Die Welt mag immerhin hoch schätzen und rüh- men die, so herrlich leben: Ich will die viel glückse- liger schätzen, so fromm leben. Die Welt mag auf den Triebsand bauen, und auf Silber und Gold ver- trauen. Ich will auf einen Fels des Heyls bauen, und allein auf GOtt vertrauen: Denn ich weiß wohl, daß der GOtt in einer Stunde kan wegneh- men, was in vielen Jahren durch Sorgen, Müh und Arbeit erworben, und daß es auch bey ihm ein geringes sey, den Armen reich zu machen, wenn es ihm nützlich und selig ist, denn GOtt giebt es seinen Freunden schlafend.
Unterdessen will ich fleißig seyn in meinem ehrli- chen Beruff: Denn sonst würde mich die Biene be- schämen, und die Ameise schamroth machen. Auch das Wenige will ich nicht verachten, das mir GOtt giebt, sondern alles mit Danck von der liebreichen Vatter-Hand meines GOttes annehmen.
O du Regierer und Führer meines Lebens! be- wahre mich, daß das Schifflein meiner Seele nicht an zwey gefährliche Klippen stosse, daß ich nicht sparsam nenne, was Geitz heißt, und nicht Freyge- bigkeit nenne, was Verschwendung heißt! sondern durch das Ruder der Vorsichtigkeit allzeit den Mit- tel-Weg der Tugend halte.
Gefährliche Armuth und ungerechten Reichthum gieb mir nicht, sondern nur ein bescheiden Theil. Ich will dir zwar mein GOtt! nicht vorschreiben, weil ich weiß, daß du deine Kinder nimmermehr verläs- sest. Denn ich bin jung gewesen, und alt worden,
und
Gebett eines Kauffmanns.
Die Welt mag immerhin hoch ſchätzen und rüh- men die, ſo herrlich leben: Ich will die viel glückſe- liger ſchätzen, ſo fromm leben. Die Welt mag auf den Triebſand bauen, und auf Silber und Gold ver- trauen. Ich will auf einen Fels des Heyls bauen, und allein auf GOtt vertrauen: Denn ich weiß wohl, daß der GOtt in einer Stunde kan wegneh- men, was in vielen Jahren durch Sorgen, Müh und Arbeit erworben, und daß es auch bey ihm ein geringes ſey, den Armen reich zu machen, wenn es ihm nützlich und ſelig iſt, denn GOtt giebt es ſeinen Freunden ſchlafend.
Unterdeſſen will ich fleißig ſeyn in meinem ehrli- chen Beruff: Denn ſonſt würde mich die Biene be- ſchämen, und die Ameiſe ſchamroth machen. Auch das Wenige will ich nicht verachten, das mir GOtt giebt, ſondern alles mit Danck von der liebreichen Vatter-Hand meines GOttes annehmen.
O du Regierer und Führer meines Lebens! be- wahre mich, daß das Schifflein meiner Seele nicht an zwey gefährliche Klippen ſtoſſe, daß ich nicht ſparſam nenne, was Geitz heißt, und nicht Freyge- bigkeit nenne, was Verſchwendung heißt! ſondern durch das Ruder der Vorſichtigkeit allzeit den Mit- tel-Weg der Tugend halte.
Gefährliche Armuth und ungerechten Reichthum gieb mir nicht, ſondern nur ein beſcheiden Theil. Ich will dir zwar mein GOtt! nicht vorſchreiben, weil ich weiß, daß du deine Kinder nimmermehr verläſ- ſeſt. Denn ich bin jung geweſen, und alt worden,
und
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Gebett eines Kauffmanns.
Die Welt mag immerhin hoch ſchätzen und rüh-
men die, ſo herrlich leben: Ich will die viel glückſe-
liger ſchätzen, ſo fromm leben. Die Welt mag auf
den Triebſand bauen, und auf Silber und Gold ver-
trauen. Ich will auf einen Fels des Heyls bauen,
und allein auf GOtt vertrauen: Denn ich weiß
wohl, daß der GOtt in einer Stunde kan wegneh-
men, was in vielen Jahren durch Sorgen, Müh
und Arbeit erworben, und daß es auch bey ihm ein
geringes ſey, den Armen reich zu machen, wenn es
ihm nützlich und ſelig iſt, denn GOtt giebt es ſeinen
Freunden ſchlafend.
Unterdeſſen will ich fleißig ſeyn in meinem ehrli-
chen Beruff: Denn ſonſt würde mich die Biene be-
ſchämen, und die Ameiſe ſchamroth machen. Auch
das Wenige will ich nicht verachten, das mir GOtt
giebt, ſondern alles mit Danck von der liebreichen
Vatter-Hand meines GOttes annehmen.
O du Regierer und Führer meines Lebens! be-
wahre mich, daß das Schifflein meiner Seele nicht
an zwey gefährliche Klippen ſtoſſe, daß ich nicht
ſparſam nenne, was Geitz heißt, und nicht Freyge-
bigkeit nenne, was Verſchwendung heißt! ſondern
durch das Ruder der Vorſichtigkeit allzeit den Mit-
tel-Weg der Tugend halte.
Gefährliche Armuth und ungerechten Reichthum
gieb mir nicht, ſondern nur ein beſcheiden Theil. Ich
will dir zwar mein GOtt! nicht vorſchreiben, weil
ich weiß, daß du deine Kinder nimmermehr verläſ-
ſeſt. Denn ich bin jung geweſen, und alt worden,
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Schmolck, Benjamin: Das Himmlische Vergnügen in Gott, oder vollständiges Gebett-Buch. Neue Aufl. Basel, 1753, S. 523. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmolck_vergnuegen_1753/545>, abgerufen am 25.11.2024.
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