Schmolck, Benjamin: Das Himmlische Vergnügen in Gott, oder vollständiges Gebett-Buch. Neue Aufl. Basel, 1753.Um Prüffung des Glaubens. elende Stückwerck. Mein Wille ist noch so ver-kehrt, daß ich das Gute, wovon ich überzeuget bin, doch nicht allemal thue: Zum Bösen aber finde ich mich gar offt so weit hingerissen, daß ich genug zu thun habe, wieder einzuholen, was ich durch meine Trägheit versäumet habe. Höre ich meinem eigenen arglistigen Hertzen nur ein wenig zu viel zu, so weiß es tausend Entschul- digungen, meine Sünden klein zu machen, die doch wie gantze Berge über mein Haupt gewach- sen, und wie eine schwere Last mir sind zu schwer worden. Das gantze Haupt ist warlich bey mir kranck, das gantze Hertz ist matt: Von dem Schei- tel an bis zu den Fußsohlen ist nichts gesundes an mir. Ich bin lahm zum Guten, und hincke wie Mephiboset: Meine Hände sind befleckt mit un- reinen Wercken: Mein Mund ist befleckt mit un- reinen Worten: Ich bin blödsichtig wie Lea, zu se- hen, was zu meinem Frieden dienet: Ich bin taub und harthörig zu vernehmen die inwendige Spra- che deines Geistes, meines eigenen Gewissens in mir, und die Stimme deines Worts ausser mir. Ach GOtt! diß alles erkenne ich, und sehe auf die Greuel der Sünde mit empfindlicher und beweg- ter Seele. Und ach! daß ich doch darüber so em- pfindlich wäre, wie ich gerne wollte. Ich komme dann mit bußfertiger und bereuender Seele, und werffe mich in der allertieffesten Demuth nieder vor deinem Gnaden-Thron, und ruffe mit David aus dem Abgrund meiner Sünde zu dem Abgrund dei-
Um Prüffung des Glaubens. elende Stückwerck. Mein Wille iſt noch ſo ver-kehrt, daß ich das Gute, wovon ich überzeuget bin, doch nicht allemal thue: Zum Böſen aber finde ich mich gar offt ſo weit hingeriſſen, daß ich genug zu thun habe, wieder einzuholen, was ich durch meine Trägheit verſäumet habe. Höre ich meinem eigenen argliſtigen Hertzen nur ein wenig zu viel zu, ſo weiß es tauſend Entſchul- digungen, meine Sünden klein zu machen, die doch wie gantze Berge über mein Haupt gewach- ſen, und wie eine ſchwere Laſt mir ſind zu ſchwer worden. Das gantze Haupt iſt warlich bey mir kranck, das gantze Hertz iſt matt: Von dem Schei- tel an bis zu den Fußſohlen iſt nichts geſundes an mir. Ich bin lahm zum Guten, und hincke wie Mephiboſet: Meine Hände ſind befleckt mit un- reinen Wercken: Mein Mund iſt befleckt mit un- reinen Worten: Ich bin blödſichtig wie Lea, zu ſe- hen, was zu meinem Frieden dienet: Ich bin taub und harthörig zu vernehmen die inwendige Spra- che deines Geiſtes, meines eigenen Gewiſſens in mir, und die Stimme deines Worts auſſer mir. Ach GOtt! diß alles erkenne ich, und ſehe auf die Greuel der Sünde mit empfindlicher und beweg- ter Seele. Und ach! daß ich doch darüber ſo em- pfindlich wäre, wie ich gerne wollte. Ich komme dann mit bußfertiger und bereuender Seele, und werffe mich in der allertieffeſten Demuth nieder vor deinem Gnaden-Thron, und ruffe mit David aus dem Abgrund meiner Sünde zu dem Abgrund dei-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0336" n="314"/><fw place="top" type="header">Um Prüffung des Glaubens.</fw><lb/> elende Stückwerck. Mein Wille iſt noch ſo ver-<lb/> kehrt, daß ich das Gute, wovon ich überzeuget<lb/> bin, doch nicht allemal thue: Zum Böſen aber<lb/> finde ich mich gar offt ſo weit hingeriſſen, daß ich<lb/> genug zu thun habe, wieder einzuholen,<lb/> was ich durch meine Trägheit verſäumet habe.<lb/> Höre ich meinem eigenen argliſtigen Hertzen nur<lb/> ein wenig zu viel zu, ſo weiß es tauſend Entſchul-<lb/> digungen, meine Sünden klein zu machen, die<lb/> doch wie gantze Berge über mein Haupt gewach-<lb/> ſen, und wie eine ſchwere Laſt mir ſind zu ſchwer<lb/> worden. Das gantze Haupt iſt warlich bey mir<lb/> kranck, das gantze Hertz iſt matt: Von dem Schei-<lb/> tel an bis zu den Fußſohlen iſt nichts geſundes an<lb/> mir. Ich bin lahm zum Guten, und hincke wie<lb/> Mephiboſet: Meine Hände ſind befleckt mit un-<lb/> reinen Wercken: Mein Mund iſt befleckt mit un-<lb/> reinen Worten: Ich bin blödſichtig wie Lea, zu ſe-<lb/> hen, was zu meinem Frieden dienet: Ich bin taub<lb/> und harthörig zu vernehmen die inwendige Spra-<lb/> che deines Geiſtes, meines eigenen Gewiſſens in<lb/> mir, und die Stimme deines Worts auſſer mir.<lb/> Ach GOtt! diß alles erkenne ich, und ſehe auf die<lb/> Greuel der Sünde mit empfindlicher und beweg-<lb/> ter Seele. Und ach! daß ich doch darüber ſo em-<lb/> pfindlich wäre, wie ich gerne wollte. Ich komme<lb/> dann mit bußfertiger und bereuender Seele, und<lb/> werffe mich in der allertieffeſten Demuth nieder vor<lb/> deinem Gnaden-Thron, und ruffe mit David aus<lb/> dem Abgrund meiner Sünde zu dem Abgrund<lb/> <fw place="bottom" type="catch">dei-</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [314/0336]
Um Prüffung des Glaubens.
elende Stückwerck. Mein Wille iſt noch ſo ver-
kehrt, daß ich das Gute, wovon ich überzeuget
bin, doch nicht allemal thue: Zum Böſen aber
finde ich mich gar offt ſo weit hingeriſſen, daß ich
genug zu thun habe, wieder einzuholen,
was ich durch meine Trägheit verſäumet habe.
Höre ich meinem eigenen argliſtigen Hertzen nur
ein wenig zu viel zu, ſo weiß es tauſend Entſchul-
digungen, meine Sünden klein zu machen, die
doch wie gantze Berge über mein Haupt gewach-
ſen, und wie eine ſchwere Laſt mir ſind zu ſchwer
worden. Das gantze Haupt iſt warlich bey mir
kranck, das gantze Hertz iſt matt: Von dem Schei-
tel an bis zu den Fußſohlen iſt nichts geſundes an
mir. Ich bin lahm zum Guten, und hincke wie
Mephiboſet: Meine Hände ſind befleckt mit un-
reinen Wercken: Mein Mund iſt befleckt mit un-
reinen Worten: Ich bin blödſichtig wie Lea, zu ſe-
hen, was zu meinem Frieden dienet: Ich bin taub
und harthörig zu vernehmen die inwendige Spra-
che deines Geiſtes, meines eigenen Gewiſſens in
mir, und die Stimme deines Worts auſſer mir.
Ach GOtt! diß alles erkenne ich, und ſehe auf die
Greuel der Sünde mit empfindlicher und beweg-
ter Seele. Und ach! daß ich doch darüber ſo em-
pfindlich wäre, wie ich gerne wollte. Ich komme
dann mit bußfertiger und bereuender Seele, und
werffe mich in der allertieffeſten Demuth nieder vor
deinem Gnaden-Thron, und ruffe mit David aus
dem Abgrund meiner Sünde zu dem Abgrund
dei-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern:
Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |