Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 1. Chemnitz, 1705.Weibern hochgehaltenen Aberglauben. lich das Garn mit der Asche zugerichtet wird/wenn es damit eingeäschert und gesotten wird/ und dennoch ist die Asche das Mittel/ damit das Garn gereiniget wird. Ob nun aber dieses die rechte Ursach ist/ warum die Weiber bey dem Garnsieden Lügen sagen/ will ich so gewiß nicht behaupten/ und dahero noch ein paar Muth- massungen mit beyfügen/ nehmlich: Erstlich zweiffele ich nicht/ es habe etwan einmahl ein Weib das andere gefragt/ oder auch die Kunst auffschreiben lassen/ wie man das Garn schön weiß siede; da nun die Meisterin solche Wissen- schafft schreiben wollen/ daß gute Laugen das Be- ste müsse dabey thun/ mag sie aus Versehenheit den Buchstaben a in dem Wort Laugen verges- sen/ und nicht mit in das Wort gesetzt haben/ so hat es Lügen geheissen. Wenn nun die andere die Kunst mit Lügen und Laugen zugleich pro- biret hat/ und das Garn ist weiß worden/ so hat sie denen Lügen die Krafft alleine zugeschrieben/ und ist hernach zu einem Articul ihres Glaubens gemacht worden. Zum andern kan ich selbst Zeugniß geben/ daß mit gewisser Condition, diejenigen Weiber/ welche wacker lügen kön- nen/ weisser Garn machen/ als die ehrlich- und auffrichtigen/ nehmlich/ ich erinnere mich/ daß in Dreßden bey einem wohlhabenden Kauffmann die Magd Garn sotte/ da nun das Garn unge- wöhn- B 2
Weibern hochgehaltenen Aberglauben. lich das Garn mit der Aſche zugerichtet wird/wenn es damit eingeaͤſchert und geſotten wird/ und dennoch iſt die Aſche das Mittel/ damit das Garn gereiniget wird. Ob nun aber dieſes die rechte Urſach iſt/ warum die Weiber bey dem Garnſieden Luͤgen ſagen/ will ich ſo gewiß nicht behaupten/ und dahero noch ein paar Muth- maſſungen mit beyfuͤgen/ nehmlich: Erſtlich zweiffele ich nicht/ es habe etwan einmahl ein Weib das andere gefragt/ oder auch die Kunſt auffſchreiben laſſen/ wie man das Garn ſchoͤn weiß ſiede; da nun die Meiſterin ſolche Wiſſen- ſchafft ſchreiben wollen/ daß gute Laugen das Be- ſte muͤſſe dabey thun/ mag ſie aus Verſehenheit den Buchſtaben a in dem Wort Laugen vergeſ- ſen/ und nicht mit in das Wort geſetzt haben/ ſo hat es Luͤgen geheiſſen. Wenn nun die andere die Kunſt mit Luͤgen und Laugen zugleich pro- biret hat/ und das Garn iſt weiß worden/ ſo hat ſie denen Luͤgen die Krafft alleine zugeſchrieben/ und iſt hernach zu einem Articul ihres Glaubens gemacht worden. Zum andern kan ich ſelbſt Zeugniß geben/ daß mit gewiſſer Condition, diejenigen Weiber/ welche wacker luͤgen koͤn- nen/ weiſſer Garn machen/ als die ehrlich- und auffrichtigen/ nehmlich/ ich erinnere mich/ daß in Dreßden bey einem wohlhabenden Kauffmann die Magd Garn ſotte/ da nun das Garn unge- woͤhn- B 2
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Weibern hochgehaltenen Aberglauben.
lich das Garn mit der Aſche zugerichtet wird/
wenn es damit eingeaͤſchert und geſotten wird/
und dennoch iſt die Aſche das Mittel/ damit das
Garn gereiniget wird. Ob nun aber dieſes die
rechte Urſach iſt/ warum die Weiber bey dem
Garnſieden Luͤgen ſagen/ will ich ſo gewiß nicht
behaupten/ und dahero noch ein paar Muth-
maſſungen mit beyfuͤgen/ nehmlich: Erſtlich
zweiffele ich nicht/ es habe etwan einmahl ein
Weib das andere gefragt/ oder auch die Kunſt
auffſchreiben laſſen/ wie man das Garn ſchoͤn
weiß ſiede; da nun die Meiſterin ſolche Wiſſen-
ſchafft ſchreiben wollen/ daß gute Laugen das Be-
ſte muͤſſe dabey thun/ mag ſie aus Verſehenheit
den Buchſtaben a in dem Wort Laugen vergeſ-
ſen/ und nicht mit in das Wort geſetzt haben/ ſo
hat es Luͤgen geheiſſen. Wenn nun die andere
die Kunſt mit Luͤgen und Laugen zugleich pro-
biret hat/ und das Garn iſt weiß worden/ ſo hat
ſie denen Luͤgen die Krafft alleine zugeſchrieben/
und iſt hernach zu einem Articul ihres Glaubens
gemacht worden. Zum andern kan ich ſelbſt
Zeugniß geben/ daß mit gewiſſer Condition,
diejenigen Weiber/ welche wacker luͤgen koͤn-
nen/ weiſſer Garn machen/ als die ehrlich- und
auffrichtigen/ nehmlich/ ich erinnere mich/ daß in
Dreßden bey einem wohlhabenden Kauffmann
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