ich mich kaum selbst erholen kan. Ich spreche mir zu aus deinem Wort, aber, ach GOtt! es will so nicht hafften, wie ich wünschte, darum, lieber Vat- ter! erbarme dich doch deines Kindes, welches sich wie ein armes Würmlein in seinem Elend krümmet, und schreib doch selbst deinen herrlichen Trost in mein Hertz, daß er sey wie ein köstlicher Balsam für die Wunden meines betrübten Hertzens. Zwar ich muß bekennen, daß ich durch meine vielfältige Sünden diese Züchtigung wohl verdienet, darum muß ich sa- gen: O HErr! du bist gerecht, ich aber muß mich schämen. Ich hab wohl verdienet, daß mir nun meiner Sünden Lohn mit vollem Gewicht dargewo- gen werde: Ja wohl ein mehreres und grösseres hätte ich mit meinen Sünden verschuldet, wann du, o GOtt! nach deiner strengen Gerechtigkeit wolltest handeln; darum muß ich mitten unter dem Zeichen deiner Ungnade deine Gnade rühmen. Dennoch, o GOtt! der du reich bist von Gnade und Barm- hertzigkeit, züchtige mich doch mit Maaß, und nicht in deinem Grimm, auf daß du mich nicht aufreibest, und mache doch dieser Trübsal so ein Ende, daß ich sie könne ertragen. Ach HErr! siehe doch an mein bußfertiges Hertz, welches nun recht zur Erkännt- niß seiner Sünden kommt.
Da es mir wohl und glücklich gieng, wurd ich träg und nachläßig in den Pflichten meines Christen- thums. Ach! wie säumhafft war ich, dein Wort zu hören, wie flüchtig waren meine Gedancken, die treue Vermahnungen deiner Diener nahm ich nicht
zu
Gebett in Armuth
ich mich kaum ſelbſt erholen kan. Ich ſpreche mir zu aus deinem Wort, aber, ach GOtt! es will ſo nicht hafften, wie ich wünſchte, darum, lieber Vat- ter! erbarme dich doch deines Kindes, welches ſich wie ein armes Würmlein in ſeinem Elend krümmet, und ſchreib doch ſelbſt deinen herrlichen Troſt in mein Hertz, daß er ſey wie ein köſtlicher Balſam für die Wunden meines betrübten Hertzens. Zwar ich muß bekennen, daß ich durch meine vielfältige Sünden dieſe Züchtigung wohl verdienet, darum muß ich ſa- gen: O HErr! du biſt gerecht, ich aber muß mich ſchämen. Ich hab wohl verdienet, daß mir nun meiner Sünden Lohn mit vollem Gewicht dargewo- gen werde: Ja wohl ein mehreres und gröſſeres hätte ich mit meinen Sünden verſchuldet, wann du, o GOtt! nach deiner ſtrengen Gerechtigkeit wollteſt handeln; darum muß ich mitten unter dem Zeichen deiner Ungnade deine Gnade rühmen. Dennoch, o GOtt! der du reich biſt von Gnade und Barm- hertzigkeit, züchtige mich doch mit Maaß, und nicht in deinem Grimm, auf daß du mich nicht aufreibeſt, und mache doch dieſer Trübſal ſo ein Ende, daß ich ſie könne ertragen. Ach HErr! ſiehe doch an mein bußfertiges Hertz, welches nun recht zur Erkännt- niß ſeiner Sünden kommt.
Da es mir wohl und glücklich gieng, wurd ich träg und nachläßig in den Pflichten meines Chriſten- thums. Ach! wie ſäumhafft war ich, dein Wort zu hören, wie flüchtig waren meine Gedancken, die treue Vermahnungen deiner Diener nahm ich nicht
zu
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0600"n="578"/><fwplace="top"type="header">Gebett in Armuth</fw><lb/>
ich mich kaum ſelbſt erholen kan. Ich ſpreche mir<lb/>
zu aus deinem Wort, aber, ach GOtt! es will ſo<lb/>
nicht hafften, wie ich wünſchte, darum, lieber Vat-<lb/>
ter! erbarme dich doch deines Kindes, welches ſich<lb/>
wie ein armes Würmlein in ſeinem Elend krümmet,<lb/>
und ſchreib doch ſelbſt deinen herrlichen Troſt in mein<lb/>
Hertz, daß er ſey wie ein köſtlicher Balſam für die<lb/>
Wunden meines betrübten Hertzens. Zwar ich muß<lb/>
bekennen, daß ich durch meine vielfältige Sünden<lb/>
dieſe Züchtigung wohl verdienet, darum muß ich ſa-<lb/>
gen: O HErr! du biſt gerecht, ich aber muß mich<lb/>ſchämen. Ich hab wohl verdienet, daß mir nun<lb/>
meiner Sünden Lohn mit vollem Gewicht dargewo-<lb/>
gen werde: Ja wohl ein mehreres und gröſſeres<lb/>
hätte ich mit meinen Sünden verſchuldet, wann du,<lb/>
o GOtt! nach deiner ſtrengen Gerechtigkeit wollteſt<lb/>
handeln; darum muß ich mitten unter dem Zeichen<lb/>
deiner Ungnade deine Gnade rühmen. Dennoch,<lb/>
o GOtt! der du reich biſt von Gnade und Barm-<lb/>
hertzigkeit, züchtige mich doch mit Maaß, und nicht<lb/>
in deinem Grimm, auf daß du mich nicht aufreibeſt,<lb/>
und mache doch dieſer Trübſal ſo ein Ende, daß ich<lb/>ſie könne ertragen. Ach HErr! ſiehe doch an mein<lb/>
bußfertiges Hertz, welches nun recht zur Erkännt-<lb/>
niß ſeiner Sünden kommt.</p><lb/><p>Da es mir wohl und glücklich gieng, wurd ich<lb/>
träg und nachläßig in den Pflichten meines Chriſten-<lb/>
thums. Ach! wie ſäumhafft war ich, dein Wort<lb/>
zu hören, wie flüchtig waren meine Gedancken, die<lb/>
treue Vermahnungen deiner Diener nahm ich nicht<lb/><fwplace="bottom"type="catch">zu</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[578/0600]
Gebett in Armuth
ich mich kaum ſelbſt erholen kan. Ich ſpreche mir
zu aus deinem Wort, aber, ach GOtt! es will ſo
nicht hafften, wie ich wünſchte, darum, lieber Vat-
ter! erbarme dich doch deines Kindes, welches ſich
wie ein armes Würmlein in ſeinem Elend krümmet,
und ſchreib doch ſelbſt deinen herrlichen Troſt in mein
Hertz, daß er ſey wie ein köſtlicher Balſam für die
Wunden meines betrübten Hertzens. Zwar ich muß
bekennen, daß ich durch meine vielfältige Sünden
dieſe Züchtigung wohl verdienet, darum muß ich ſa-
gen: O HErr! du biſt gerecht, ich aber muß mich
ſchämen. Ich hab wohl verdienet, daß mir nun
meiner Sünden Lohn mit vollem Gewicht dargewo-
gen werde: Ja wohl ein mehreres und gröſſeres
hätte ich mit meinen Sünden verſchuldet, wann du,
o GOtt! nach deiner ſtrengen Gerechtigkeit wollteſt
handeln; darum muß ich mitten unter dem Zeichen
deiner Ungnade deine Gnade rühmen. Dennoch,
o GOtt! der du reich biſt von Gnade und Barm-
hertzigkeit, züchtige mich doch mit Maaß, und nicht
in deinem Grimm, auf daß du mich nicht aufreibeſt,
und mache doch dieſer Trübſal ſo ein Ende, daß ich
ſie könne ertragen. Ach HErr! ſiehe doch an mein
bußfertiges Hertz, welches nun recht zur Erkännt-
niß ſeiner Sünden kommt.
Da es mir wohl und glücklich gieng, wurd ich
träg und nachläßig in den Pflichten meines Chriſten-
thums. Ach! wie ſäumhafft war ich, dein Wort
zu hören, wie flüchtig waren meine Gedancken, die
treue Vermahnungen deiner Diener nahm ich nicht
zu
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Schmolck, Benjamin: Das Himmlische Vergnügen in Gott, oder vollständiges Gebett-Buch. Neue Aufl. Basel, 1753, S. 578. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmolck_vergnuegen_1753/600>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.