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Schmidlin, Johann Gottlieb: Ueber öffentliche Kinder-Industrie-Anstalten überhaupt, und insbesondere in Württemberg. Stuttgart, 1821.

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kostspielig seyn möchte, dürfte hiebey doch zu bedenken
seyn, daß eine unverhältnißmäßig hohe Belohnung den
Kindern leicht einen übertriebenen Begriff von dem
Werthe ihrer Arbeit beybringen, oder sie, wenn sie
auch bey langsamer oder schlechter Arbeit doch gut be-
lohnt werden, statt ihren Gewerbfleiß anzuspornen,
vielmehr zur Trägheit und Gleichgültigkeit verleiten
könnte. -- Es dürfte daher zwar nach Beschaffenheit
der Umstände ganz angemessen seyn, den Kindern und
Eltern, z. B. durch öffentliche Speise-Anstalten, Ge-
legenheit zu geben, ihre Lebensbedürfnisse sich so gut
und wohlfeil als möglich anzuschaffen, aber jede An-
stalt dieser Art, und alles Allmosengeben, so wie über
haupt alles, was nicht in unzertrennlicher Verbindung
mit der Kinder-Jndustrie steht, sollte ganz abgesondert
von dieser behandelt werden, wie man dieß an eini-
gen Orten in Württemberg auch bereits eingesehen und
eingeleitet hat.

§. 73.

Wenn aller dieser Gründe, Erleichterungen, und
Begünstigungen ungeachtet manche Eltern und Pfle-
ge-Eltern keinen Gefallen, Sinn, und Ei-
fer für dergleichen Kinder-Jndustrie-Schu-
len zeigen,
vielmehr eine entschiedene Abneigung
dagegen äußern, dieselbe für eine - sie und ihre Kin-
der und Pflegebefohlene erniedrigende Straf-Anstalt,
oder wenigstens für unnöthig halten, wegen der kleinen
Unbequemlichkeit, welche die Abwesenheit der Kinder
von Hause zuweilen für sie mit sich bringt, die Theil-
nahme daran keineswegs als eine Wohlthat, sondern
vielmehr als eine beschwerliche Last ansehen, und sich
nicht der Anstalt, vielmehr die Anstalt ihnen für die

koſtſpielig ſeyn moͤchte, duͤrfte hiebey doch zu bedenken
ſeyn, daß eine unverhaͤltnißmaͤßig hohe Belohnung den
Kindern leicht einen uͤbertriebenen Begriff von dem
Werthe ihrer Arbeit beybringen, oder ſie, wenn ſie
auch bey langſamer oder ſchlechter Arbeit doch gut be-
lohnt werden, ſtatt ihren Gewerbfleiß anzuſpornen,
vielmehr zur Traͤgheit und Gleichguͤltigkeit verleiten
koͤnnte. — Es duͤrfte daher zwar nach Beſchaffenheit
der Umſtaͤnde ganz angemeſſen ſeyn, den Kindern und
Eltern, z. B. durch oͤffentliche Speiſe-Anſtalten, Ge-
legenheit zu geben, ihre Lebensbeduͤrfniſſe ſich ſo gut
und wohlfeil als moͤglich anzuſchaffen, aber jede An-
ſtalt dieſer Art, und alles Allmoſengeben, ſo wie uͤber
haupt alles, was nicht in unzertrennlicher Verbindung
mit der Kinder-Jnduſtrie ſteht, ſollte ganz abgeſondert
von dieſer behandelt werden, wie man dieß an eini-
gen Orten in Wuͤrttemberg auch bereits eingeſehen und
eingeleitet hat.

§. 73.

Wenn aller dieſer Gruͤnde, Erleichterungen, und
Beguͤnſtigungen ungeachtet manche Eltern und Pfle-
ge-Eltern keinen Gefallen, Sinn, und Ei-
fer fuͤr dergleichen Kinder-Jnduſtrie-Schu-
len zeigen,
vielmehr eine entſchiedene Abneigung
dagegen aͤußern, dieſelbe fuͤr eine - ſie und ihre Kin-
der und Pflegebefohlene erniedrigende Straf-Anſtalt,
oder wenigſtens fuͤr unnoͤthig halten, wegen der kleinen
Unbequemlichkeit, welche die Abweſenheit der Kinder
von Hauſe zuweilen fuͤr ſie mit ſich bringt, die Theil-
nahme daran keineswegs als eine Wohlthat, ſondern
vielmehr als eine beſchwerliche Laſt anſehen, und ſich
nicht der Anſtalt, vielmehr die Anſtalt ihnen fuͤr die

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[93/0103] koſtſpielig ſeyn moͤchte, duͤrfte hiebey doch zu bedenken ſeyn, daß eine unverhaͤltnißmaͤßig hohe Belohnung den Kindern leicht einen uͤbertriebenen Begriff von dem Werthe ihrer Arbeit beybringen, oder ſie, wenn ſie auch bey langſamer oder ſchlechter Arbeit doch gut be- lohnt werden, ſtatt ihren Gewerbfleiß anzuſpornen, vielmehr zur Traͤgheit und Gleichguͤltigkeit verleiten koͤnnte. — Es duͤrfte daher zwar nach Beſchaffenheit der Umſtaͤnde ganz angemeſſen ſeyn, den Kindern und Eltern, z. B. durch oͤffentliche Speiſe-Anſtalten, Ge- legenheit zu geben, ihre Lebensbeduͤrfniſſe ſich ſo gut und wohlfeil als moͤglich anzuſchaffen, aber jede An- ſtalt dieſer Art, und alles Allmoſengeben, ſo wie uͤber haupt alles, was nicht in unzertrennlicher Verbindung mit der Kinder-Jnduſtrie ſteht, ſollte ganz abgeſondert von dieſer behandelt werden, wie man dieß an eini- gen Orten in Wuͤrttemberg auch bereits eingeſehen und eingeleitet hat. §. 73. Wenn aller dieſer Gruͤnde, Erleichterungen, und Beguͤnſtigungen ungeachtet manche Eltern und Pfle- ge-Eltern keinen Gefallen, Sinn, und Ei- fer fuͤr dergleichen Kinder-Jnduſtrie-Schu- len zeigen, vielmehr eine entſchiedene Abneigung dagegen aͤußern, dieſelbe fuͤr eine - ſie und ihre Kin- der und Pflegebefohlene erniedrigende Straf-Anſtalt, oder wenigſtens fuͤr unnoͤthig halten, wegen der kleinen Unbequemlichkeit, welche die Abweſenheit der Kinder von Hauſe zuweilen fuͤr ſie mit ſich bringt, die Theil- nahme daran keineswegs als eine Wohlthat, ſondern vielmehr als eine beſchwerliche Laſt anſehen, und ſich nicht der Anſtalt, vielmehr die Anſtalt ihnen fuͤr die

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Zitationshilfe: Schmidlin, Johann Gottlieb: Ueber öffentliche Kinder-Industrie-Anstalten überhaupt, und insbesondere in Württemberg. Stuttgart, 1821, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmidlin_kinderindustrie_1821/103>, abgerufen am 24.11.2024.