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Schmolck, Benjamin: Das Himmlische Vergnügen in Gott, oder vollständiges Gebett-Buch. Neue Aufl. Basel, 1753.

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Gebett in Verfolgung.
zänckischen Hütten Kedars. Ach wie lang wird
es meiner Seelen, bey denen zu wohnen, die den
Frieden hassen.

Zu wem soll ich doch in diesen Nöthen und Drang-
salen meine Zuflucht nehmen? Da ich keinen treuen
Freund finde, in dessen Schoos ich mein Sorgen-
volles Hertz ausschütte, und dem ich mein Anliegen
klage: Der Welt darff ichs nicht klagen, wie mir in
diesen Drangsalen zu Muth sey, denn sie ist untreu
und falsch, und würde meiner viel eher spotten, als
mich beklagen und trösten. Du allein bists, mein
GOtt, zu dem ich kühnlich tretten, und dem ich mein
Anliegen darff klagen.

Zwar ich muß bekennen, mein GOtt! daß ich diß
alles, womit du mich züchtigest, mit meinen Sün-
den wohl verdienet; dann da es mir wohl gieng,
und da ich von keinem Feind wußte, war ich träg und
nachläßig in den Pflichten meines Christenthums,
mein Beten, Singen, Lesen, ach! das war sehr
schläferig, und meine Andacht im Gehör deines
Worts sehr flüchtig; ich hatte in denen Gesellschaff-
ten der Welt-Kinder mehr Lust zur Erden als zum
Himmel.

Aber nun komm ich wieder zu mir selbst: Darum
dancke ich dir, HERR, daß du mich gedemüthiget
hast, dann nun lerne ich deine Rechte kennen, nun
sehe ich recht die Bosheit der argen und schnöden
Welt, nun lerne ich, was Menschen-Gunst und
Freundschafft sey; ich wußte nicht, warum David
in seinen Psalmen so sehr klagte über die Menge und

Ver-

Gebett in Verfolgung.
zänckiſchen Hütten Kedars. Ach wie lang wird
es meiner Seelen, bey denen zu wohnen, die den
Frieden haſſen.

Zu wem ſoll ich doch in dieſen Nöthen und Drang-
ſalen meine Zuflucht nehmen? Da ich keinen treuen
Freund finde, in deſſen Schoos ich mein Sorgen-
volles Hertz ausſchütte, und dem ich mein Anliegen
klage: Der Welt darff ichs nicht klagen, wie mir in
dieſen Drangſalen zu Muth ſey, denn ſie iſt untreu
und falſch, und würde meiner viel eher ſpotten, als
mich beklagen und tröſten. Du allein biſts, mein
GOtt, zu dem ich kühnlich tretten, und dem ich mein
Anliegen darff klagen.

Zwar ich muß bekennen, mein GOtt! daß ich diß
alles, womit du mich züchtigeſt, mit meinen Sün-
den wohl verdienet; dann da es mir wohl gieng,
und da ich von keinem Feind wußte, war ich träg und
nachläßig in den Pflichten meines Chriſtenthums,
mein Beten, Singen, Leſen, ach! das war ſehr
ſchläferig, und meine Andacht im Gehör deines
Worts ſehr flüchtig; ich hatte in denen Geſellſchaff-
ten der Welt-Kinder mehr Luſt zur Erden als zum
Himmel.

Aber nun komm ich wieder zu mir ſelbſt: Darum
dancke ich dir, HERR, daß du mich gedemüthiget
haſt, dann nun lerne ich deine Rechte kennen, nun
ſehe ich recht die Bosheit der argen und ſchnöden
Welt, nun lerne ich, was Menſchen-Gunſt und
Freundſchafft ſey; ich wußte nicht, warum David
in ſeinen Pſalmen ſo ſehr klagte über die Menge und

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[586/0608] Gebett in Verfolgung. zänckiſchen Hütten Kedars. Ach wie lang wird es meiner Seelen, bey denen zu wohnen, die den Frieden haſſen. Zu wem ſoll ich doch in dieſen Nöthen und Drang- ſalen meine Zuflucht nehmen? Da ich keinen treuen Freund finde, in deſſen Schoos ich mein Sorgen- volles Hertz ausſchütte, und dem ich mein Anliegen klage: Der Welt darff ichs nicht klagen, wie mir in dieſen Drangſalen zu Muth ſey, denn ſie iſt untreu und falſch, und würde meiner viel eher ſpotten, als mich beklagen und tröſten. Du allein biſts, mein GOtt, zu dem ich kühnlich tretten, und dem ich mein Anliegen darff klagen. Zwar ich muß bekennen, mein GOtt! daß ich diß alles, womit du mich züchtigeſt, mit meinen Sün- den wohl verdienet; dann da es mir wohl gieng, und da ich von keinem Feind wußte, war ich träg und nachläßig in den Pflichten meines Chriſtenthums, mein Beten, Singen, Leſen, ach! das war ſehr ſchläferig, und meine Andacht im Gehör deines Worts ſehr flüchtig; ich hatte in denen Geſellſchaff- ten der Welt-Kinder mehr Luſt zur Erden als zum Himmel. Aber nun komm ich wieder zu mir ſelbſt: Darum dancke ich dir, HERR, daß du mich gedemüthiget haſt, dann nun lerne ich deine Rechte kennen, nun ſehe ich recht die Bosheit der argen und ſchnöden Welt, nun lerne ich, was Menſchen-Gunſt und Freundſchafft ſey; ich wußte nicht, warum David in ſeinen Pſalmen ſo ſehr klagte über die Menge und Ver-

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Zitationshilfe: Schmolck, Benjamin: Das Himmlische Vergnügen in Gott, oder vollständiges Gebett-Buch. Neue Aufl. Basel, 1753, S. 586. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmolck_vergnuegen_1753/608>, abgerufen am 22.11.2024.