Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 2. Chemnitz, 1705.Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Nachmittage das Gute/ das ist/ den Schwantzvor/ so folget das Schlimme drauff. Derowegen scheinet es/ ob sähen die lieben Weiber gern/ wenn dieser Vogel nur hinten und forn aus lau- ter störtzigen Schwäntzen bestände. Ich bin zwar selbst auch ihrer Meynung/ denn mit de- nen Schwäntzen thun sie keinen Schaden/ als wie mit dem Kopff und Schnabel/ mit welchen sie denen Bauern die Eyer aussauffen/ die Qvärge fressen/ die Käse Körbe visitiren/ auch wohl gar die jungen Hühnlein davon tragen. Welches in Warheit solche Untugenden sind/ daraus ich kein Glück gewarten kan; und den- noch soll dieser diebische Vogel/ mit seinem Ge- schrey/ Glück bedeuten/ und die Genesung ei- nes Patienten anzeigen. Weil aber die klugen Weiber sagen/ daß wenn eine Kräh oder ein Ra- be auff einem Hause schrie/ worinnen ein Pa- tiente läge/ es den Tod des Krancken bedeute; so kan ich nicht glauben/ daß eine Elster/ als welche eben auch mit unter die Zunfft derer Galgen- Vögel gehöret/ mit seinem Geschrey etwas bes- sers andeuten könne als eine Krähe. Derowe- gen mein wohlmeynender Rath wäre/ man glaubte diesen schwatzhafftigen Diebs-Vogel nicht so viel/ sondern ergötzte sich nur an seinem schönen langen bundfarbigen Schwantze. Die Y 4
Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Nachmittage das Gute/ das iſt/ den Schwantzvor/ ſo folget das Schlimme drauff. Derowegen ſcheinet es/ ob ſaͤhen die lieben Weiber gern/ wenn dieſer Vogel nur hinten und forn aus lau- ter ſtoͤrtzigen Schwaͤntzen beſtaͤnde. Ich bin zwar ſelbſt auch ihrer Meynung/ denn mit de- nen Schwaͤntzen thun ſie keinen Schaden/ als wie mit dem Kopff und Schnabel/ mit welchen ſie denen Bauern die Eyer ausſauffen/ die Qvaͤrge freſſen/ die Kaͤſe Koͤrbe viſitiren/ auch wohl gar die jungen Huͤhnlein davon tragen. Welches in Warheit ſolche Untugenden ſind/ daraus ich kein Gluͤck gewarten kan; und den- noch ſoll dieſer diebiſche Vogel/ mit ſeinem Ge- ſchrey/ Gluͤck bedeuten/ und die Geneſung ei- nes Patienten anzeigen. Weil aber die klugen Weiber ſagen/ daß wenn eine Kraͤh oder ein Ra- be auff einem Hauſe ſchrie/ worinnen ein Pa- tiente laͤge/ es den Tod des Krancken bedeute; ſo kan ich nicht glauben/ daß eine Elſter/ als welche eben auch mit unter die Zunfft derer Galgen- Voͤgel gehoͤret/ mit ſeinem Geſchrey etwas beſ- ſers andeuten koͤnne als eine Kraͤhe. Derowe- gen mein wohlmeynender Rath waͤre/ man glaubte dieſen ſchwatzhafftigen Diebs-Vogel nicht ſo viel/ ſondern ergoͤtzte ſich nur an ſeinem ſchoͤnen langen bundfarbigen Schwantze. Die Y 4
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Weibern hochgehaltenen Aberglauben.
Nachmittage das Gute/ das iſt/ den Schwantz
vor/ ſo folget das Schlimme drauff. Derowegen
ſcheinet es/ ob ſaͤhen die lieben Weiber gern/
wenn dieſer Vogel nur hinten und forn aus lau-
ter ſtoͤrtzigen Schwaͤntzen beſtaͤnde. Ich bin
zwar ſelbſt auch ihrer Meynung/ denn mit de-
nen Schwaͤntzen thun ſie keinen Schaden/ als
wie mit dem Kopff und Schnabel/ mit welchen
ſie denen Bauern die Eyer ausſauffen/ die
Qvaͤrge freſſen/ die Kaͤſe Koͤrbe viſitiren/ auch
wohl gar die jungen Huͤhnlein davon tragen.
Welches in Warheit ſolche Untugenden ſind/
daraus ich kein Gluͤck gewarten kan; und den-
noch ſoll dieſer diebiſche Vogel/ mit ſeinem Ge-
ſchrey/ Gluͤck bedeuten/ und die Geneſung ei-
nes Patienten anzeigen. Weil aber die klugen
Weiber ſagen/ daß wenn eine Kraͤh oder ein Ra-
be auff einem Hauſe ſchrie/ worinnen ein Pa-
tiente laͤge/ es den Tod des Krancken bedeute; ſo
kan ich nicht glauben/ daß eine Elſter/ als welche
eben auch mit unter die Zunfft derer Galgen-
Voͤgel gehoͤret/ mit ſeinem Geſchrey etwas beſ-
ſers andeuten koͤnne als eine Kraͤhe. Derowe-
gen mein wohlmeynender Rath waͤre/ man
glaubte dieſen ſchwatzhafftigen Diebs-Vogel
nicht ſo viel/ ſondern ergoͤtzte ſich nur an ſeinem
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