Wer jemals Gelegenheit gehabt hat, zu beobachten, wie tief oft Menschen, besonders aus der ärmeren Volks- classe, in physischer, moralischer, und öconomischer Hin- sicht sinken, und zu welcher ärgerlichen, schädlichen, und oft beynahe unerträglichen Last für die übrige Ge- sellschaft sie werden, wenn sie in ihrer Jugend entwe- der gar nicht, oder wenigstens nicht hinlänglich und zweckmäßig versorgt, geleitet, gebildet, unter Aufsicht gehalten, überhaupt erzogen werden; der wird gewiß auch einsehen und zugestehen, daß von dem Grade der Zweckmäßigkeit und Gewissenhaftigkeit der Erziehung der Jugend der künftige Grad der Vollkommenheit, des Wohlstandes, und des Glückes nicht nur der einzelnen Jndividuen, aus welchen diese Jugend gera[e] besteht, sondern auch, da dieselbe die Grundlage der künftigen Geschlechter ist, ganzer Völker und Staaten in aller Zukunft wesentlich abhängt, daß besonders auch die Erziehung des Nachwuchses vom weiblichen G[e]schlechte, welches die Wiege und erste Bildnerinn der Völker ist, von der höchsten Wichtigkeit seyn muß, und daß es daher nicht nur für die Kinder selbst eine auf ihre ganze Lebenszeit fortwirkende Wohlthat, sondern auch eine heilige Pflicht aller derjenigen, welche zur Erziehung der Jugend und zur Verwaltung des Staates berufen sind, ist, nichts zu versäumen, was dazu dienen kann,
1
§. 1.
Wer jemals Gelegenheit gehabt hat, zu beobachten, wie tief oft Menſchen, beſonders aus der aͤrmeren Volks- claſſe, in phyſiſcher, moraliſcher, und oͤconomiſcher Hin- ſicht ſinken, und zu welcher aͤrgerlichen, ſchaͤdlichen, und oft beynahe unertraͤglichen Laſt fuͤr die uͤbrige Ge- ſellſchaft ſie werden, wenn ſie in ihrer Jugend entwe- der gar nicht, oder wenigſtens nicht hinlaͤnglich und zweckmaͤßig verſorgt, geleitet, gebildet, unter Aufſicht gehalten, uͤberhaupt erzogen werden; der wird gewiß auch einſehen und zugeſtehen, daß von dem Grade der Zweckmaͤßigkeit und Gewiſſenhaftigkeit der Erziehung der Jugend der kuͤnftige Grad der Vollkommenheit, des Wohlſtandes, und des Gluͤckes nicht nur der einzelnen Jndividuen, aus welchen dieſe Jugend gera[e] beſteht, ſondern auch, da dieſelbe die Grundlage der kuͤnftigen Geſchlechter iſt, ganzer Voͤlker und Staaten in aller Zukunft weſentlich abhaͤngt, daß beſonders auch die Erziehung des Nachwuchſes vom weiblichen G[e]ſchlechte, welches die Wiege und erſte Bildnerinn der Voͤlker iſt, von der hoͤchſten Wichtigkeit ſeyn muß, und daß es daher nicht nur fuͤr die Kinder ſelbſt eine auf ihre ganze Lebenszeit fortwirkende Wohlthat, ſondern auch eine heilige Pflicht aller derjenigen, welche zur Erziehung der Jugend und zur Verwaltung des Staates berufen ſind, iſt, nichts zu verſaͤumen, was dazu dienen kann,
1
<TEI><text><body><pbfacs="#f0011"n="[1]"/><divn="1"><head>§. 1.</head><lb/><p><hirendition="#in">W</hi>er jemals Gelegenheit gehabt hat, zu beobachten,<lb/>
wie tief oft Menſchen, beſonders aus der aͤrmeren Volks-<lb/>
claſſe, in phyſiſcher, moraliſcher, und oͤconomiſcher Hin-<lb/>ſicht ſinken, und zu welcher aͤrgerlichen, ſchaͤdlichen,<lb/>
und oft beynahe unertraͤglichen Laſt fuͤr die uͤbrige Ge-<lb/>ſellſchaft ſie werden, wenn ſie in ihrer Jugend entwe-<lb/>
der gar nicht, oder wenigſtens nicht hinlaͤnglich und<lb/>
zweckmaͤßig verſorgt, geleitet, gebildet, unter Aufſicht<lb/>
gehalten, uͤberhaupt erzogen werden; der wird gewiß<lb/>
auch einſehen und zugeſtehen, daß von dem Grade der<lb/>
Zweckmaͤßigkeit und Gewiſſenhaftigkeit der Erziehung<lb/>
der Jugend der kuͤnftige Grad der Vollkommenheit, des<lb/>
Wohlſtandes, und des Gluͤckes nicht nur der einzelnen<lb/>
Jndividuen, aus welchen dieſe Jugend gera<supplied>e</supplied> beſteht,<lb/>ſondern auch, da dieſelbe die Grundlage der kuͤnftigen<lb/>
Geſchlechter iſt, ganzer Voͤlker und Staaten in aller<lb/>
Zukunft weſentlich abhaͤngt, daß beſonders auch die<lb/>
Erziehung des Nachwuchſes vom weiblichen G<supplied>e</supplied>ſchlechte,<lb/>
welches die Wiege und erſte Bildnerinn der Voͤlker iſt,<lb/>
von der hoͤchſten Wichtigkeit ſeyn muß, und daß es<lb/>
daher nicht nur fuͤr die Kinder ſelbſt eine auf ihre ganze<lb/>
Lebenszeit fortwirkende Wohlthat, ſondern auch eine<lb/>
heilige Pflicht aller derjenigen, welche zur Erziehung<lb/>
der Jugend und zur Verwaltung des Staates berufen<lb/>ſind, iſt, nichts zu verſaͤumen, was dazu dienen kann,<lb/><fwplace="bottom"type="sig">1</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[[1]/0011]
§. 1.
Wer jemals Gelegenheit gehabt hat, zu beobachten,
wie tief oft Menſchen, beſonders aus der aͤrmeren Volks-
claſſe, in phyſiſcher, moraliſcher, und oͤconomiſcher Hin-
ſicht ſinken, und zu welcher aͤrgerlichen, ſchaͤdlichen,
und oft beynahe unertraͤglichen Laſt fuͤr die uͤbrige Ge-
ſellſchaft ſie werden, wenn ſie in ihrer Jugend entwe-
der gar nicht, oder wenigſtens nicht hinlaͤnglich und
zweckmaͤßig verſorgt, geleitet, gebildet, unter Aufſicht
gehalten, uͤberhaupt erzogen werden; der wird gewiß
auch einſehen und zugeſtehen, daß von dem Grade der
Zweckmaͤßigkeit und Gewiſſenhaftigkeit der Erziehung
der Jugend der kuͤnftige Grad der Vollkommenheit, des
Wohlſtandes, und des Gluͤckes nicht nur der einzelnen
Jndividuen, aus welchen dieſe Jugend gerae beſteht,
ſondern auch, da dieſelbe die Grundlage der kuͤnftigen
Geſchlechter iſt, ganzer Voͤlker und Staaten in aller
Zukunft weſentlich abhaͤngt, daß beſonders auch die
Erziehung des Nachwuchſes vom weiblichen Geſchlechte,
welches die Wiege und erſte Bildnerinn der Voͤlker iſt,
von der hoͤchſten Wichtigkeit ſeyn muß, und daß es
daher nicht nur fuͤr die Kinder ſelbſt eine auf ihre ganze
Lebenszeit fortwirkende Wohlthat, ſondern auch eine
heilige Pflicht aller derjenigen, welche zur Erziehung
der Jugend und zur Verwaltung des Staates berufen
ſind, iſt, nichts zu verſaͤumen, was dazu dienen kann,
1
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schmidlin, Johann Gottlieb: Ueber öffentliche Kinder-Industrie-Anstalten überhaupt, und insbesondere in Württemberg. Stuttgart, 1821, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmidlin_kinderindustrie_1821/11>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.