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Schmidlin, Johann Gottlieb: Ueber öffentliche Kinder-Industrie-Anstalten überhaupt, und insbesondere in Württemberg. Stuttgart, 1821.

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Beyspiel derselben beständig vor sich sehen, hiedurch
frühzeitig alle möglichen Untugenden und schlimmen
Gewohnheiten annehmen, und nahmentlich zur Ver-
stellung, Lügen, und den niederträchtigsten Kunstgrif-
fen des Bettels, ja selbst zum Betrügen, zum Dieb-
stahl, und anderen Lastern und Verbrechen nicht nur
verleitet, sondern oft sogar gezwungen werden, und
andere wieder verleiten; so bleibt, um solche Geschöpfe
vom Müssiggang und Bettel abzuhalten, sie zu nütz-
lichen oder wenigstens unschädlichen Mitgliedern der
bürgerlichen Gesellschaft zu erziehen, und zu verhin-
dern, daß eine so verwilderte Menschen-Race sich nicht
in's Unendliche fortpflanze, nichts übrig, als derglei-
chen Kinder von den Jhrigen ganz zu trennen
und zu entfernen, und irgendwo anders
unterzubringen.
Doch sollte hiebey auf der einen
Seite die selbst bey den rohesten Menschen sich nicht
immer verläugnende Mutterliebe, überhaupt die Zärt-
lichkeit und Anhänglichkeit der Eltern an die Kinder
möglichst geschont, auf der anderen Seite aber so viel
möglich verhütet werden, daß nicht durch allzugroße
Leichtigkeit, sich seiner Kinder zu entledigen, gefühllose
Menschen allzuleichtsinnig und gleichgültig gegen Ueber-
ladung des Staats mit unehlichen und anderen Kin-
dern, welche sie nicht ernähren können, gemacht
werden.

§. 77.

Da jedoch in öffentlichen Verpflegungs- und Er-
ziehungs-Anstalten die Kinder mit den heutzutage so
verwickelten gesellschaftlichen und bürgerlichen Verhält-
nissen, in denen sie sich doch späterhin ebenfalls bewe-
gen müssen, und nahmentlich mit den gemeinen Ge-

Beyſpiel derſelben beſtaͤndig vor ſich ſehen, hiedurch
fruͤhzeitig alle moͤglichen Untugenden und ſchlimmen
Gewohnheiten annehmen, und nahmentlich zur Ver-
ſtellung, Luͤgen, und den niedertraͤchtigſten Kunſtgrif-
fen des Bettels, ja ſelbſt zum Betruͤgen, zum Dieb-
ſtahl, und anderen Laſtern und Verbrechen nicht nur
verleitet, ſondern oft ſogar gezwungen werden, und
andere wieder verleiten; ſo bleibt, um ſolche Geſchoͤpfe
vom Muͤſſiggang und Bettel abzuhalten, ſie zu nuͤtz-
lichen oder wenigſtens unſchaͤdlichen Mitgliedern der
buͤrgerlichen Geſellſchaft zu erziehen, und zu verhin-
dern, daß eine ſo verwilderte Menſchen-Race ſich nicht
in's Unendliche fortpflanze, nichts uͤbrig, als derglei-
chen Kinder von den Jhrigen ganz zu trennen
und zu entfernen, und irgendwo anders
unterzubringen.
Doch ſollte hiebey auf der einen
Seite die ſelbſt bey den roheſten Menſchen ſich nicht
immer verlaͤugnende Mutterliebe, uͤberhaupt die Zaͤrt-
lichkeit und Anhaͤnglichkeit der Eltern an die Kinder
moͤglichſt geſchont, auf der anderen Seite aber ſo viel
moͤglich verhuͤtet werden, daß nicht durch allzugroße
Leichtigkeit, ſich ſeiner Kinder zu entledigen, gefuͤhlloſe
Menſchen allzuleichtſinnig und gleichguͤltig gegen Ueber-
ladung des Staats mit unehlichen und anderen Kin-
dern, welche ſie nicht ernaͤhren koͤnnen, gemacht
werden.

§. 77.

Da jedoch in oͤffentlichen Verpflegungs- und Er-
ziehungs-Anſtalten die Kinder mit den heutzutage ſo
verwickelten geſellſchaftlichen und buͤrgerlichen Verhaͤlt-
niſſen, in denen ſie ſich doch ſpaͤterhin ebenfalls bewe-
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[100/0110] Beyſpiel derſelben beſtaͤndig vor ſich ſehen, hiedurch fruͤhzeitig alle moͤglichen Untugenden und ſchlimmen Gewohnheiten annehmen, und nahmentlich zur Ver- ſtellung, Luͤgen, und den niedertraͤchtigſten Kunſtgrif- fen des Bettels, ja ſelbſt zum Betruͤgen, zum Dieb- ſtahl, und anderen Laſtern und Verbrechen nicht nur verleitet, ſondern oft ſogar gezwungen werden, und andere wieder verleiten; ſo bleibt, um ſolche Geſchoͤpfe vom Muͤſſiggang und Bettel abzuhalten, ſie zu nuͤtz- lichen oder wenigſtens unſchaͤdlichen Mitgliedern der buͤrgerlichen Geſellſchaft zu erziehen, und zu verhin- dern, daß eine ſo verwilderte Menſchen-Race ſich nicht in's Unendliche fortpflanze, nichts uͤbrig, als derglei- chen Kinder von den Jhrigen ganz zu trennen und zu entfernen, und irgendwo anders unterzubringen. Doch ſollte hiebey auf der einen Seite die ſelbſt bey den roheſten Menſchen ſich nicht immer verlaͤugnende Mutterliebe, uͤberhaupt die Zaͤrt- lichkeit und Anhaͤnglichkeit der Eltern an die Kinder moͤglichſt geſchont, auf der anderen Seite aber ſo viel moͤglich verhuͤtet werden, daß nicht durch allzugroße Leichtigkeit, ſich ſeiner Kinder zu entledigen, gefuͤhlloſe Menſchen allzuleichtſinnig und gleichguͤltig gegen Ueber- ladung des Staats mit unehlichen und anderen Kin- dern, welche ſie nicht ernaͤhren koͤnnen, gemacht werden. §. 77. Da jedoch in oͤffentlichen Verpflegungs- und Er- ziehungs-Anſtalten die Kinder mit den heutzutage ſo verwickelten geſellſchaftlichen und buͤrgerlichen Verhaͤlt- niſſen, in denen ſie ſich doch ſpaͤterhin ebenfalls bewe- gen muͤſſen, und nahmentlich mit den gemeinen Ge-

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Zitationshilfe: Schmidlin, Johann Gottlieb: Ueber öffentliche Kinder-Industrie-Anstalten überhaupt, und insbesondere in Württemberg. Stuttgart, 1821, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmidlin_kinderindustrie_1821/110>, abgerufen am 22.11.2024.