Wissenschaft überfallen hatte. Ich spürte, daß ich mir Klarheit in diesen verschaffen mußte, gerade auch um das Detail der archivalischen Forschung zum höchsten Ertrag zu bringen.
Meine alte Liebe zu philosophischen und psychologischen Studien war mit neuer Kraft erwacht. Ich fühlte mehr und mehr, daß die Aufgabe nach Charakter, Studien- gang und Neigungen doch eine mir angemessene sei, daß vor allem meine Vorlesungen dadurch sehr gewönnen, daß die stärkste Anspannung der geistigen Kräfte doch bei der Vorbereitung auf die Vorlesung stattfinde, daß meine besten allgemeinen Gedanken mir dabei kämen, und daß deshalb auch der Versuch, das zu fixieren, was ich den Studierenden sage, berechtigt und heilsam sei, obwohl er den Autor nötigt, die Bruch- stücke seines Wissens unter dem Gesichtspunkte seiner geschlossenen Weltanschauung zu einem Ganzen zu vereinigen. Man könnte sagen, gerade deswegen sei der Versuch berechtigt, denn diese Art der Zusammenfassung müsse stets neben der empirischen Detail- arbeit ihr Recht behaupten.
Die Gesichtspunkte, welche mich bei meinen Vorlesungen beseelen, sind immer die gewesen: 1. so anschaulich zu sein, daß der, welcher die Dinge noch nicht kennt, sie einigermaßen sehen und erfassen kann. Die sogenannte Langeweile der juristischen und staats- wissenschaftlichen Vorlesungen beruht meist darauf, daß eine Unsumme von Scharfsinn, Definitionen, Detailwissen auf den Zuhörer eindringt, ohne daß er eine anschauliche Vor- stellung von dem hat, wovon geredet wird. 2. Den Studierenden neben den allgemeinen gesicherten Wahrheiten den Gang beizubringen, auf dem sie gefunden sind, die Zweifel darzulegen, welche sie eingeben, die empirischen Grundlagen so im Detail darzulegen, daß er sie sich selbst ableiten kann. Ich weiß wohl, daß es auch eine andere Methode giebt, daß sie teilweise für den Anfänger vorzuziehen ist. Auch in der Nationalökonomie, und gerade auch in der historischen, wird eine konstruierende Methode von mehreren meiner geschätztesten Kollegen mit Virtuosität gehandhabt: man geht von wenigen klaren Sätzen und Formeln, von präcisen Definitionen aus und bringt damit Einfachheit und Klarheit in alles, ich möchte sagen, zu viel Einfachheit und oft nur eine scheinbare Klarheit. Ich fand im Leben immer, daß der Hauptfehler in der praktischen Anwendung staatswissenschaftlichen Wissens der sei, daß die der Universität Entwachsenen die gesell- schaftlichen Erscheinungen für viel zu einfach halten; sie glauben, dieselben mit wenigen Definitionen und Formeln bemeistern zu können. Meiner Auffassung und Anlage ent- spricht es, den Anfänger stets auf die Kompliziertheit und Schwierigkeit der Erscheinungen und Probleme aufmerksam zu machen, ihm die verschiedenen Seiten des Gegenstandes zu zeigen. In den Vorlesungen hat diese Eigentümlichkeit mir den Erfolg nicht geraubt. Ich lasse die folgenden Blätter in die Welt mit der Hoffnung gehen, daß sie auch den Leser nicht zu sehr abschrecken möge.
Über die äußere Anordnung und den Umfang füge ich nur die Bemerkung bei: Das ganze Buch sollte etwa 40 Bogen nicht übersteigen; es sollte ein lesbarer, nicht allzu teurer Grundriß bleiben. Dadurch waren Citate ausgeschlossen. Und ebenso konnte von der Litteratur nur das wichtigste vor jedes Kapitel gesetzt werden, das, was in erster Linie dem zu empfehlen ist, der sich von dieser Einführung aus weiter in das Studium der Fragen vertiefen will.
Ich übergebe den Grundriß der Öffentlichkeit mit dem Gefühle glücklicher Dank- barkeit, daß ich den Abschluß erleben durfte. Denn in gewisser Beziehung ziehe ich hier doch die Summe meiner wissenschaftlichen und persönlichen Überzeugungen. Meinem Assistenten, Herrn A. Spiethoff, und meiner Frau danke ich für die treue Hülfe bei der Korrektur und sonstiger Fertigstellung; Herr Spiethoff hat das Register gefertigt, das bei Ausgabe der zweiten Hälfte vervollständigt fürs ganze Buch erscheinen wird. Daß ich das Bedürfnis hatte, das Buch meiner Frau zu widmen, wird der wenigstens verstehen, der uns beide und unser Verhältnis zu einander kennt.
Martinsbrunn bei Meran, Ostern 1900.
Gustav Schmoller.
Vorrede.
Wiſſenſchaft überfallen hatte. Ich ſpürte, daß ich mir Klarheit in dieſen verſchaffen mußte, gerade auch um das Detail der archivaliſchen Forſchung zum höchſten Ertrag zu bringen.
Meine alte Liebe zu philoſophiſchen und pſychologiſchen Studien war mit neuer Kraft erwacht. Ich fühlte mehr und mehr, daß die Aufgabe nach Charakter, Studien- gang und Neigungen doch eine mir angemeſſene ſei, daß vor allem meine Vorleſungen dadurch ſehr gewönnen, daß die ſtärkſte Anſpannung der geiſtigen Kräfte doch bei der Vorbereitung auf die Vorleſung ſtattfinde, daß meine beſten allgemeinen Gedanken mir dabei kämen, und daß deshalb auch der Verſuch, das zu fixieren, was ich den Studierenden ſage, berechtigt und heilſam ſei, obwohl er den Autor nötigt, die Bruch- ſtücke ſeines Wiſſens unter dem Geſichtspunkte ſeiner geſchloſſenen Weltanſchauung zu einem Ganzen zu vereinigen. Man könnte ſagen, gerade deswegen ſei der Verſuch berechtigt, denn dieſe Art der Zuſammenfaſſung müſſe ſtets neben der empiriſchen Detail- arbeit ihr Recht behaupten.
Die Geſichtspunkte, welche mich bei meinen Vorleſungen beſeelen, ſind immer die geweſen: 1. ſo anſchaulich zu ſein, daß der, welcher die Dinge noch nicht kennt, ſie einigermaßen ſehen und erfaſſen kann. Die ſogenannte Langeweile der juriſtiſchen und ſtaats- wiſſenſchaftlichen Vorleſungen beruht meiſt darauf, daß eine Unſumme von Scharfſinn, Definitionen, Detailwiſſen auf den Zuhörer eindringt, ohne daß er eine anſchauliche Vor- ſtellung von dem hat, wovon geredet wird. 2. Den Studierenden neben den allgemeinen geſicherten Wahrheiten den Gang beizubringen, auf dem ſie gefunden ſind, die Zweifel darzulegen, welche ſie eingeben, die empiriſchen Grundlagen ſo im Detail darzulegen, daß er ſie ſich ſelbſt ableiten kann. Ich weiß wohl, daß es auch eine andere Methode giebt, daß ſie teilweiſe für den Anfänger vorzuziehen iſt. Auch in der Nationalökonomie, und gerade auch in der hiſtoriſchen, wird eine konſtruierende Methode von mehreren meiner geſchätzteſten Kollegen mit Virtuoſität gehandhabt: man geht von wenigen klaren Sätzen und Formeln, von präciſen Definitionen aus und bringt damit Einfachheit und Klarheit in alles, ich möchte ſagen, zu viel Einfachheit und oft nur eine ſcheinbare Klarheit. Ich fand im Leben immer, daß der Hauptfehler in der praktiſchen Anwendung ſtaatswiſſenſchaftlichen Wiſſens der ſei, daß die der Univerſität Entwachſenen die geſell- ſchaftlichen Erſcheinungen für viel zu einfach halten; ſie glauben, dieſelben mit wenigen Definitionen und Formeln bemeiſtern zu können. Meiner Auffaſſung und Anlage ent- ſpricht es, den Anfänger ſtets auf die Kompliziertheit und Schwierigkeit der Erſcheinungen und Probleme aufmerkſam zu machen, ihm die verſchiedenen Seiten des Gegenſtandes zu zeigen. In den Vorleſungen hat dieſe Eigentümlichkeit mir den Erfolg nicht geraubt. Ich laſſe die folgenden Blätter in die Welt mit der Hoffnung gehen, daß ſie auch den Leſer nicht zu ſehr abſchrecken möge.
Über die äußere Anordnung und den Umfang füge ich nur die Bemerkung bei: Das ganze Buch ſollte etwa 40 Bogen nicht überſteigen; es ſollte ein lesbarer, nicht allzu teurer Grundriß bleiben. Dadurch waren Citate ausgeſchloſſen. Und ebenſo konnte von der Litteratur nur das wichtigſte vor jedes Kapitel geſetzt werden, das, was in erſter Linie dem zu empfehlen iſt, der ſich von dieſer Einführung aus weiter in das Studium der Fragen vertiefen will.
Ich übergebe den Grundriß der Öffentlichkeit mit dem Gefühle glücklicher Dank- barkeit, daß ich den Abſchluß erleben durfte. Denn in gewiſſer Beziehung ziehe ich hier doch die Summe meiner wiſſenſchaftlichen und perſönlichen Überzeugungen. Meinem Aſſiſtenten, Herrn A. Spiethoff, und meiner Frau danke ich für die treue Hülfe bei der Korrektur und ſonſtiger Fertigſtellung; Herr Spiethoff hat das Regiſter gefertigt, das bei Ausgabe der zweiten Hälfte vervollſtändigt fürs ganze Buch erſcheinen wird. Daß ich das Bedürfnis hatte, das Buch meiner Frau zu widmen, wird der wenigſtens verſtehen, der uns beide und unſer Verhältnis zu einander kennt.
Martinsbrunn bei Meran, Oſtern 1900.
Guſtav Schmoller.
<TEI><text><front><divn="1"><p><pbfacs="#f0012"n="VI"/><fwplace="top"type="header">Vorrede.</fw><lb/>
Wiſſenſchaft überfallen hatte. Ich ſpürte, daß ich mir Klarheit in dieſen verſchaffen<lb/>
mußte, gerade auch um das Detail der archivaliſchen Forſchung zum höchſten Ertrag<lb/>
zu bringen.</p><lb/><p>Meine alte Liebe zu philoſophiſchen und pſychologiſchen Studien war mit neuer<lb/>
Kraft erwacht. Ich fühlte mehr und mehr, daß die Aufgabe nach Charakter, Studien-<lb/>
gang und Neigungen doch eine mir angemeſſene ſei, daß vor allem meine Vorleſungen<lb/>
dadurch ſehr gewönnen, daß die ſtärkſte Anſpannung der geiſtigen Kräfte doch bei der<lb/>
Vorbereitung auf die Vorleſung ſtattfinde, daß meine beſten allgemeinen Gedanken mir<lb/>
dabei kämen, und daß deshalb auch der Verſuch, das zu fixieren, was ich den<lb/>
Studierenden ſage, berechtigt und heilſam ſei, obwohl er den Autor nötigt, die Bruch-<lb/>ſtücke ſeines Wiſſens unter dem Geſichtspunkte ſeiner geſchloſſenen Weltanſchauung zu<lb/>
einem Ganzen zu vereinigen. Man könnte ſagen, gerade deswegen ſei der Verſuch<lb/>
berechtigt, denn dieſe Art der Zuſammenfaſſung müſſe ſtets neben der empiriſchen Detail-<lb/>
arbeit ihr Recht behaupten.</p><lb/><p>Die Geſichtspunkte, welche mich bei meinen Vorleſungen beſeelen, ſind immer die<lb/>
geweſen: 1. ſo anſchaulich zu ſein, daß der, welcher die Dinge noch nicht kennt, ſie<lb/>
einigermaßen ſehen und erfaſſen kann. Die ſogenannte Langeweile der juriſtiſchen und ſtaats-<lb/>
wiſſenſchaftlichen Vorleſungen beruht meiſt darauf, daß eine Unſumme von Scharfſinn,<lb/>
Definitionen, Detailwiſſen auf den Zuhörer eindringt, ohne daß er eine anſchauliche Vor-<lb/>ſtellung von dem hat, wovon geredet wird. 2. Den Studierenden neben den allgemeinen<lb/>
geſicherten Wahrheiten den Gang beizubringen, auf dem ſie gefunden ſind, die Zweifel<lb/>
darzulegen, welche ſie eingeben, die empiriſchen Grundlagen ſo im Detail darzulegen,<lb/>
daß er ſie ſich ſelbſt ableiten kann. Ich weiß wohl, daß es auch eine andere Methode<lb/>
giebt, daß ſie teilweiſe für den Anfänger vorzuziehen iſt. Auch in der Nationalökonomie,<lb/>
und gerade auch in der hiſtoriſchen, wird eine konſtruierende Methode von mehreren<lb/>
meiner geſchätzteſten Kollegen mit Virtuoſität gehandhabt: man geht von wenigen klaren<lb/>
Sätzen und Formeln, von präciſen Definitionen aus und bringt damit Einfachheit und<lb/>
Klarheit in alles, ich möchte ſagen, zu viel Einfachheit und oft nur eine ſcheinbare<lb/>
Klarheit. Ich fand im Leben immer, daß der Hauptfehler in der praktiſchen Anwendung<lb/>ſtaatswiſſenſchaftlichen Wiſſens der ſei, daß die der Univerſität Entwachſenen die geſell-<lb/>ſchaftlichen Erſcheinungen für viel zu einfach halten; ſie glauben, dieſelben mit wenigen<lb/>
Definitionen und Formeln bemeiſtern zu können. Meiner Auffaſſung und Anlage ent-<lb/>ſpricht es, den Anfänger ſtets auf die Kompliziertheit und Schwierigkeit der Erſcheinungen<lb/>
und Probleme aufmerkſam zu machen, ihm die verſchiedenen Seiten des Gegenſtandes<lb/>
zu zeigen. In den Vorleſungen hat dieſe Eigentümlichkeit mir den Erfolg nicht geraubt.<lb/>
Ich laſſe die folgenden Blätter in die Welt mit der Hoffnung gehen, daß ſie auch den<lb/>
Leſer nicht zu ſehr abſchrecken möge.</p><lb/><p>Über die äußere Anordnung und den Umfang füge ich nur die Bemerkung bei:<lb/>
Das ganze Buch ſollte etwa 40 Bogen nicht überſteigen; es ſollte ein lesbarer, nicht allzu<lb/>
teurer Grundriß bleiben. Dadurch waren Citate ausgeſchloſſen. Und ebenſo konnte von<lb/>
der Litteratur nur das wichtigſte vor jedes Kapitel geſetzt werden, das, was in erſter<lb/>
Linie dem zu empfehlen iſt, der ſich von dieſer Einführung aus weiter in das Studium<lb/>
der Fragen vertiefen will.</p><lb/><p>Ich übergebe den Grundriß der Öffentlichkeit mit dem Gefühle glücklicher Dank-<lb/>
barkeit, daß ich den Abſchluß erleben durfte. Denn in gewiſſer Beziehung ziehe ich hier<lb/>
doch die Summe meiner wiſſenſchaftlichen und perſönlichen Überzeugungen. Meinem<lb/>
Aſſiſtenten, Herrn A. Spiethoff, und meiner Frau danke ich für die treue Hülfe bei<lb/>
der Korrektur und ſonſtiger Fertigſtellung; Herr Spiethoff hat das Regiſter gefertigt,<lb/>
das bei Ausgabe der zweiten Hälfte vervollſtändigt fürs ganze Buch erſcheinen wird.<lb/>
Daß ich das Bedürfnis hatte, das Buch meiner Frau zu widmen, wird der wenigſtens<lb/>
verſtehen, der uns beide und unſer Verhältnis zu einander kennt.</p><lb/><p><hirendition="#g">Martinsbrunn</hi> bei Meran, Oſtern 1900.</p><lb/><p><hirendition="#et"><hirendition="#b">Guſtav Schmoller.</hi></hi></p></div><lb/></front></text></TEI>
[VI/0012]
Vorrede.
Wiſſenſchaft überfallen hatte. Ich ſpürte, daß ich mir Klarheit in dieſen verſchaffen
mußte, gerade auch um das Detail der archivaliſchen Forſchung zum höchſten Ertrag
zu bringen.
Meine alte Liebe zu philoſophiſchen und pſychologiſchen Studien war mit neuer
Kraft erwacht. Ich fühlte mehr und mehr, daß die Aufgabe nach Charakter, Studien-
gang und Neigungen doch eine mir angemeſſene ſei, daß vor allem meine Vorleſungen
dadurch ſehr gewönnen, daß die ſtärkſte Anſpannung der geiſtigen Kräfte doch bei der
Vorbereitung auf die Vorleſung ſtattfinde, daß meine beſten allgemeinen Gedanken mir
dabei kämen, und daß deshalb auch der Verſuch, das zu fixieren, was ich den
Studierenden ſage, berechtigt und heilſam ſei, obwohl er den Autor nötigt, die Bruch-
ſtücke ſeines Wiſſens unter dem Geſichtspunkte ſeiner geſchloſſenen Weltanſchauung zu
einem Ganzen zu vereinigen. Man könnte ſagen, gerade deswegen ſei der Verſuch
berechtigt, denn dieſe Art der Zuſammenfaſſung müſſe ſtets neben der empiriſchen Detail-
arbeit ihr Recht behaupten.
Die Geſichtspunkte, welche mich bei meinen Vorleſungen beſeelen, ſind immer die
geweſen: 1. ſo anſchaulich zu ſein, daß der, welcher die Dinge noch nicht kennt, ſie
einigermaßen ſehen und erfaſſen kann. Die ſogenannte Langeweile der juriſtiſchen und ſtaats-
wiſſenſchaftlichen Vorleſungen beruht meiſt darauf, daß eine Unſumme von Scharfſinn,
Definitionen, Detailwiſſen auf den Zuhörer eindringt, ohne daß er eine anſchauliche Vor-
ſtellung von dem hat, wovon geredet wird. 2. Den Studierenden neben den allgemeinen
geſicherten Wahrheiten den Gang beizubringen, auf dem ſie gefunden ſind, die Zweifel
darzulegen, welche ſie eingeben, die empiriſchen Grundlagen ſo im Detail darzulegen,
daß er ſie ſich ſelbſt ableiten kann. Ich weiß wohl, daß es auch eine andere Methode
giebt, daß ſie teilweiſe für den Anfänger vorzuziehen iſt. Auch in der Nationalökonomie,
und gerade auch in der hiſtoriſchen, wird eine konſtruierende Methode von mehreren
meiner geſchätzteſten Kollegen mit Virtuoſität gehandhabt: man geht von wenigen klaren
Sätzen und Formeln, von präciſen Definitionen aus und bringt damit Einfachheit und
Klarheit in alles, ich möchte ſagen, zu viel Einfachheit und oft nur eine ſcheinbare
Klarheit. Ich fand im Leben immer, daß der Hauptfehler in der praktiſchen Anwendung
ſtaatswiſſenſchaftlichen Wiſſens der ſei, daß die der Univerſität Entwachſenen die geſell-
ſchaftlichen Erſcheinungen für viel zu einfach halten; ſie glauben, dieſelben mit wenigen
Definitionen und Formeln bemeiſtern zu können. Meiner Auffaſſung und Anlage ent-
ſpricht es, den Anfänger ſtets auf die Kompliziertheit und Schwierigkeit der Erſcheinungen
und Probleme aufmerkſam zu machen, ihm die verſchiedenen Seiten des Gegenſtandes
zu zeigen. In den Vorleſungen hat dieſe Eigentümlichkeit mir den Erfolg nicht geraubt.
Ich laſſe die folgenden Blätter in die Welt mit der Hoffnung gehen, daß ſie auch den
Leſer nicht zu ſehr abſchrecken möge.
Über die äußere Anordnung und den Umfang füge ich nur die Bemerkung bei:
Das ganze Buch ſollte etwa 40 Bogen nicht überſteigen; es ſollte ein lesbarer, nicht allzu
teurer Grundriß bleiben. Dadurch waren Citate ausgeſchloſſen. Und ebenſo konnte von
der Litteratur nur das wichtigſte vor jedes Kapitel geſetzt werden, das, was in erſter
Linie dem zu empfehlen iſt, der ſich von dieſer Einführung aus weiter in das Studium
der Fragen vertiefen will.
Ich übergebe den Grundriß der Öffentlichkeit mit dem Gefühle glücklicher Dank-
barkeit, daß ich den Abſchluß erleben durfte. Denn in gewiſſer Beziehung ziehe ich hier
doch die Summe meiner wiſſenſchaftlichen und perſönlichen Überzeugungen. Meinem
Aſſiſtenten, Herrn A. Spiethoff, und meiner Frau danke ich für die treue Hülfe bei
der Korrektur und ſonſtiger Fertigſtellung; Herr Spiethoff hat das Regiſter gefertigt,
das bei Ausgabe der zweiten Hälfte vervollſtändigt fürs ganze Buch erſcheinen wird.
Daß ich das Bedürfnis hatte, das Buch meiner Frau zu widmen, wird der wenigſtens
verſtehen, der uns beide und unſer Verhältnis zu einander kennt.
Martinsbrunn bei Meran, Oſtern 1900.
Guſtav Schmoller.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900, S. VI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_grundriss01_1900/12>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.