Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schmolck, Benjamin: Das Himmlische Vergnügen in Gott, oder vollständiges Gebett-Buch. Neue Aufl. Basel, 1753.

Bild:
<< vorherige Seite
Gebett in Kranckheit.
Der Angefochtene hält an.

ACh GOtt! ists dann nicht bald genug? Sind
die Jahre meines Elendes noch nicht erfüllet?
Will dann nicht einmal ein Ende nehmen mein kur-
tzes Leben, daß ich mich erquicke, ehe ich ins Grab
fahre; ich habe gantzer Monden vergeblich gearbei-
tet, und elender Nächte sind mir viel worden; ich ü-
berdencke meine Noth, und wann andere der süssen
Nacht-Ruh geniessen, so läßt mich mein Anliegen
nicht schlafen; ich laß auch alsdann der Traurig-
keit ihren Willen, weil mir niemand zusiehet: Ich
bin müde von Seuffzen, und bin doch nicht müde zu
sorgen; viel Bekümmernissen liegen mir auf mei-
nem Hertzen, weil der Tröster, der meine Seele er-
quicken soll, von mir gewichen ist. Ich dencke hin
und her, und mache mir mancherley Sorgen, wie
mir zu helffen sey; ich wollte mich gern selbst trösten,
und mein Hertz zufrieden stellen: Es ist aber umsonst;
ich vertieffe mich offt so sehr in meinen traurigen Ge-
dancken, daß ich mich kaum selbst erholen kan.
Ich spreche mir zu aus deinem Wort: Aber, ach
GOtt! es will so nicht hafften, wie ich wünsche:
Darum, mein GOTT! erbarm dich doch deines
Kindes, welches wie ein armes Würmelein sich in
seinem Elend krümmet, und nicht allein dem Leibe
nach matt und kranck ist, sondern auch der Seelen
nach, mit viel Traurigkeit umfangen, doch nach dei-
nem guten Willen. Schreibe du doch selbst die herr-
liche Trost-Sprüche deines Worts in mein Hertz, und
laß sie seyn ein köstlicher Balsam Gileads in meinen

Wun-
Gebett in Kranckheit.
Der Angefochtene hält an.

ACh GOtt! iſts dann nicht bald genug? Sind
die Jahre meines Elendes noch nicht erfüllet?
Will dann nicht einmal ein Ende nehmen mein kur-
tzes Leben, daß ich mich erquicke, ehe ich ins Grab
fahre; ich habe gantzer Monden vergeblich gearbei-
tet, und elender Nächte ſind mir viel worden; ich ü-
berdencke meine Noth, und wann andere der ſüſſen
Nacht-Ruh genieſſen, ſo läßt mich mein Anliegen
nicht ſchlafen; ich laß auch alsdann der Traurig-
keit ihren Willen, weil mir niemand zuſiehet: Ich
bin müde von Seuffzen, und bin doch nicht müde zu
ſorgen; viel Bekümmerniſſen liegen mir auf mei-
nem Hertzen, weil der Tröſter, der meine Seele er-
quicken ſoll, von mir gewichen iſt. Ich dencke hin
und her, und mache mir mancherley Sorgen, wie
mir zu helffen ſey; ich wollte mich gern ſelbſt tröſten,
und mein Hertz zufrieden ſtellen: Es iſt aber umſonſt;
ich vertieffe mich offt ſo ſehr in meinen traurigen Ge-
dancken, daß ich mich kaum ſelbſt erholen kan.
Ich ſpreche mir zu aus deinem Wort: Aber, ach
GOtt! es will ſo nicht hafften, wie ich wünſche:
Darum, mein GOTT! erbarm dich doch deines
Kindes, welches wie ein armes Würmelein ſich in
ſeinem Elend krümmet, und nicht allein dem Leibe
nach matt und kranck iſt, ſondern auch der Seelen
nach, mit viel Traurigkeit umfangen, doch nach dei-
nem guten Willen. Schreibe du doch ſelbſt die herr-
liche Troſt-Sprüche deines Worts in mein Hertz, und
laß ſie ſeyn ein köſtlicher Balſam Gileads in meinen

Wun-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0674" n="652"/>
        <fw place="top" type="header">Gebett in Kranckheit.</fw><lb/>
        <div n="2">
          <head>Der Angefochtene hält an.</head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">A</hi>Ch GOtt! i&#x017F;ts dann nicht bald genug? Sind<lb/>
die Jahre meines Elendes noch nicht erfüllet?<lb/>
Will dann nicht einmal ein Ende nehmen mein kur-<lb/>
tzes Leben, daß ich mich erquicke, ehe ich ins Grab<lb/>
fahre; ich habe gantzer Monden vergeblich gearbei-<lb/>
tet, und elender Nächte &#x017F;ind mir viel worden; ich ü-<lb/>
berdencke meine Noth, und wann andere der &#x017F;ü&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Nacht-Ruh genie&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o läßt mich mein Anliegen<lb/>
nicht &#x017F;chlafen; ich laß auch alsdann der Traurig-<lb/>
keit ihren Willen, weil mir niemand zu&#x017F;iehet: Ich<lb/>
bin müde von Seuffzen, und bin doch nicht müde zu<lb/>
&#x017F;orgen; viel Bekümmerni&#x017F;&#x017F;en liegen mir auf mei-<lb/>
nem Hertzen, weil der Trö&#x017F;ter, der meine Seele er-<lb/>
quicken &#x017F;oll, von mir gewichen i&#x017F;t. Ich dencke hin<lb/>
und her, und mache mir mancherley Sorgen, wie<lb/>
mir zu helffen &#x017F;ey; ich wollte mich gern &#x017F;elb&#x017F;t trö&#x017F;ten,<lb/>
und mein Hertz zufrieden &#x017F;tellen: Es i&#x017F;t aber um&#x017F;on&#x017F;t;<lb/>
ich vertieffe mich offt &#x017F;o &#x017F;ehr in meinen traurigen Ge-<lb/>
dancken, daß ich mich kaum &#x017F;elb&#x017F;t erholen kan.<lb/>
Ich &#x017F;preche mir zu aus deinem Wort: Aber, ach<lb/>
GOtt! es will &#x017F;o nicht hafften, wie ich wün&#x017F;che:<lb/>
Darum, mein GOTT! erbarm dich doch deines<lb/>
Kindes, welches wie ein armes Würmelein &#x017F;ich in<lb/>
&#x017F;einem Elend krümmet, und nicht allein dem Leibe<lb/>
nach matt und kranck i&#x017F;t, &#x017F;ondern auch der Seelen<lb/>
nach, mit viel Traurigkeit umfangen, doch nach dei-<lb/>
nem guten Willen. Schreibe du doch &#x017F;elb&#x017F;t die herr-<lb/>
liche Tro&#x017F;t-Sprüche deines Worts in mein Hertz, und<lb/>
laß &#x017F;ie &#x017F;eyn ein kö&#x017F;tlicher Bal&#x017F;am Gileads in meinen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Wun-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[652/0674] Gebett in Kranckheit. Der Angefochtene hält an. ACh GOtt! iſts dann nicht bald genug? Sind die Jahre meines Elendes noch nicht erfüllet? Will dann nicht einmal ein Ende nehmen mein kur- tzes Leben, daß ich mich erquicke, ehe ich ins Grab fahre; ich habe gantzer Monden vergeblich gearbei- tet, und elender Nächte ſind mir viel worden; ich ü- berdencke meine Noth, und wann andere der ſüſſen Nacht-Ruh genieſſen, ſo läßt mich mein Anliegen nicht ſchlafen; ich laß auch alsdann der Traurig- keit ihren Willen, weil mir niemand zuſiehet: Ich bin müde von Seuffzen, und bin doch nicht müde zu ſorgen; viel Bekümmerniſſen liegen mir auf mei- nem Hertzen, weil der Tröſter, der meine Seele er- quicken ſoll, von mir gewichen iſt. Ich dencke hin und her, und mache mir mancherley Sorgen, wie mir zu helffen ſey; ich wollte mich gern ſelbſt tröſten, und mein Hertz zufrieden ſtellen: Es iſt aber umſonſt; ich vertieffe mich offt ſo ſehr in meinen traurigen Ge- dancken, daß ich mich kaum ſelbſt erholen kan. Ich ſpreche mir zu aus deinem Wort: Aber, ach GOtt! es will ſo nicht hafften, wie ich wünſche: Darum, mein GOTT! erbarm dich doch deines Kindes, welches wie ein armes Würmelein ſich in ſeinem Elend krümmet, und nicht allein dem Leibe nach matt und kranck iſt, ſondern auch der Seelen nach, mit viel Traurigkeit umfangen, doch nach dei- nem guten Willen. Schreibe du doch ſelbſt die herr- liche Troſt-Sprüche deines Worts in mein Hertz, und laß ſie ſeyn ein köſtlicher Balſam Gileads in meinen Wun-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schmolck_vergnuegen_1753
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schmolck_vergnuegen_1753/674
Zitationshilfe: Schmolck, Benjamin: Das Himmlische Vergnügen in Gott, oder vollständiges Gebett-Buch. Neue Aufl. Basel, 1753, S. 652. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmolck_vergnuegen_1753/674>, abgerufen am 23.07.2024.