Schmolck, Benjamin: Das Himmlische Vergnügen in Gott, oder vollständiges Gebett-Buch. Neue Aufl. Basel, 1753.Gebett um wahre Prüffung. in JEsu, dem Sohn deiner Liebe. Ich bete dei-ne gnädige Vorsehung an, und preise dich von Grund meiner Seelen, daß du mich beruffen hast zur Gemeinschafft der Heiligen, die du würdigest zu deinem Gnaden-Thron kommen zu lassen. Du hast gesagt, der Mensch prüffe sich selbst, und als- dann esse er von diesem Brod und trincke aus die- sem Kelch: Aber ach! ich muß über meine eigene Trägheit klagen, und daß mein Hertz an diese so gar nöthige Pflicht so schwer zu bringen. Darum bitte ich dich, mein GOtt, thue du selbst in mir durch deine alles in allem erweckende Krafft, was du von mir haben willt: Zwar wann ich auf mei- ne anklebende Schwachheiten, und auf deine stren- ge Gerechtigkeit sehe, so möchte ich wohl sagen: HERR, straffe mich nicht in deinem Zorn, gehe nicht mit mir ins Gericht in deinem Grimm, dann ich bin ein armer Sünder, und mangele des Ruhms, den ich vor dir haben sollte. Ach HErr! willt du Sünde zurechnen, wer kan dann bestehen? Sehe ich aber auf deine grosse Güte, auf das Verdienst deines allerliebsten Sohns, und auf das Zeugniß deines heiligen Geistes, der mich der Kindschafft GOttes versichert; so trette ich mit Freymüthigkeit vor deinen Gnaden-Thron, und sage: Prüffe du mich, HErr! erforsche mich, und erfahre, wie ichs meyne. Die Welt ist falsch, und liegt im Argen: Darum kan ich mich deren Ur- theil nicht unterwerffen, meinem eigenen Hertzen kan ich auch nicht trauen, dann es ist arglistig und be-
Gebett um wahre Prüffung. in JEſu, dem Sohn deiner Liebe. Ich bete dei-ne gnädige Vorſehung an, und preiſe dich von Grund meiner Seelen, daß du mich beruffen haſt zur Gemeinſchafft der Heiligen, die du würdigeſt zu deinem Gnaden-Thron kommen zu laſſen. Du haſt geſagt, der Menſch prüffe ſich ſelbſt, und als- dann eſſe er von dieſem Brod und trincke aus die- ſem Kelch: Aber ach! ich muß über meine eigene Trägheit klagen, und daß mein Hertz an dieſe ſo gar nöthige Pflicht ſo ſchwer zu bringen. Darum bitte ich dich, mein GOtt, thue du ſelbſt in mir durch deine alles in allem erweckende Krafft, was du von mir haben willt: Zwar wann ich auf mei- ne anklebende Schwachheiten, und auf deine ſtren- ge Gerechtigkeit ſehe, ſo möchte ich wohl ſagen: HERR, ſtraffe mich nicht in deinem Zorn, gehe nicht mit mir ins Gericht in deinem Grimm, dann ich bin ein armer Sünder, und mangele des Ruhms, den ich vor dir haben ſollte. Ach HErr! willt du Sünde zurechnen, wer kan dann beſtehen? Sehe ich aber auf deine groſſe Güte, auf das Verdienſt deines allerliebſten Sohns, und auf das Zeugniß deines heiligen Geiſtes, der mich der Kindſchafft GOttes verſichert; ſo trette ich mit Freymüthigkeit vor deinen Gnaden-Thron, und ſage: Prüffe du mich, HErr! erforſche mich, und erfahre, wie ichs meyne. Die Welt iſt falſch, und liegt im Argen: Darum kan ich mich deren Ur- theil nicht unterwerffen, meinem eigenen Hertzen kan ich auch nicht trauen, dann es iſt argliſtig und be-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0310" n="288"/><fw place="top" type="header">Gebett um wahre Prüffung.</fw><lb/> in JEſu, dem Sohn deiner Liebe. Ich bete dei-<lb/> ne gnädige Vorſehung an, und preiſe dich von<lb/> Grund meiner Seelen, daß du mich beruffen haſt<lb/> zur Gemeinſchafft der Heiligen, die du würdigeſt zu<lb/> deinem Gnaden-Thron kommen zu laſſen. Du<lb/> haſt geſagt, der Menſch prüffe ſich ſelbſt, und als-<lb/> dann eſſe er von dieſem Brod und trincke aus die-<lb/> ſem Kelch: Aber ach! ich muß über meine eigene<lb/> Trägheit klagen, und daß mein Hertz an dieſe ſo<lb/> gar nöthige Pflicht ſo ſchwer zu bringen. Darum<lb/> bitte ich dich, mein GOtt, thue du ſelbſt in mir<lb/> durch deine alles in allem erweckende Krafft, was<lb/> du von mir haben willt: Zwar wann ich auf mei-<lb/> ne anklebende Schwachheiten, und auf deine ſtren-<lb/> ge Gerechtigkeit ſehe, ſo möchte ich wohl ſagen:<lb/> HERR, ſtraffe mich nicht in deinem Zorn, gehe<lb/> nicht mit mir ins Gericht in deinem Grimm, dann<lb/> ich bin ein armer Sünder, und mangele des<lb/> Ruhms, den ich vor dir haben ſollte. Ach HErr!<lb/> willt du Sünde zurechnen, wer kan dann beſtehen?<lb/> Sehe ich aber auf deine groſſe Güte, auf das<lb/> Verdienſt deines allerliebſten Sohns, und auf das<lb/> Zeugniß deines heiligen Geiſtes, der mich der<lb/> Kindſchafft GOttes verſichert; ſo trette ich mit<lb/> Freymüthigkeit vor deinen Gnaden-Thron, und<lb/> ſage: Prüffe du mich, HErr! erforſche mich, und<lb/> erfahre, wie ichs meyne. Die Welt iſt falſch, und<lb/> liegt im Argen: Darum kan ich mich deren Ur-<lb/> theil nicht unterwerffen, meinem eigenen Hertzen<lb/> kan ich auch nicht trauen, dann es iſt argliſtig und<lb/> <fw place="bottom" type="catch">be-</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [288/0310]
Gebett um wahre Prüffung.
in JEſu, dem Sohn deiner Liebe. Ich bete dei-
ne gnädige Vorſehung an, und preiſe dich von
Grund meiner Seelen, daß du mich beruffen haſt
zur Gemeinſchafft der Heiligen, die du würdigeſt zu
deinem Gnaden-Thron kommen zu laſſen. Du
haſt geſagt, der Menſch prüffe ſich ſelbſt, und als-
dann eſſe er von dieſem Brod und trincke aus die-
ſem Kelch: Aber ach! ich muß über meine eigene
Trägheit klagen, und daß mein Hertz an dieſe ſo
gar nöthige Pflicht ſo ſchwer zu bringen. Darum
bitte ich dich, mein GOtt, thue du ſelbſt in mir
durch deine alles in allem erweckende Krafft, was
du von mir haben willt: Zwar wann ich auf mei-
ne anklebende Schwachheiten, und auf deine ſtren-
ge Gerechtigkeit ſehe, ſo möchte ich wohl ſagen:
HERR, ſtraffe mich nicht in deinem Zorn, gehe
nicht mit mir ins Gericht in deinem Grimm, dann
ich bin ein armer Sünder, und mangele des
Ruhms, den ich vor dir haben ſollte. Ach HErr!
willt du Sünde zurechnen, wer kan dann beſtehen?
Sehe ich aber auf deine groſſe Güte, auf das
Verdienſt deines allerliebſten Sohns, und auf das
Zeugniß deines heiligen Geiſtes, der mich der
Kindſchafft GOttes verſichert; ſo trette ich mit
Freymüthigkeit vor deinen Gnaden-Thron, und
ſage: Prüffe du mich, HErr! erforſche mich, und
erfahre, wie ichs meyne. Die Welt iſt falſch, und
liegt im Argen: Darum kan ich mich deren Ur-
theil nicht unterwerffen, meinem eigenen Hertzen
kan ich auch nicht trauen, dann es iſt argliſtig und
be-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern:
Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |