Der gläubige Christ bittet, GOtt wolle die Liebe zu dem Nächsten in sein Hertz pflantzen.
Aufmunterung.
1 Joh. 4, 20. 21. So jemand spricht: Ich liebe GOtt, und hasset seinen Bruder, der ist ein Lügner: Denn wer seinen Bruder nicht liebet, den er siehet, wie kan er GOtt lieben, den er nicht siehet? und diß Gebott haben wir von ihm, daß wer GOtt liebet, daß der auch seinen Bruder liebe.
EIn neu Gebott gebe ich euch, daß ihr euch unter einan- der liebet, dabey wird jedermann erkennen, daß ihr mei- ne Jünger seyd, so ihr Liebe unter einander habt. Also beschreibet Christus das Kennzeichen seiner wahren Jünger und Jüngerinnen, Joh. 13, 34. nemlich, daß man sie daran erkennen sollte, wenn sie würden ihren Nächsten lieben. Es soll niemand meynen, daß er in der Liebe GOttes stehen kön- ne, wenn er schon seinen Nächsten hasset, o nein! Es ist aber unser Nächster 1) unser Freund, Wohlthäter und Ver- wandter; wenn man nun solche liebet, so ist das zwar unsere Schuldigkeit, es ist aber noch keine ausnehmende Christen-Tugend, denn die ungläubige Heyden lieben auch ihre Freunde, Gutthäter und Anverwandte, die ihnen nichts zuwider thun. Es ist unser Nächster 2) auch unser Nach- bar, Fremder und Mitbürger, der uns neidet, vervorthei- let und hasset. Bey der letzten Art des Nächsten soll man die Liebe am meisten blicken lassen, 1) daß man ihnen nicht allein nichts Böses wünsche, nicht schelte, Böses mit Bösem vergelte, sondern vielmehr alles Gutes gönne, Liebe und Freundschafft erweise, und sie liebe als sich selbst. 2) Gegen die Feinde soll man alle Bitterkeit, Unversöhnlichkeit, Haß und Bos- heit aus dem Hertzen verbannen, mit Worten und Wercken beweisen, daß man ohne Groll ein liebreiches Hertz zu ihnen trage, und thue in der That und Wahrheit, was Christus sagt: Liebet eure Feinde, segnet, die euch fluchen, thut wohl denen, die euch hassen, bittet für die, so euch be- leydigen und verfolgen, so werdet ihr Kinder seyn eures Vat- ters im Himmel, Matth. 5, 44. 45.
Gebett.
ACh du liebreicher GOtt! der du uns hertzlich liebest, und aus solcher Liebe uns an Leib und
Seel
Der gläubige Chriſt bittet
Der gläubige Chriſt bittet, GOtt wolle die Liebe zu dem Nächſten in ſein Hertz pflantzen.
Aufmunterung.
1 Joh. 4, 20. 21. So jemand ſpricht: Ich liebe GOtt, und haſſet ſeinen Bruder, der iſt ein Lügner: Denn wer ſeinen Bruder nicht liebet, den er ſiehet, wie kan er GOtt lieben, den er nicht ſiehet? und diß Gebott haben wir von ihm, daß wer GOtt liebet, daß der auch ſeinen Bruder liebe.
EIn neu Gebott gebe ich euch, daß ihr euch unter einan- der liebet, dabey wird jedermann erkennen, daß ihr mei- ne Jünger ſeyd, ſo ihr Liebe unter einander habt. Alſo beſchreibet Chriſtus das Kennzeichen ſeiner wahren Jünger und Jüngerinnen, Joh. 13, 34. nemlich, daß man ſie daran erkennen ſollte, wenn ſie würden ihren Nächſten lieben. Es ſoll niemand meynen, daß er in der Liebe GOttes ſtehen kön- ne, wenn er ſchon ſeinen Nächſten haſſet, o nein! Es iſt aber unſer Nächſter 1) unſer Freund, Wohlthäter und Ver- wandter; wenn man nun ſolche liebet, ſo iſt das zwar unſere Schuldigkeit, es iſt aber noch keine ausnehmende Chriſten-Tugend, denn die ungläubige Heyden lieben auch ihre Freunde, Gutthäter und Anverwandte, die ihnen nichts zuwider thun. Es iſt unſer Nächſter 2) auch unſer Nach- bar, Fremder und Mitbürger, der uns neidet, vervorthei- let und haſſet. Bey der letzten Art des Nächſten ſoll man die Liebe am meiſten blicken laſſen, 1) daß man ihnen nicht allein nichts Böſes wünſche, nicht ſchelte, Böſes mit Böſem vergelte, ſondern vielmehr alles Gutes gönne, Liebe und Freundſchafft erweiſe, und ſie liebe als ſich ſelbſt. 2) Gegen die Feinde ſoll man alle Bitterkeit, Unverſöhnlichkeit, Haß und Bos- heit aus dem Hertzen verbannen, mit Worten und Wercken beweiſen, daß man ohne Groll ein liebreiches Hertz zu ihnen trage, und thue in der That und Wahrheit, was Chriſtus ſagt: Liebet eure Feinde, ſegnet, die euch fluchen, thut wohl denen, die euch haſſen, bittet für die, ſo euch be- leydigen und verfolgen, ſo werdet ihr Kinder ſeyn eures Vat- ters im Himmel, Matth. 5, 44. 45.
Gebett.
ACh du liebreicher GOtt! der du uns hertzlich liebeſt, und aus ſolcher Liebe uns an Leib und
Seel
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0148"n="126"/><fwplace="top"type="header">Der gläubige Chriſt bittet</fw><lb/><divn="2"><head>Der gläubige Chriſt bittet, GOtt wolle die Liebe zu dem<lb/>
Nächſten in ſein Hertz pflantzen.</head><lb/><divn="3"><head>Aufmunterung.</head><lb/><cit><quote><hirendition="#fr">1 Joh. 4, 20. 21. So jemand ſpricht: Ich liebe GOtt, und haſſet ſeinen Bruder,<lb/>
der iſt ein Lügner: Denn wer ſeinen Bruder nicht liebet, den er ſiehet, wie kan er<lb/>
GOtt lieben, den er nicht ſiehet? und diß Gebott haben wir von ihm, daß wer GOtt<lb/>
liebet, daß der auch ſeinen Bruder liebe.</hi></quote></cit><lb/><p><hirendition="#in">E</hi>In neu Gebott gebe ich euch, daß ihr euch unter einan-<lb/>
der liebet, dabey wird jedermann erkennen, daß ihr mei-<lb/>
ne Jünger ſeyd, ſo ihr Liebe unter einander habt. Alſo<lb/>
beſchreibet Chriſtus das Kennzeichen ſeiner wahren Jünger<lb/>
und Jüngerinnen, Joh. 13, 34. nemlich, daß man ſie daran<lb/>
erkennen ſollte, wenn ſie würden ihren Nächſten lieben. Es<lb/>ſoll niemand meynen, daß er in der Liebe GOttes ſtehen kön-<lb/>
ne, wenn er ſchon ſeinen Nächſten haſſet, o nein! Es iſt<lb/>
aber unſer Nächſter 1) unſer Freund, Wohlthäter und Ver-<lb/>
wandter; wenn man nun ſolche liebet, ſo iſt das zwar<lb/>
unſere Schuldigkeit, es iſt aber noch keine ausnehmende<lb/>
Chriſten-Tugend, denn die ungläubige Heyden lieben auch<lb/>
ihre Freunde, Gutthäter und Anverwandte, die ihnen nichts<lb/>
zuwider thun. Es iſt unſer Nächſter 2) auch unſer Nach-<lb/>
bar, Fremder und Mitbürger, der uns neidet, vervorthei-<lb/>
let und haſſet. Bey der letzten Art des Nächſten ſoll man die<lb/>
Liebe am meiſten blicken laſſen, 1) daß man ihnen nicht allein<lb/>
nichts Böſes wünſche, nicht ſchelte, Böſes mit Böſem vergelte,<lb/>ſondern vielmehr alles Gutes gönne, Liebe und Freundſchafft<lb/>
erweiſe, und ſie liebe als ſich ſelbſt. 2) Gegen die Feinde<lb/>ſoll man alle Bitterkeit, Unverſöhnlichkeit, Haß und Bos-<lb/>
heit aus dem Hertzen verbannen, mit Worten und Wercken<lb/>
beweiſen, daß man ohne Groll ein liebreiches Hertz zu<lb/>
ihnen trage, und thue in der That und Wahrheit, was<lb/>
Chriſtus ſagt: Liebet eure Feinde, ſegnet, die euch fluchen,<lb/>
thut wohl denen, die euch haſſen, bittet für die, ſo euch be-<lb/>
leydigen und verfolgen, ſo werdet ihr Kinder ſeyn eures Vat-<lb/>
ters im Himmel, Matth. 5, 44. 45.</p></div><lb/><divn="3"><head>Gebett.</head><lb/><p><hirendition="#in">A</hi>Ch du liebreicher GOtt! der du uns hertzlich<lb/>
liebeſt, und aus ſolcher Liebe uns an Leib und<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Seel</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[126/0148]
Der gläubige Chriſt bittet
Der gläubige Chriſt bittet, GOtt wolle die Liebe zu dem
Nächſten in ſein Hertz pflantzen.
Aufmunterung.
1 Joh. 4, 20. 21. So jemand ſpricht: Ich liebe GOtt, und haſſet ſeinen Bruder,
der iſt ein Lügner: Denn wer ſeinen Bruder nicht liebet, den er ſiehet, wie kan er
GOtt lieben, den er nicht ſiehet? und diß Gebott haben wir von ihm, daß wer GOtt
liebet, daß der auch ſeinen Bruder liebe.
EIn neu Gebott gebe ich euch, daß ihr euch unter einan-
der liebet, dabey wird jedermann erkennen, daß ihr mei-
ne Jünger ſeyd, ſo ihr Liebe unter einander habt. Alſo
beſchreibet Chriſtus das Kennzeichen ſeiner wahren Jünger
und Jüngerinnen, Joh. 13, 34. nemlich, daß man ſie daran
erkennen ſollte, wenn ſie würden ihren Nächſten lieben. Es
ſoll niemand meynen, daß er in der Liebe GOttes ſtehen kön-
ne, wenn er ſchon ſeinen Nächſten haſſet, o nein! Es iſt
aber unſer Nächſter 1) unſer Freund, Wohlthäter und Ver-
wandter; wenn man nun ſolche liebet, ſo iſt das zwar
unſere Schuldigkeit, es iſt aber noch keine ausnehmende
Chriſten-Tugend, denn die ungläubige Heyden lieben auch
ihre Freunde, Gutthäter und Anverwandte, die ihnen nichts
zuwider thun. Es iſt unſer Nächſter 2) auch unſer Nach-
bar, Fremder und Mitbürger, der uns neidet, vervorthei-
let und haſſet. Bey der letzten Art des Nächſten ſoll man die
Liebe am meiſten blicken laſſen, 1) daß man ihnen nicht allein
nichts Böſes wünſche, nicht ſchelte, Böſes mit Böſem vergelte,
ſondern vielmehr alles Gutes gönne, Liebe und Freundſchafft
erweiſe, und ſie liebe als ſich ſelbſt. 2) Gegen die Feinde
ſoll man alle Bitterkeit, Unverſöhnlichkeit, Haß und Bos-
heit aus dem Hertzen verbannen, mit Worten und Wercken
beweiſen, daß man ohne Groll ein liebreiches Hertz zu
ihnen trage, und thue in der That und Wahrheit, was
Chriſtus ſagt: Liebet eure Feinde, ſegnet, die euch fluchen,
thut wohl denen, die euch haſſen, bittet für die, ſo euch be-
leydigen und verfolgen, ſo werdet ihr Kinder ſeyn eures Vat-
ters im Himmel, Matth. 5, 44. 45.
Gebett.
ACh du liebreicher GOtt! der du uns hertzlich
liebeſt, und aus ſolcher Liebe uns an Leib und
Seel
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Schmolck, Benjamin: Das Himmlische Vergnügen in Gott, oder vollständiges Gebett-Buch. Neue Aufl. Basel, 1753, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmolck_vergnuegen_1753/148>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.