freue ich mich, wenn ich zum Berg des HErrn stei- ge; nun ist dein Wort wie ein zweyschneidiges Schwerdt, welches durch mein Hertz gehet; nun erquicket der Thau deines himmlischen Trostes mein abgemattetes Hertz, wie ein Spat-Regen ein dür- res Land. Darum dancke ich dir, HErr, daß du mich gezüchtiget hast, auf daß ich deine Rechte lerne.
Hält schon mein Elend an, so soll doch meine Hoffnung nicht aufhören, mein Glaube wird durch deine Gnade nimmer wancken. Und wenn du, mein Vatter! dich schon stellest, als wärest du mein Feind worden, so will ich doch nicht nachlassen, dich anzu- ruffen als meinen Freund. Und wenn ich schon kei- ne Verheissung deiner gnädigen Erhörung wüßte, so wollte ichs doch machen als ein Bettler, der von ei- nem Reichen mit demüthigem Anhalten ein Allmo- sen fordert; und wann du mich als ein Hündlein, von dem Tisch deiner Kinder verstiessest, und mein ernstes Gebett durch eine harte Antwort abwiesest: So wollte ichs doch machen wie das Cananäische Weiblein, dir nachschreyen, und sagen: HErr! nur ein Bröcklein von deinem Gnaden-Tisch, ich will gern ein armes Hündlein heissen, wann ich nur zu deinen Füssen mag liegen, und auflesen die Gnaden-Bröck- lein, die andere verachten. Ach HErr! nur einen Gnaden-Groschen auf der Reise dieses betrübten Le- bens, daß ich mit Ehren möge durch diese arge Welt kommen; nur einen kühlen Labe-Tranck von den Wassern deines Trostes; nur einen Stab in meine
schwa-
Gebett in Armuth
freue ich mich, wenn ich zum Berg des HErrn ſtei- ge; nun iſt dein Wort wie ein zweyſchneidiges Schwerdt, welches durch mein Hertz gehet; nun erquicket der Thau deines himmliſchen Troſtes mein abgemattetes Hertz, wie ein Spat-Regen ein dür- res Land. Darum dancke ich dir, HErr, daß du mich gezüchtiget haſt, auf daß ich deine Rechte lerne.
Hält ſchon mein Elend an, ſo ſoll doch meine Hoffnung nicht aufhören, mein Glaube wird durch deine Gnade nimmer wancken. Und wenn du, mein Vatter! dich ſchon ſtelleſt, als wäreſt du mein Feind worden, ſo will ich doch nicht nachlaſſen, dich anzu- ruffen als meinen Freund. Und wenn ich ſchon kei- ne Verheiſſung deiner gnädigen Erhörung wüßte, ſo wollte ichs doch machen als ein Bettler, der von ei- nem Reichen mit demüthigem Anhalten ein Allmo- ſen fordert; und wann du mich als ein Hündlein, von dem Tiſch deiner Kinder verſtieſſeſt, und mein ernſtes Gebett durch eine harte Antwort abwieſeſt: So wollte ichs doch machen wie das Cananäiſche Weiblein, dir nachſchreyen, und ſagen: HErr! nur ein Bröcklein von deinem Gnaden-Tiſch, ich will gern ein armes Hündlein heiſſen, wann ich nur zu deinen Füſſen mag liegen, und aufleſen die Gnaden-Bröck- lein, die andere verachten. Ach HErr! nur einen Gnaden-Groſchen auf der Reiſe dieſes betrübten Le- bens, daß ich mit Ehren möge durch dieſe arge Welt kommen; nur einen kühlen Labe-Tranck von den Waſſern deines Troſtes; nur einen Stab in meine
ſchwa-
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Gebett in Armuth
freue ich mich, wenn ich zum Berg des HErrn ſtei-
ge; nun iſt dein Wort wie ein zweyſchneidiges
Schwerdt, welches durch mein Hertz gehet; nun
erquicket der Thau deines himmliſchen Troſtes mein
abgemattetes Hertz, wie ein Spat-Regen ein dür-
res Land. Darum dancke ich dir, HErr, daß du
mich gezüchtiget haſt, auf daß ich deine Rechte
lerne.
Hält ſchon mein Elend an, ſo ſoll doch meine
Hoffnung nicht aufhören, mein Glaube wird durch
deine Gnade nimmer wancken. Und wenn du, mein
Vatter! dich ſchon ſtelleſt, als wäreſt du mein Feind
worden, ſo will ich doch nicht nachlaſſen, dich anzu-
ruffen als meinen Freund. Und wenn ich ſchon kei-
ne Verheiſſung deiner gnädigen Erhörung wüßte, ſo
wollte ichs doch machen als ein Bettler, der von ei-
nem Reichen mit demüthigem Anhalten ein Allmo-
ſen fordert; und wann du mich als ein Hündlein,
von dem Tiſch deiner Kinder verſtieſſeſt, und mein
ernſtes Gebett durch eine harte Antwort abwieſeſt:
So wollte ichs doch machen wie das Cananäiſche
Weiblein, dir nachſchreyen, und ſagen: HErr! nur
ein Bröcklein von deinem Gnaden-Tiſch, ich will gern
ein armes Hündlein heiſſen, wann ich nur zu deinen
Füſſen mag liegen, und aufleſen die Gnaden-Bröck-
lein, die andere verachten. Ach HErr! nur einen
Gnaden-Groſchen auf der Reiſe dieſes betrübten Le-
bens, daß ich mit Ehren möge durch dieſe arge Welt
kommen; nur einen kühlen Labe-Tranck von den
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Schmolck, Benjamin: Das Himmlische Vergnügen in Gott, oder vollständiges Gebett-Buch. Neue Aufl. Basel, 1753, S. 580. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmolck_vergnuegen_1753/602>, abgerufen am 22.11.2024.
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