Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 2. Chemnitz, 1705.

Bild:
<< vorherige Seite

Weibern hochgehaltenen Aberglauben.
gleich austrincken/ ohne Besorgung/ daß ein und
anderer seine Röthe darüber verlieren werde;
dahero derjenige ein sehr einfältiger Schöps
seyn müste/ welcher um des willen nicht trincken
wolte/ weil ein anderer eben auch träncke. Was
aber das Abtrincken der Milch bey denen Wei-
bern anlanget/ wird solches unter ihnen zwar als
etwas gewisses geglaubet/ ob sie aber ihr Fürge-
ben werden verificiren können/ will ich ein we-
nig untersuchen: Wenn sie glauben/ so ferne ei-
ne stillende Amme zugleich mit der andern trän-
cke/ so träncke eine der andern die Milch ab; al-
so muß die eine die Milch verlieren/ und die an-
dere desto mehr Milch bekommen. So nun die
Weiber dieses so gewiß observiret/ so möchten
sie doch auch in acht genommen haben/ welche
von beyden denn die Milch bekomme oder ver-
liere? die älteste oder die jüngste? oder die den
Krug zuerst ans Maul setze oder am ersten auff-
höre zu trincken? so wolte ich ihnen eher Glau-
ben zustellen; die weil sie aber von diesen Neben-
Dingen/ woran doch sicherlich viel gelegen wä-
re/ wenn der Haupt-Punct solte Grund haben/
gantz im geringsten nichts melden/ so kan ich
leicht schliessen/ daß es eine in einer Wochen-
Bett-Stube ausgeheckte Grille sey. Denn es
ist nicht gnung/ daß ich nur eine Sache sage/ als
verhalte sichs so oder so/ sondern ich muß es auch

erwei-
U 3

Weibern hochgehaltenen Aberglauben.
gleich austrincken/ ohne Beſorgung/ daß ein und
anderer ſeine Roͤthe daruͤber verlieren werde;
dahero derjenige ein ſehr einfaͤltiger Schoͤps
ſeyn muͤſte/ welcher um des willen nicht trincken
wolte/ weil ein anderer eben auch traͤncke. Was
aber das Abtrincken der Milch bey denen Wei-
bern anlanget/ wird ſolches unter ihnen zwar als
etwas gewiſſes geglaubet/ ob ſie aber ihr Fuͤrge-
ben werden verificiren koͤnnen/ will ich ein we-
nig unterſuchen: Wenn ſie glauben/ ſo ferne ei-
ne ſtillende Amme zugleich mit der andern traͤn-
cke/ ſo traͤncke eine der andern die Milch ab; al-
ſo muß die eine die Milch verlieren/ und die an-
dere deſto mehr Milch bekommen. So nun die
Weiber dieſes ſo gewiß obſerviret/ ſo moͤchten
ſie doch auch in acht genommen haben/ welche
von beyden denn die Milch bekomme oder ver-
liere? die aͤlteſte oder die juͤngſte? oder die den
Krug zuerſt ans Maul ſetze oder am erſten auff-
hoͤre zu trincken? ſo wolte ich ihnen eher Glau-
ben zuſtellen; die weil ſie aber von dieſen Neben-
Dingen/ woran doch ſicherlich viel gelegen waͤ-
re/ wenn der Haupt-Punct ſolte Grund haben/
gantz im geringſten nichts melden/ ſo kan ich
leicht ſchlieſſen/ daß es eine in einer Wochen-
Bett-Stube ausgeheckte Grille ſey. Denn es
iſt nicht gnung/ daß ich nur eine Sache ſage/ als
verhalte ſichs ſo oder ſo/ ſondern ich muß es auch

erwei-
U 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0133" n="309"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr">Weibern hochgehaltenen Aberglauben.</hi></fw><lb/>
gleich austrincken/ ohne Be&#x017F;orgung/ daß ein und<lb/>
anderer &#x017F;eine Ro&#x0364;the daru&#x0364;ber verlieren werde;<lb/>
dahero derjenige ein &#x017F;ehr einfa&#x0364;ltiger Scho&#x0364;ps<lb/>
&#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;te/ welcher um des willen nicht trincken<lb/>
wolte/ weil ein anderer eben auch tra&#x0364;ncke. Was<lb/>
aber das Abtrincken der Milch bey denen Wei-<lb/>
bern anlanget/ wird &#x017F;olches unter ihnen zwar als<lb/>
etwas gewi&#x017F;&#x017F;es geglaubet/ ob &#x017F;ie aber ihr Fu&#x0364;rge-<lb/>
ben werden <hi rendition="#aq">verifici</hi>ren ko&#x0364;nnen/ will ich ein we-<lb/>
nig unter&#x017F;uchen: Wenn &#x017F;ie glauben/ &#x017F;o ferne ei-<lb/>
ne &#x017F;tillende Amme zugleich mit der andern tra&#x0364;n-<lb/>
cke/ &#x017F;o tra&#x0364;ncke eine der andern die Milch ab; al-<lb/>
&#x017F;o muß die eine die Milch verlieren/ und die an-<lb/>
dere de&#x017F;to mehr Milch bekommen. So nun die<lb/>
Weiber die&#x017F;es &#x017F;o gewiß <hi rendition="#aq">ob&#x017F;ervi</hi>ret/ &#x017F;o mo&#x0364;chten<lb/>
&#x017F;ie doch auch in acht genommen haben/ welche<lb/>
von beyden denn die Milch bekomme oder ver-<lb/>
liere? die a&#x0364;lte&#x017F;te oder die ju&#x0364;ng&#x017F;te? oder die den<lb/>
Krug zuer&#x017F;t ans Maul &#x017F;etze oder am er&#x017F;ten auff-<lb/>
ho&#x0364;re zu trincken? &#x017F;o wolte ich ihnen eher Glau-<lb/>
ben zu&#x017F;tellen; die weil &#x017F;ie aber von die&#x017F;en Neben-<lb/>
Dingen/ woran doch &#x017F;icherlich viel gelegen wa&#x0364;-<lb/>
re/ wenn der Haupt-Punct &#x017F;olte Grund haben/<lb/>
gantz im gering&#x017F;ten nichts melden/ &#x017F;o kan ich<lb/>
leicht &#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en/ daß es eine in einer Wochen-<lb/>
Bett-Stube ausgeheckte Grille &#x017F;ey. Denn es<lb/>
i&#x017F;t nicht gnung/ daß ich nur eine Sache &#x017F;age/ als<lb/>
verhalte &#x017F;ichs &#x017F;o oder &#x017F;o/ &#x017F;ondern ich muß es auch<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">U 3</fw><fw place="bottom" type="catch">erwei-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[309/0133] Weibern hochgehaltenen Aberglauben. gleich austrincken/ ohne Beſorgung/ daß ein und anderer ſeine Roͤthe daruͤber verlieren werde; dahero derjenige ein ſehr einfaͤltiger Schoͤps ſeyn muͤſte/ welcher um des willen nicht trincken wolte/ weil ein anderer eben auch traͤncke. Was aber das Abtrincken der Milch bey denen Wei- bern anlanget/ wird ſolches unter ihnen zwar als etwas gewiſſes geglaubet/ ob ſie aber ihr Fuͤrge- ben werden verificiren koͤnnen/ will ich ein we- nig unterſuchen: Wenn ſie glauben/ ſo ferne ei- ne ſtillende Amme zugleich mit der andern traͤn- cke/ ſo traͤncke eine der andern die Milch ab; al- ſo muß die eine die Milch verlieren/ und die an- dere deſto mehr Milch bekommen. So nun die Weiber dieſes ſo gewiß obſerviret/ ſo moͤchten ſie doch auch in acht genommen haben/ welche von beyden denn die Milch bekomme oder ver- liere? die aͤlteſte oder die juͤngſte? oder die den Krug zuerſt ans Maul ſetze oder am erſten auff- hoͤre zu trincken? ſo wolte ich ihnen eher Glau- ben zuſtellen; die weil ſie aber von dieſen Neben- Dingen/ woran doch ſicherlich viel gelegen waͤ- re/ wenn der Haupt-Punct ſolte Grund haben/ gantz im geringſten nichts melden/ ſo kan ich leicht ſchlieſſen/ daß es eine in einer Wochen- Bett-Stube ausgeheckte Grille ſey. Denn es iſt nicht gnung/ daß ich nur eine Sache ſage/ als verhalte ſichs ſo oder ſo/ ſondern ich muß es auch erwei- U 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schmidt_rockenphilosophia02_1705
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schmidt_rockenphilosophia02_1705/133
Zitationshilfe: Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 2. Chemnitz, 1705, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmidt_rockenphilosophia02_1705/133>, abgerufen am 27.11.2024.