der<lb/> Wanderung trat dann die Viehwirtſchaft mehr in den Vordergrund, aber der Ackerbau<lb/> hörte nicht auf; wir treffen ſogar bei dem europäiſchen Zweige der Indogermanen den<lb/> Weizen- und Spelzbau, bei den Germanen den Pflug mit eiſerner Schar, was nicht<lb/> ausſchließt, daß die Sueben zu Cäſars Zeit, in Vorwärtsbewegung begriffen, keine feſten<lb/> Wohnſitze hatten, erſt in den nun folgenden Jahrhunderten zur definitiven Seßhaftigkeit,<lb/> zu der Dorf-, Hufen- und Gewannenverfaſſung übergingen.</p><lb/> <p>So entſtanden hier aus der wilden Feldgraswirtſchaft und Brennwirtſchaft nach und<lb/> nach die <hi rendition="#g">Feldſyſteme mit ewiger Weide</hi>. Unter der <hi rendition="#g">Brennwirtſchaft</hi> verſtehen<lb/> wir eine ſolche, welche einzelne Stücke Moor oder Wald zum Zwecke des Anbaues nieder-<lb/> brennt und eine Anzahl Jahre bebaut. Eine ſolche war in Deutſchland, Skandinavien,<lb/> Frankreich bis ins Mittelalter weit verbreitet, erforderte wegen der Brandgefahren Vorſicht<lb/> und geſellſchaftliche Ordnung und Überwachung. Im Gegenſatz zu dieſem Herumgehen<lb/> des Baulandes in der Flur, im Gut, in der Gegend ſteht die <hi rendition="#g">Ein-, Zwei-, Drei-<lb/> felderwirtſchaft</hi>, welche als ewiges Ackerland in der Nähe der Wohnungen urſprünglich<lb/> 10—20 Prozente ausſondert, den Reſt als Wald und ewige Weide benutzt. Die Ein-<lb/> felderwirtſchaft bebaut jährlich mit Düngung dieſelben Flächen, die Zwei- und Dreifelder-<lb/> wirtſchaft bebaut abwechſelnd jährlich die Hälfte, ein oder zwei Drittel des Ackerlandes<lb/> und läßt das übrige als Brache ausruhen und als Viehweide dienen. Gedüngt wird<lb/> urſprünglich nur durch den Viehgang oder durch Überſchwemmung, wo Bewäſſerungs-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [200/0216]
Erſtes Buch. Land, Leute und Technik.
ganze Stämme und Staaten einheitlich verbindenden Einrichtung. Die Ausbildung
der Feldmeßkunſt, die Verſteinung der Felder wird bei jeder definitiven Landzuteilung
und allem geregelten Ackerbau eine wichtige genoſſenſchaftliche oder Staatsaufgabe.
Man hat geſagt, der Hackbau erzeuge Dörfer, der Ackerbau Städte. Jedenfalls
ging Ackerbau und Stadtbau vielfach im Altertum Hand in Hand, was wir in dem
Kapitel über Siedlung noch ſehen werden; die Ackerbauern der fruchtbaren Stromländer
ſchufen große Verteidigungswerke, in welche ganze Völkerſchaften ſich retten konnten.
Das Friedensbedürfnis der Ackerbauer iſt ein viel größeres als das der Hackbauern
und der Nomaden und wächſt mit dem Obſt- und Weinbau, mit dem ſteigenden Wert
aller Anlagen. Der Krieg mit den Nachbarn wurde ein anderer. Neben dem mög-
lichen Schutz durch Mauern, Waſſer, Kanäle ſucht der Ackerbauer durch Schutzwaffen,
Leder- und Metallkleidung, Schilde und Helme, aber auch durch beſſere und kompliziertere
Kriegsverfaſſung ſich gegen ſeine Feinde zu ſichern.
Das ganze geordnete geſellſchaftliche Leben der Kulturvölker ſteht mit dem Acker-
bau in Zuſammenhang. Die Alten, ſagt Roſcher, haben der Landbaugöttin Demeter
die Einführung der Ehe und der Geſetze beigelegt. Schäffle thut den Ausſpruch: „die
Einzel- und die Volksſeele kam erſt mit dem Übergang zum Ackerbau zu höherer Ver-
nunftsentwickelung.“
Man hat neuerdings darauf hingewieſen, daß man oft die wirtſchaftlichen, ſocialen
und geiſtigen Folgen des Ackerbaues überſchätzt habe, daß nur eine gewiſſe Entwickelung
des Ackerbaues, nämlich die mit Seßhaftigkeit, Hausbau ꝛc. verknüpfte, dieſe Folgen
habe. Das iſt richtig. Wir haben dem teilweiſe durch die Scheidung von Hackbau und
Ackerbau Rechnung getragen. Im übrigen könnten wir nur durch eine eingehende
wirtſchaftsgeſchichtliche Scheidung der verſchiedenen Stufen des Ackerbaues genauer feſt-
ſtellen, wann und wo dieſe günſtigen Folgen eintraten. Dazu iſt hier nicht der Raum.
Nur die wichtigſten Phaſen des agrariſchen Entwickelungsprozeſſes, wie er ſich in Europa
abſpielte, ſeien hier zum Schluſſe angedeutet.
Die Weidewirtſchaft oder wilde Feldgraswirtſchaft benutzt den Wald
und die Weiden nur zur Viehernährung, bricht an geeigneter Stelle kleine Stücke der
Weide zur Beackerung auf, baut da Buchweizen, Hirſe, Gerſte, Roggen zwei oder drei
Jahre hintereinander ohne Düngung, bis der Boden erſchöpft iſt; oft genügt als Saat,
was bei der Ernte ausfällt. Der erſchöpfte Boden wird verlaſſen, fliegt wieder als
Weide oder Wald an, anderer wird in Angriff genommen.
An eine ſolche Wirtſchaft haben wir auch für die ungetrennten Indogermanen zu
denken, die Gerſte bauten, Joch oder Pflug und feſte Holzhäuſer hatten. Auf der
Wanderung trat dann die Viehwirtſchaft mehr in den Vordergrund, aber der Ackerbau
hörte nicht auf; wir treffen ſogar bei dem europäiſchen Zweige der Indogermanen den
Weizen- und Spelzbau, bei den Germanen den Pflug mit eiſerner Schar, was nicht
ausſchließt, daß die Sueben zu Cäſars Zeit, in Vorwärtsbewegung begriffen, keine feſten
Wohnſitze hatten, erſt in den nun folgenden Jahrhunderten zur definitiven Seßhaftigkeit,
zu der Dorf-, Hufen- und Gewannenverfaſſung übergingen.
So entſtanden hier aus der wilden Feldgraswirtſchaft und Brennwirtſchaft nach und
nach die Feldſyſteme mit ewiger Weide. Unter der Brennwirtſchaft verſtehen
wir eine ſolche, welche einzelne Stücke Moor oder Wald zum Zwecke des Anbaues nieder-
brennt und eine Anzahl Jahre bebaut. Eine ſolche war in Deutſchland, Skandinavien,
Frankreich bis ins Mittelalter weit verbreitet, erforderte wegen der Brandgefahren Vorſicht
und geſellſchaftliche Ordnung und Überwachung. Im Gegenſatz zu dieſem Herumgehen
des Baulandes in der Flur, im Gut, in der Gegend ſteht die Ein-, Zwei-, Drei-
felderwirtſchaft, welche als ewiges Ackerland in der Nähe der Wohnungen urſprünglich
10—20 Prozente ausſondert, den Reſt als Wald und ewige Weide benutzt. Die Ein-
felderwirtſchaft bebaut jährlich mit Düngung dieſelben Flächen, die Zwei- und Dreifelder-
wirtſchaft bebaut abwechſelnd jährlich die Hälfte, ein oder zwei Drittel des Ackerlandes
und läßt das übrige als Brache ausruhen und als Viehweide dienen. Gedüngt wird
urſprünglich nur durch den Viehgang oder durch Überſchwemmung, wo Bewäſſerungs-
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