Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schmolck, Benjamin: Das Himmlische Vergnügen in Gott, oder vollständiges Gebett-Buch. Neue Aufl. Basel, 1753.

Bild:
<< vorherige Seite

Gebett einer Wittwe.
die das Feuer deines Zorns anzünden: Sie fallen
zwar über die Wangen herab, aber sie steigen hinauf
gen Himmel, und fallen wie ein Platz-Regen in dei-
nem Zorn wieder herab, auf die, so sie ausgepresset
haben: Du bist gar ein eifriger und gerechter GOtt,
und es ist recht bey dir, denen Trübsal zu vergelten,
die uns Trübsal anlegen.

Dein Exempel, HErr JEsu! und dein Befehl
heißt mich vor alle meine Feinde bitten; ich will es
auch thun, und dir nachsprechen: Vatter, vergieb ih-
nen, dann sie wissen nicht, was sie thun! Bey mir ist
keine Macht, mich zu rächen, ich hab keine Waffen
als Gebett und Thränen: Und wann ich auch eini-
ge Gewalt übrig hätte, so wollte ich doch nicht Bö-
ses mit Bösem vergelten, dein ist die Rache, du kanst
vergeben, nach deiner Gnade, und vergelten nach
deiner Gerechtigkeit.

Du nennest dich ein Richter der Wittwen: Weil
du wohl vorher gesehen hast, wie viel Unrecht und
Gewalt die Wittwen leiden müssen: Darum wirst
du auch meine Sache führen, wann die Welt mich
dränget und mir Unrecht thut: Du wirst mein Bey-
stand seyn, meine Schmach von mir nehmen, und
mir Recht schaffen wider alle, die mich zu kräncken
trachten.

Tritt an Vatters Statt, du mein Mann! und
mein Richter! hier sind die arme Wäisen, die Vat-
ter-losen Kinder, die ihren Versorger und Anfüh-
rer auch gar früh verlohren haben: Da sie dessen
guten Raths, Hülff und Erziehung am meisten

nö-

Gebett einer Wittwe.
die das Feuer deines Zorns anzünden: Sie fallen
zwar über die Wangen herab, aber ſie ſteigen hinauf
gen Himmel, und fallen wie ein Platz-Regen in dei-
nem Zorn wieder herab, auf die, ſo ſie ausgepreſſet
haben: Du biſt gar ein eifriger und gerechter GOtt,
und es iſt recht bey dir, denen Trübſal zu vergelten,
die uns Trübſal anlegen.

Dein Exempel, HErr JEſu! und dein Befehl
heißt mich vor alle meine Feinde bitten; ich will es
auch thun, und dir nachſprechen: Vatter, vergieb ih-
nen, dann ſie wiſſen nicht, was ſie thun! Bey mir iſt
keine Macht, mich zu rächen, ich hab keine Waffen
als Gebett und Thränen: Und wann ich auch eini-
ge Gewalt übrig hätte, ſo wollte ich doch nicht Bö-
ſes mit Böſem vergelten, dein iſt die Rache, du kanſt
vergeben, nach deiner Gnade, und vergelten nach
deiner Gerechtigkeit.

Du nenneſt dich ein Richter der Wittwen: Weil
du wohl vorher geſehen haſt, wie viel Unrecht und
Gewalt die Wittwen leiden müſſen: Darum wirſt
du auch meine Sache führen, wann die Welt mich
dränget und mir Unrecht thut: Du wirſt mein Bey-
ſtand ſeyn, meine Schmach von mir nehmen, und
mir Recht ſchaffen wider alle, die mich zu kräncken
trachten.

Tritt an Vatters Statt, du mein Mann! und
mein Richter! hier ſind die arme Wäiſen, die Vat-
ter-loſen Kinder, die ihren Verſorger und Anfüh-
rer auch gar früh verlohren haben: Da ſie deſſen
guten Raths, Hülff und Erziehung am meiſten

nö-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0570" n="548"/><fw place="top" type="header">Gebett einer Wittwe.</fw><lb/>
die das Feuer deines Zorns anzünden: Sie fallen<lb/>
zwar über die Wangen herab, aber &#x017F;ie &#x017F;teigen hinauf<lb/>
gen Himmel, und fallen wie ein Platz-Regen in dei-<lb/>
nem Zorn wieder herab, auf die, &#x017F;o &#x017F;ie ausgepre&#x017F;&#x017F;et<lb/>
haben: Du bi&#x017F;t gar ein eifriger und gerechter GOtt,<lb/>
und es i&#x017F;t recht bey dir, denen Trüb&#x017F;al zu vergelten,<lb/>
die uns Trüb&#x017F;al anlegen.</p><lb/>
          <p>Dein Exempel, HErr JE&#x017F;u! und dein Befehl<lb/>
heißt mich vor alle meine Feinde bitten; ich will es<lb/>
auch thun, und dir nach&#x017F;prechen: Vatter, vergieb ih-<lb/>
nen, dann &#x017F;ie wi&#x017F;&#x017F;en nicht, was &#x017F;ie thun! Bey mir i&#x017F;t<lb/>
keine Macht, mich zu rächen, ich hab keine Waffen<lb/>
als Gebett und Thränen: Und wann ich auch eini-<lb/>
ge Gewalt übrig hätte, &#x017F;o wollte ich doch nicht Bö-<lb/>
&#x017F;es mit Bö&#x017F;em vergelten, dein i&#x017F;t die Rache, du kan&#x017F;t<lb/>
vergeben, nach deiner Gnade, und vergelten nach<lb/>
deiner Gerechtigkeit.</p><lb/>
          <p>Du nenne&#x017F;t dich ein Richter der Wittwen: Weil<lb/>
du wohl vorher ge&#x017F;ehen ha&#x017F;t, wie viel Unrecht und<lb/>
Gewalt die Wittwen leiden mü&#x017F;&#x017F;en: Darum wir&#x017F;t<lb/>
du auch meine Sache führen, wann die Welt mich<lb/>
dränget und mir Unrecht thut: Du wir&#x017F;t mein Bey-<lb/>
&#x017F;tand &#x017F;eyn, meine Schmach von mir nehmen, und<lb/>
mir Recht &#x017F;chaffen wider alle, die mich zu kräncken<lb/>
trachten.</p><lb/>
          <p>Tritt an Vatters Statt, du mein Mann! und<lb/>
mein Richter! hier &#x017F;ind die arme Wäi&#x017F;en, die Vat-<lb/>
ter-lo&#x017F;en Kinder, die ihren Ver&#x017F;orger und Anfüh-<lb/>
rer auch gar früh verlohren haben: Da &#x017F;ie de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
guten Raths, Hülff und Erziehung am mei&#x017F;ten<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nö-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[548/0570] Gebett einer Wittwe. die das Feuer deines Zorns anzünden: Sie fallen zwar über die Wangen herab, aber ſie ſteigen hinauf gen Himmel, und fallen wie ein Platz-Regen in dei- nem Zorn wieder herab, auf die, ſo ſie ausgepreſſet haben: Du biſt gar ein eifriger und gerechter GOtt, und es iſt recht bey dir, denen Trübſal zu vergelten, die uns Trübſal anlegen. Dein Exempel, HErr JEſu! und dein Befehl heißt mich vor alle meine Feinde bitten; ich will es auch thun, und dir nachſprechen: Vatter, vergieb ih- nen, dann ſie wiſſen nicht, was ſie thun! Bey mir iſt keine Macht, mich zu rächen, ich hab keine Waffen als Gebett und Thränen: Und wann ich auch eini- ge Gewalt übrig hätte, ſo wollte ich doch nicht Bö- ſes mit Böſem vergelten, dein iſt die Rache, du kanſt vergeben, nach deiner Gnade, und vergelten nach deiner Gerechtigkeit. Du nenneſt dich ein Richter der Wittwen: Weil du wohl vorher geſehen haſt, wie viel Unrecht und Gewalt die Wittwen leiden müſſen: Darum wirſt du auch meine Sache führen, wann die Welt mich dränget und mir Unrecht thut: Du wirſt mein Bey- ſtand ſeyn, meine Schmach von mir nehmen, und mir Recht ſchaffen wider alle, die mich zu kräncken trachten. Tritt an Vatters Statt, du mein Mann! und mein Richter! hier ſind die arme Wäiſen, die Vat- ter-loſen Kinder, die ihren Verſorger und Anfüh- rer auch gar früh verlohren haben: Da ſie deſſen guten Raths, Hülff und Erziehung am meiſten nö-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schmolck_vergnuegen_1753
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schmolck_vergnuegen_1753/570
Zitationshilfe: Schmolck, Benjamin: Das Himmlische Vergnügen in Gott, oder vollständiges Gebett-Buch. Neue Aufl. Basel, 1753, S. 548. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmolck_vergnuegen_1753/570>, abgerufen am 23.11.2024.